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Hafen von Piräus. Foto: Imago

China:
Der gefürchtete Partner

Mehr als 300 Milliarden Dollar haben chinesische Unternehmen in Europa investiert – von Hightech bis Tourismus. Regiert Peking nun in Brüssel mit?
Mehr als 300 Milliarden Dollar hat China in Europa investiert. Regiert Peking nun in Brüssel mit?
Eine Recherche von Investigate Europe Eine Recherche von
Investigate Europe
I – China ist überall
Die neue Supermacht hat sich mit mehr als 300 Milliarden Dollar in Europa eingekauft.
II – Unbegrenzte Finanzpower
Die Einkäufer wollen Technologie, und bringen dafür Wachstum. Über die Angst vorm Ausverkauf.
III – Ausverkauf am Mittelmeer
Die Eurostaaten lieferten die Krisenländer an China aus. Die Folgen sind bis heute spürbar.

Die Verheißung aus Fernost erreicht Deutschland meist in der Nacht. Schier endlose Container-Züge mit chinesischen Schriftzeichen fahren nach 11.000 Kilometern Reise ihre Endstation am Duisburger Rheinufer an. Zahllose LKWs und Schiffe stehen dort bereit, um vom neuesten Smartphone-Modell bis zur schicken Bademode China-Waren aller Art in die umliegenden Länder zu verteilen.

Rund 30 mal pro Woche wiederholt sich das Schauspiel und beschert dem Güterbahnhof im Duisburger Industrieviertel einen klingenden Titel: Vom „Ende der Seidenstraße“ sprechen die Manager der Stadt, und preisen die um drei Wochen kürzeren Lieferzeiten gegenüber dem Schiffstransport.

Schon jetzt gibt es mehr als hundert chinesische Unternehmen in der Stadt, und viele weitere sollen folgen. „China“, sagt Erich Staake, der Chef des Projekts, „ist ein bedeutender Bestandteil für unsere künftige Entwicklung.“

Das gilt genauso für das 1300 Kilometer entfernte Kroatien. Dort erfüllt der chinesische Staat den Bewohnern einen lange gehegten Traum. In einer malerischen Adria-Bucht bohren chinesische Arbeiter mit gewaltigen Hammertürmen Stahlpfeiler 120 Meter tief in den Meeresgrund. Bald schon werden sie eine zweieinhalb Kilometer lange Brücke tragen, um das Festland und die Exklave Dubrovnik zu verbinden, die seit dem Jugoslawienkrieg getrennt sind.

Die eingeflogenen gut 200 chinesischen Arbeiter arbeiten rund um die Uhr und „machen das sehr gut“, lobt der Chef der Bezirksregierung. Vor allem sind sie billig, kein europäischer Wettbewerber konnte mithalten.

Brückenbau in der Adria – China baut für Kroatien. Foto: Investigate Europe

Aus China kommen auch die neuen Nutzer des ehrwürdigen Loreto-Palastes im Herzen der Altstadt von Lissabon. Hinter der Fassade aus dem 18. Jahrhundert residieren die Mitarbeiter des chinesischen Konzerns Fosun. Dessen Firmenimperium reicht in Europa von der früher staatlichen portugiesischen Versicherung „Fidelidade“ über den Reisekonzern Thomas Cook bis zur Modemarke Tom Tailor und der deutschen Privatbank Hauck & Aufhäuser. Nicht weit entfernt sind zudem die Büros von Chinas Staatsunternehmen State Grid und Three Georges, die sich in die Stromversorgung des Landes eingekauft haben. Investitionen von insgesamt mehr als neun Milliarden Euro machen Portugal jetzt zu einem „strategischen Partner“, erklärte Chinas Botschafter in Lissabon.

I – China ist überall

Cosco-Container im Rheinhafen Mannheim. Foto: Imago

So läuft das europaweit. Eisenbahnlinien und Autobahnen, Häfen und Stromnetze, Maschinenbau und Autoindustrie, Tourismus und Finanzwesen – in all diesen Branchen kaufen sich chinesische Unternehmen in die europäische Wirtschaft ein. Schon weit mehr als 300 Milliarden Euro haben sie seit 2009 hier investiert.

China ist überall, und das stiftet Furcht. „Der gefräßige chinesische Drache“ spalte Europa, „darum müssen wir Angst haben“ schrieb die Bild-Zeitung. Chinas „riesige Investitionen im Ausland verschaffen ihm eine scharfe Macht“, die es nutze, um „Kritiker mundtot zu machen“, warnte der Economist. Führende EU-Politiker schlagen neuerdings den gleichen Ton an. Der Wettbewerb zwischen China und Europa „läuft nicht fair“, klagt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, weil die Regierung in Peking sich einseitig Vorteile verschaffe.

Die Zeit der europäischen Naivität muss vorbei sein
Emmanuel Macron

Erstmals konstatierten die EU-Regierungen im vergangenen März, China sei „gleichzeitig ein Partner“ und „systemischer Rivale“. Europa, so signalisiert das Strategiepapier, beginnt zu fürchten, dass es mit den Milliarden aus China von den Parteidiktatoren in Peking abhängig wird und letztlich seine Wirtschaftskraft verkauft.

Die zentralen Ergebnisse der Recherche

Aber ist die chinesische Investitionsoffensive tatsächlich eine Gefahr für Europas Prosperität? Birgt die wirtschaftliche Verflechtung das Risiko, mit dem autoritären Regime in Peking gemeinsame Sache zu machen? Diesen Fragen ist das Team von Investigate Europe nachgegangen und stieß auf überraschende Antworten:

Dabei galten die Investitionen aus China lange Jahre als willkommene Folge der Globalisierung, zumal europäische Unternehmen umgekehrt schon weit mehr in China investiert haben. Allein aus Deutschland sind nach Angaben des Pekinger Handelsministeriums mindestens 5000 Unternehmen mit mehr als 100 Milliarden Euro in China engagiert.

Mit seinem rasanten Aufstieg wird der asiatische Wirtschaftsriese jedoch zusehends Konkurrent. Von den 500 größten Unternehmen der Welt haben bereits 119 ihren Sitz in China, nur zwei weniger als in den USA. Erstmals seit der Industriellen Revolution steht damit die Vormachtstellung der Europäer und Amerikaner in der Weltwirtschaft wieder in Frage.

II – Unbegrenzte Finanzpower

Der Syngenta-Coup im Juni 2017: Die Top-Manager von ChemChina und Syngenta besiegeln den Verkauf des Schweizer Chemiekonzerns. Foto: Imago

II – Unbegrenzte Finanzpower

Welche Ängste das auslöst, zeigte sich erstmals im Mai 2016, als der chinesische Hausgerätekonzern Midea für 4,6 Milliarden Euro den deutschen Robotik-Hersteller Kuka kaufte. Zu “befürchten” sei, dass solche Unternehmen “nur als Werkzeuge benutzt und weggeworfen werden, wenn sie genügend Technologie übertragen haben“, warnte Michael Clauß, der damalige deutsche Botschafter in Peking.

Doch die „Angst vor dem Ausverkauf“ der europäischen Industrie nach China, wie die Frankfurter Allgemeine schrieb, geht am tatsächlichen Geschehen vorbei. Seit dem Deal mit Kuka kauften Investoren aus China mehr als 160 weitere europäische Unternehmen für Preise von mehr als 100 Millionen bis zu 43 Milliarden Dollar.

In den meisten Fällen, das bestätigten Manager und Arbeitnehmer von Norwegen bis Italien gegenüber Investigate Europe, geht es den gekauften Unternehmen heute besser als vor dem Verkauf. Zudem halten sich Chinesische Investoren „in aller Regel an die Gesetze und Tarifverträge“, sagt Rudolf Luz, der als Leiter der Abteilung Betriebspolitik bei der IG Metall die europäische Industrielandschaft gut kennt.

Interaktiv: Chinas Großinvestitionen in Europa

Wo haben chinesische Unternehmen in welche Firmen investiert? Klicken Sie auf einzelne Länder!
Die Karte zeigt die Summe chinesischer Investitionen seit 2009 pro Kopf. Einbezogen wurden nur Investitionen in Höhe von je mindestens 100 Millionen US-Dollar. Das tatsächliche Gesamtvolumen pro Land liegt daher vielfach höher. Einige Investoren haben gekaufte Unternehmensanteile weiterverkauft. Das wurde nicht erfasst. Quellen: American Enterprise Institute, Institut d. dt. Wirtschaft, Schweizer Handelsregister, Unternehmensangaben

Dafür steht exemplarisch der chinesische Staatskonzern ChemChina, dem „dynamischsten Globalisierer unter Chinas Staatsunternehmen“, befand der Economist. So gehören unter anderen der Reifenkonzern Pirelli aus Italien, der Enzym-Spezialist Adisseo aus Frankreich, der Silikonproduzent Elkem aus Norwegen, der Schweizer Agrarchemiehersteller Syngenta und der deutsche Weltmarktführer für Kunststoff-Maschinen Kraus-Maffei zu ChemChina. Der Lenker dahinter ist der Selfmade-Millionär Ren Jianxin, dem die Regierung die Sanierung vieler maroder Betriebe übertrug.

Die von ihm eingesetzten Manager lassen den Tochterfirmen in Europa weitgehend freie Hand. Für die rund 6200 Mitarbeiter beim norwegischen Silikon-Spezialisten Elkem sei der Verkauf nach China „nur positiv“, versichert Marianne Færøyvik, Vertreterin der Gewerkschaften im Aufsichtsrat. Die Firma sei seit der Übernahme in 2011 durch Zukäufe „gut gewachsen“.

Rettung für das „Prada der Reifenindustrie“

Die gleiche Erfahrung machen auch die Mitarbeiter bei Pirelli, dem „Prada der Reifenindustrie“, wie Ren es nennt. Nach der Übernahme für mehr als sieben Milliarden Euro im Jahr 2015 bot er den italienischen Kollegen einen erstaunlichen Vertrag: Obwohl die erworbenen 45 Prozent der Aktien ChemChina die volle Kontrolle verschaffen, kann die Konzernzentrale nur ins Ausland verlegt werden, wenn die übrigen Eigentümer zustimmen. Damit bleibt Pirelli italienisch und CEO Tronchetti Provera ist überzeugt, der Deal sei „das Beste für Pirelli“ gewesen. „Andernfalls wären wir in die Hände von Konkurrenten gefallen, und das wäre das Ende von Pirelli gewesen“.

Pirelli-Chef Marco Tronchetti Provera. Foto: Imago

Auch Frank Stieler, Chef des Münchner Maschinenbauers Krauss-Maffei, sieht sein Unternehmen bei ChemChina gut aufgehoben. „Wir investieren heute doppelt so viel wie in den Jahren unter Führung durch angelsächsische Finanzinvestoren“, sagte Stieler Investigate Europe. Gleich vier neue Werke seien in Planung und Bau, drei davon in Deutschland. 800 neue Jobs wurden schon geschaffen.

„Das Filetstück wollten alle haben“

Den größten Coup landete ChemChina in der Schweiz. Dort lieferten sich 2015 die Chemiekonzerne einen Bieterkampf zur Übernahme des Agrochemieunternehmens Syngenta. „Das war ein Filetstück der Branche, und alle wollten es haben“, erinnert sich ein deutscher Manager, der daran beteiligt war. Zunächst offerierte Monsanto 35 Milliarden Dollar und die Wettbewerber von BASF bis Dow loteten Gebote bis zu 38 Milliarden Dollar aus. Aber dann bot Ren den Syngenta-Aktionären noch einmal fünf Milliarden Dollar mehr. „Da konnte kein anderer mithalten“, erzählt der deutsche Chemiemanager.

Genau das aber macht Europas Wirtschaftslenkern Angst. „Die chinesischen Konzerne verfügen mit der Staatskasse im Rücken über eine unbegrenzte Finanzkraft, das ist kein fairer Wettbewerb“, beklagt ein führender Funktionär der EU-Industrielobby. Ausgerechnet der deutsche Industrieverband BDI, dessen Mitglieder eng mit China verbunden sind, warnte darum im Januar vor dem „chinesische Modell einer Wirtschaft mit stark lenkendem staatlichen Einfluss“. „Die deutsche Industrie hat eine große Sorge“, erklärte BDI-Abteilungsleiter Fridolin Strack. „Die chinesische Hybridwirtschaft mobilisiert enorme Ressourcen auch für die strategischen Akquisitionen in Europa.“ Diese „Marktverzerrungen“ müssten „beseitigt werden“, fordert er.

ChemChina-Chef Ren Jianxin: 43 Milliarden in Cash. Foto: dpa

Oft stehe hinter den Käufern der chinesische Staat, heißt es auch in einem Strategiepapier des Bundeswirtschaftsministeriums von 2017. Demnach sei „der Käufer in der Lage, mehr Geld für das Unternehmen zu zahlen und sich so einen Vorteil zu verschaffen.“ Darum müssten die „europäischen Staaten mehr Möglichkeiten haben, Übernahmen zu prüfen und ggf. zu unterbinden“. Aber wie das geschehen soll, ist völlig unklar.

Zudem beruht die Furcht vor dem Subventions-Doping auf bloßen Annahmen. Auf Nachfrage erklärte eine Sprecherin von Minister Peter Altmaier, „einzelfallbezogene Erkenntnisse zum Einfluss staatlicher Subventionen auf die Investitionstätigkeit chinesischer Unternehmen im Ausland liegen der Bundesregierung nicht vor.“ Mit anderen Worten: Nichts genaues weiß man nicht.

Subventions-Doping oder Missverständnis?

Das wundert Wang, Weidong nicht. Chinas führender Wirtschaftsdiplomat in Europa residiert im früheren SED-Viertel am Majakowskiring in Berlin-Pankow, wo die rote China-Fahne vor den klassizistischen Säulen des Botschaftsgebäudes noch ein wenig DDR-Feeling verbreitet. Dort empfängt Wang bei einer Tasse grünem Tee und erklärt „das Missverständnis“ mit den Subventionen.

Wirtschaftsabteilung der chinesischen Botschaft in Berlin. Foto: Investigate Europe

Der chinesische Staat habe „gar nicht das Geld, um Übernahmen der Staatsunternehmen im Ausland zu bezahlen“, versichert er. Auch ChemChina habe seine Einkäufe „nicht nur mit Krediten der staatlichen Banken, sondern auch vom internationalen Kapitalmarkt zu kommerziellen Konditionen finanziert.“ Zudem seien die Zinsen „in China sogar höher als in Europa“.

Tatsächlich hat der Konzern jetzt mit der Schuldenlast zu kämpfen. Darum musste Ren seinen Posten räumen und an den Chef von Sinopec, des zweiten Chemieriesen im Land, abgeben, der die beiden Unternehmen fusionieren soll. Von unbegrenzter Finanzkraft keine Spur.

Peking nutzt den heimischen Kapitalmarkt

Das deckt sich mit den Forschungsergebnissen der chinesischen Ökonomin Shuwen Bian, die an der Universität Kassel forscht. Sie ist der Finanzierung von 166 Übernahmen in Deutschland nachgegangen. Dafür haben die beteiligten Firmen, vor allem börsennotierte Unternehmen, ihre Akquisitionen zumeist über private und staatliche Beteiligungsfonds finanziert. Darüber ist dann zwar die Staatskasse involviert, aber als Teilhaber.

Das Ziel sei, mit den Firmenübernahmen im Ausland den Börsenwert der Muttergesellschaften in China zu steigern. Die Fonds, auch die staatlichen, würden in aller Regel ihre Beteiligungen später zum höheren Wert wieder verkaufen. Insofern mache sich die Regierung „den heimischen Kapitalmarkt zu Nutze“, konstatiert Bian, „aber eine Subvention im klassischen Sinn“ sei das nicht. Dass sich der Vorwurf dennoch hält, haben sich die China-Konzerne aber auch selbst zuzuschreiben. Keines der angefragten chinesischen Staatsunternehmen war bereit, sich kritischen Fragen zu stellen.

Handelt es sich also doch nur um ganz normale Geschäfte, wie sie europäische und amerikanische Unternehmen seit je betreiben? Kritiker wie der Ökonom Max Zenglein vom Berliner Mercator-Institut für China-Studien (Merics) widersprechen. Er meint, „dass Deutschland Chinas Innovationsoffensive durch zahlreiche Kooperationen in Wirtschaft und Forschung zu bereitwillig stärkt.“ Dabei würden die Akteure „das Risiko eines unerwünschten Technologie- und Know-how-Transfers in Bereichen vernachlässigen, die für den Fortschritt ihrer eigenen Branchen entscheidend sind“, schreibt er und warnt: „Deutschlands wirtschaftliche Fundamente könnten hierdurch unmittelbar beschädigt werden.“

„Die Globalisierung ist kein Nullsummenspiel“

Aber wie genau das ablaufen soll, kann er nicht erklären. Wirtschaftlich wäre ein Niedergang der europäischen Industrie auch gar nicht im Interesse Chinas, weil die EU dessen größter Handelspartner ist, hält Wirtschaftsdiplomat Wang dagegen. Darum habe diese Angst „nichts mit der Realität zu tun.“ Natürlich stehe man im Wettbewerb, „aber den hat Europa auch mit den USA. Die Globalisierung ist kein Nullsummenspiel, alle können gewinnen“ argumentiert Wang wie ein klassischer Marktliberaler und weiß die Wirtschaftsgeschichte auf seiner Seite. Als Deutschland und Japan nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Volkswirtschaften auf Weltmarktniveau brachten, kooperierten auch ihre Unternehmen mit US-Konzernen, um dann später in manchen Sektoren selbst zu Weltmarktführern zu werden. Der US-Wirtschaft hat das keineswegs geschadet.

Krauss-Maffei-Chef Stieler und viele seiner Kollegen sehen das genauso. „Solange wir in China einen so großen Binnenmarkt haben, der zu Produkten führt, die uns nachher auf dem Weltmarkt die Anteile wegnehmen, haben wir gar keine Wahl als uns in dem Land aufzustellen und unsere Position zu verteidigen“, erklärt er das China-Engagement seines und vieler anderer europäischer Unternehmen. Er teile daher „die Einschätzungen des Merics-Instituts nicht“, sagte Stieler gegenüber IE. „Eine Abschottung und Hürden für einen freien Marktzugang“ seien „gerade für die Exportnation Deutschland gefährlich.“

III – Ausverkauf am Mittelmeer

Alles in chinesischer Hand - Container-Terminal im Hafen von Piräus. Foto: Imago

III – Ausverkauf am Mittelmeer

So widersprüchlich diese Debatte verläuft, so widersprüchlich ist auch die Politik der EU-Staaten beim Umgang mit dem Wirtschaftspartner China. Das wird nirgendwo deutlicher als in den Krisenstaaten Portugal und Griechenland. Dort nötigten die anderen Eurostaaten die Regierungen seit 2011 ihren Staatsbesitz so schnell wie möglich zu verkaufen, ganz gleich an wen. Aber europäische Investoren waren entweder nicht interessiert oder boten wenig.

Chinas Regenten dagegen erkannten die Chance. Und so gelangten Häfen, Stromgesellschaften und große Teile von Portugals Finanzsektor unter chinesische Kontrolle. „Es ist wahrlich ironisch, wir wurden gezwungen, nach marktwirtschaftlicher Logik zu privatisieren und verkauften schließlich an Unternehmen des Staatskapitalismus“, kommentiert die Politikwissenschaftlerin Raquel Vaz-Pinto von der Uni Lissabon.

Das Ergebnis ist insbesondere in Griechenland brisant, weithin sichtbar im größten Hafen des Landes: Piräus! Der Küstenstrich auf der Westseite von Athen ist seit mehr als 2500 Jahren das Tor der Griechen zur Welt. Hier starteten schon die Flotten in den Krieg gegen das Persien des Altertums. Hier zeigten die verwaisten Piers bis 2010 den wirtschaftlichen Niedergang an. Und hier, auf den rund zehn Kilometern Küste zwischen Fähranlegern, Tanklagern, alten Fabriken und einem Wald von Container-Kränen ist Europa jetzt so chinesisch wir nirgendwo sonst.

Die „Privatisierung“ von Piräus – ein bizarres Geschäft

Der Weg dahin begann 2008. Als Griechenlands Reeder anfingen, ihre Schiffe von China bauen und finanzieren zu lassen, holten sie zugleich den staatlichen Schifffahrts- und Hafengiganten Cosco nach Piräus. Für 650 Millionen Euro kaufte Cosco die Konzession für zwei Container-Piers. Acht Jahre später erzwangen die Euro-Finanzminister dann die „Privatisierung“ des gesamten übrigen Hafens – ein bizarres Geschäft. Der Zwangsverkauf fand ohne Wettbewerber statt und brachte Cosco für gerade mal 280 Millionen Euro die volle Kontrolle.

Theodoris Dritsas, damals Schifffahrtsminister, erinnert sich: „Obwohl wir wussten, dass nur die Chinesen davon profitieren, bestanden vor allem die Deutschen darauf. Ich habe das bis heute nicht verstanden“. Nun ist sogar die Hafenbehörde in chinesischer Hand, die Anlage wurde zu einer Art exterritorialem Gebiet. Was reinkommt und was rausgeht entscheiden allein die aus China gesandten Manager.

Gestützt auf die zum selben Unternehmen gehörende drittgrößte Containerflotte der Welt stieg Piräus seitdem vom heruntergekommen Provinzhafen zum zweitgrößten Umschlagplatz im Mittelmeer auf. Nach eigenen Angaben steuerte die Hafenfirma vergangenes Jahr 337 Millionen Dollar zur griechischen Wirtschaft bei und schuf 3100 Jobs.

Kritische Infrastruktur in chinesischer Hand

Häfen und Brücken mit chinesischer Beteiligung. OECD/eigene Recherche

Piräus ist jedoch nur der Anfang. Längst haben Cosco und die Schwesterfirma China Merchant sich auch in weiteren 13 europäischen Häfen von Malta bis Rotterdam eigene Terminals und Anteile gekauft. Das folgt zunächst nur der wirtschaftlichen Logik. Die „maritimen Ambitionen spiegeln die Rolle Chinas als weltgrößter Exporteur, der den Zugang zu Infrastruktur und Ressourcen sichern will, die es für seine Entwicklung zwingend benötigt“, schrieb die Global Times, das Auslandsmagazin der Pekinger Regierung.

„Damit verliert Europa ein Stück Souveränität“, meint dagegen der frühere französische Premierminister und China-Kenner Jean-Pierre Raffarin, der die Macron-Regierung berät. „Häfen haben strategische Bedeutung, und wir müssen in Europa klären, wie wir damit umgehen“, fordert er.

Das ist jedoch fast unmöglich. Europas Hafenstädte scheren sich nicht um Souveränität, wenn Cosco Umsatz und Investment verspricht. Jenseits aller Geostrategie liefern sie sich einen erbitterten Wettbewerb um die Gunst der Investoren aus China.

Häfen haben strategische Bedeutung, und wir müssen in Europa klären, wie wir damit umgehen.
Jean-Pierre Raffarin

Davon kann Franck Dhersin, Hafenmanager im französischen Dünkirchen erzählen, der auch mit China Merchant im Geschäft ist. „In Frankreich gibt es zwischen den verschiedenen Häfen eine heftige Rivalität, um mehr chinesische Container anzuziehen“, erzählt er. „Alle Hafenbetriebe veranstalten Werbereisen nach China, um dort Partnerschaften aufzubauen, ich komme selbst gerade aus Schanghai“.

Gleichzeitig wetteifern die Städte um die zugehörigen Industrieansiedlungen. So legte die Stadt Marseille in diesem Sommer mal eben 6,5 Millionen Euro an Subventionen auf den Tisch, um einen chinesischen Silikonhersteller zum Bau seiner neuen Fabrik am Hafen zu bewegen und den Wettbewerber Rotterdam auszustechen. Für jeden der versprochenen Jobs sind das 48.000 Euro. Die Holländer konterten mit dem Versand eines Videos vom letzten Streik im Marseiller Hafen, beklagte Philippe Maurizot, Vizechef der städtischen Wirtschaftsabteilung. „Der Wettbewerb ist wirklich hart.“

China füllt Europas Investitionslücke

Und das nicht nur zwischen den Häfen. Das Gleiche läuft europaweit auf allen Ebenen. Egal ob Kreisstadt oder Metropole, ob Provinzregierung oder Staatschefs, alle kämpfen mit derselben Misere: EU-weit fehlt es seit zehn Jahren sowohl an privaten als auch öffentlichen Investitionen, weil die EU anders als die USA nach der großen Finanzkrise auf Sparkurs ging. Noch immer haben die Ausgaben für neue Fabriken, Unternehmen, Bildung und Infrastruktur nicht mal das Niveau von 2008 erreicht. Das aber macht die Milliarden aus China umso verlockender und bringt die Europäer gegeneinander in Stellung.

IV – Zwischen Furcht und Geschäft

Europas Führung demonstriert Einigkeit - Europäisch-Chinesisches Gipfeltreffen in Paris im März 2019. Foto: AFP

IV – Zwischen Furcht und Geschäft

Das strategische Dilemma zwischen Furcht und Geschäft im Umgang mit der aufstrebenden Supermacht offenbart der innereuropäische Streit um Chinas „Seidenstraßen“-Programm (BRI). An die 1000 Milliarden Dollar pumpt die Xi-Regierung in den Bau von Transportrouten auf der ganzen Welt jenseits der amerikanischen Kontrolle. Darauf setzen vor allem die Länder in Ost- und Mitteleuropa. Sie gründeten die Gruppe „16 plus 1“, mit dem Beitritt Griechenlands auf 17+1 erweitert, bei deren Jahreskonferenzen Chinas Regenten gerne große Projekte ankündigen.

Dabei handelt es sich um ein Sammelsurium von Kraftwerken, Autobahnen und Bahnstrecken, großteils außerhalb der EU. Unter den EU-Staaten hat bisher nur Ungarn ein nennenswertes Projekt an Land gezogen: Eine mit chinesischen Krediten finanzierte Bahntrasse von Budapest nach Belgrad und später nach Piräus soll Europas Handel mit China einen weiteren, schnellen Zugang verschaffen. Mangels anderer Vorzeigeprojekte deklarierten die Seidenstraßen-Strategen auch den 357 Millionen Euro teuren Brückenbau in Kroatien kurzerhand als Teil des Programms, obwohl die EU-Steuerzahler vier Fünftel davon über den Regionalfonds bezahlen, während China lediglich die Baufirma stellt.

Zementlager und Wohncontainer für die chinesischen Arbeiter an der Peljesac-Brücke in Kroatien. Fotos: Investigate Europe

Trotz dieser eher bescheidenen praktischen Bedeutung von „17+1“ sehen westliche EU-Politiker den Verbund als politische Bedrohung. Als Beleg dafür führen die Warner stets den Fall Griechenland an. Nach der Piräus-Übernahme habe „dieses Mitgliedsland“ im Juni 2017 „nicht mit der übrigen Union einer Erklärung zu den Menschenrechten in China zugestimmt“, beschwerte sich etwa Handelskommissarin Cecilia Malmström. „Das untergräbt die europäische Einheit“.

Der Streit um das griechische Veto

Aber so eindeutig ist das keineswegs, erklärt der damalige griechische Außenminister Nikos Kotzias. Griechenland habe stets der alljährlichen China-kritischen EU-Erklärung beim UN-Menschenrechtsrat zugestimmt. 2016 habe er dann gefordert, dass alle schweren Verstöße genannt werden, auch die in Pakistan und Saudi-Arabien, erinnert sich Kotzias. Ein Jahr später sei das aber wieder nicht geschehen, „weil die großen EU-Länder die Menschenrechte dort instrumentalisieren, wo sie ihre eigene Politik betreiben“. Darum habe er 2017 sein Veto eingelegt.

„Es ging nicht um China, sondern um die Doppelmoral“, versichert der Ex-Minister. Ein Jahr später habe die EU-Kommission dann auch die Rechtsbrüche in Pakistan und weiteren Ländern genannt, „und wir haben wieder zugestimmt“. Chinas Druck auf das abhängige Griechenland reicht offenkundig doch nicht so weit.

Die Supermacht und die 16 Zwerge - Chinas Premier Li Kequiang beim 16+1-Gipfel in Dubrovnik. Foto: Imago

Als auch Italiens Regierung im März ein „Memorandum of Understanding“ mit China unterzeichnete, weil sie für ihre Häfen auf den gleichen Aufschwung wie in Piräus hofft, warnte Außenminister Heiko Maas, vor einem „einen bitteren Nachgeschmack. Wenn einige Länder glauben, dass sie clevere Geschäfte mit China machen, werden sie eines Tages aufwachen und abhängig sein“.

Kein Land ist abhängiger als Deutschland

Doch das klingt gerade aus deutschem Mund wohlfeil. Kein anderes EU-Land ist abhängiger von China als Deutschland. Die neue Supermacht in Asien ist längst wichtigster Handelspartner überhaupt. Die DAX-30-Konzerne erwirtschaften mit China 15 Prozent ihres Umsatzes. Volkswagen, BMW und Daimler-Benz verkaufen dort rund ein Drittel ihrer Autos, mehr als in jedem anderen Land.

Gleichzeitig sind alle Autokonzerne auch mit chinesischen Unternehmen verflochten, allen voran Daimler-Benz, wo der private Autokonzern Geely und sein staatlicher Wettbewerber BAIC zwei der drei größten Aktionäre stellen. Und niemand betreibt die Verflechtung mit China intensiver als die Deutschen. 70 „Dialogforen“ unterhält allein die Bundesregierung mit Partnerinstitutionen in China. Alle zwei Jahre kommen beide Regierungen zu ausführlichen Konsultationen zusammen, die stets mit neuen großen Verträgen enden. Gerade erst ist Kanzlerin Merkel von ihrem zwölften Staatsbesuch in Peking zurückgekehrt, bei dem die mitreisenden Topmanager für Konzerne wie Airbus, Siemens und Allianz erneut elf Kooperationsverträge im Milliardenwert abschlossen.

Doch das birgt das eigentliche Risiko. Die wachsende Abhängigkeit von Chinas Riesenmarkt macht weit mehr erpressbar als Chinas Investitionen in europäischen Fabriken, Häfen und Finanzunternehmen. Selbst Jörg Wuttke, Präsident der europäischen Handelskammer in Peking und für die BASF seit 22 Jahren im Geschäft mit dem Einparteienstaat, warnt: „Die Chinesen nutzen skrupellos ihre Wirtschaftskraft, um politischen Einfluss zu nehmen.“

„Volksfeind“ Daimler-Benz

Das bekamen etwa die Manager von Daimler im Februar 2018 zu spüren. Da hatte es ein Marketing-Mitarbeiter gewagt, eine Mercedes-Werbung auf Instagram mit einem Zitat des Dalai Lamas zu schmücken. „Betrachte die Situation von allen Seiten und du wirst offener“, riet der Autor den Lesern, aber aus Sicht der Pekinger Regenten ist schon die Erwähnung des „Separatisten“ ein Verbrechen. Binnen Stunden erhob sich ein Shitstorm in den sozialen Medien des Landes und die Volkszeitung, das Sprachrohr der Partei, erklärte Daimler mal eben zum „Volksfeind“. Umgehend musste der Daimler-Vorstand zu Kreuze kriechen und nannte den harmlosen Sinnspruch „eine extrem falsche Botschaft“ Dieter Zetsche, bis vor kurzem Konzernchef, erklärte in einem persönlichen Brief, „ich bereue zutiefst das Leid und den Kummer, den der fahrlässige und unsensible Fehler über das chinesische Volk gebracht hat“.

Panzer statt Demokratie - Demonstrant am Tiananmen-Platz 1989. Foto: AP

Ganz ähnlich erging es dem Kamerahersteller Leica im vergangenen April. Ein im Auftrag der Firma erstellter Werbefilm hatte weltberühmte Fotografien vorgestellt, und darunter auch das vom einsamen Kämpfer, der sich 1989 auf dem Tiananmen-Platz in Peking den Panzern entgegenstellte, die den friedlichen Protest niederwalzten. Prompt erhob sich auch dagegen der national gesteuerte Protest, und die Firma sah sich gezwungen, sich von „den Inhalten distanzieren“ und bedauerte „alle Missverständnisse oder falschen Schlussfolgerungen, die gezogen wurden“.

VW-Chef dient sich China an

Solche Erfahrungen erzeugen vorauseilenden Gehorsam. VW-Chef Herbert Diess machte sich dafür sogar vor laufender Kamera lächerlich. Als ein BBC-Reporter ihn im April fragte, wie er eine Fabrik in Xinjiang betreiben könne, wo das Regime von Parteidiktator Xi mehr als eine Million Uiguren wegen ihres muslimischen Glaubens in sogenannten Umerziehungslagern gefangen hält, behauptete er kurzerhand „davon weiß ich nichts“.

Indirekt fügen sich auch Europas Regierungen. Früher war der Dalai Lama als geistlicher Führer der von China kolonisierten Tibeter in allen Hauptstädten ein gern gesehener Gast, ungeachtet scharfer Kritik aus Peking. Das hat sich gründlich geändert. Seit 2016 wagte es kein europäisches Staatsoberhaupt mehr, dem berühmten Buddhisten auch nur die Hand zu schütteln.

Vor diesem Hintergrund sei den Osteuropäern für ihren Kuschelkurs mit Peking kein Vorwurf zu machen, sagt der als China-Kritiker bekannte grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer. Die westlichen Länder machen seit Jahren das große Geschäft, „und die anderen wollen auch ein Stück vom Kuchen“.

Europas China-Politik verläuft in Schlangenlinien

Kein Wunder also, dass die gemeinsame China-Politik der Europäer nicht weit gediehen ist. In einem ersten Schritt verpflichteten sich zwar alle Mitgliedsstaaten, seit April diesen Jahres Direktinvestitionen aus Nicht-EU-Ländern der EU-Kommission zu melden. Aber für klare Regeln für mögliche Verbote fand sich keine Mehrheit. Gesetzlich vorgeschrieben ist die Prüfung der Investments auf mögliche Risiken für Sicherheit oder Wirtschaft nur in zwölf der 28 EU-Staaten, und die Kommission hat keine Vollmachten einzugreifen, sondern darf nur beraten.

Ginge es nach den Brüssler Kommissaren, dann würde die EU auch hart dagegen vorgehen, dass europäische Investoren in China strikteren Grenzen unterliegen als umgekehrt. Noch schließt die chinesische Regierung in 13 Wirtschaftssektoren von der Agrarproduktion bis zum Flugbetrieb ausländische Unternehmen aus oder fordert eine chinesische Mehrheitsbeteiligung. Vor allem aber können die Europäer nicht in die zahlreichen Staatsunternehmen einsteigen, denen umgekehrt die überwiegend privaten Firmen in Europa offen stehen. Darum verhandelt die Kommission seit 2014 mit Chinas Regierung über ein Investitionsabkommen.

Auch die Chinesen fühlen sich ungerecht behandelt

Aber noch ist nicht viel passiert, weil sich auch die Chinesen ungerecht behandelt fühlen. „Bei uns ist klar, was erlaubt ist und was nicht“, sagt Wirtschaftsdiplomat Wang. In Deutschland dagegen „sieht es nur so aus, dass alle Sektoren offen sind. In der Realität können die Beamten alles verbieten, wie sie es für nötig halten.“ Darum gebe es viele Projekte, die daran scheitern, dass das Wirtschaftsministerium viele Monate lang die Genehmigung nicht erteilt. „Das ist auch eine Methode Chinas Unternehmen zu blockieren“, beschwert sich Wang.

Gleichzeitig fordert die EU-Kommission auch ein „level playing field“ auf dem Markt für Staatsaufträge. Wie der Brückenbau in Kroatien zeigt, können Chinas Bauriesen in der EU ihre europäischen Wettbewerber ausstechen, während es für EU-Firmen „sehr schwierig ist, Zugang zu staatlichen Aufträgen in China zu bekommen“, heißt im jüngsten EU-Strategiepapier zu China.

Dagegen fodert die Kommission ein „Beschaffungs-Instrument“, mit dem sie notfalls die Chinesen aussperren kann, wenn sie EU-Firmen nicht die gleichen Rechte geben. Aber im ersten Anlauf im Jahr 2017 wandten sich 17 EU-Regierungen dagegen, auch die deutsche. Ob der von den Kommissaren angekündigte neue Versuch demnächst Erfolg haben wird, ist fraglich.

Europa wird zum Schlachtfeld im Wirtschaftskrieg

So folgt die EU in Schlangenlinien den wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder mal hier und mal dahin. Doch das kann nicht mehr lange gut gehen. Denn gleichzeitig eskaliert der Wirtschaftskrieg zwischen der alten Supermacht im Westen und der neuen im Osten. Und Europa droht zum Schlachtfeld zu werden.

Exemplarisch ist der Streit um den Telekomhersteller Huawei. Dieser ist das erste chinesische Unternehmen, das in seinem Sektor Weltmarktführer ist und in Europa eine große Rolle spielt. Allein in Deutschland trage Huawei mit 2,4 Milliarden Euro und 28.000 Arbeitsplätzen zur deutschen Wirtschaft bei, ergab eine Studie des DIW. Aber genau das will die Trump-Regierung nicht zulassen, und fordert von ihren Alliierten alle Geschäfte mit dem begehrten Lieferanten einzustellen.

Polen und Tschechien sind dem bereits gefolgt, in Frankreich und Deutschland wollen die Regierungen aber selbst die Kontrolle behalten, und nach technischer Prüfung weiter mit Huawei arbeiten. Doch im nächsten Schritt drohte die US-Regierung europäischen Hightech-Lieferanten von Huawei mit der Sperrung des US-Markts.Schon musste der britische Chipdesigner ARM sein Milliardengeschäft mit Huawei aufgeben.

Was, wenn China den Bruch mit den USA fordert?

Aber was würde geschehen, wenn die US-Regierung diesen Kampf um die Vorherrschaft auch auf andere Branchen ausdehnt? Wie wird Europa reagieren, wenn China umgekehrt die Einhaltung der Verträge der Welthandelsorganisation und damit den Bruch mit den USA fordert?

Die Ökonomen Jean Pisani-Ferry, Berater von Präsident Macron, und Guntram Wolff, Chef der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, schrieben dazu eigens ein „Memo“ für die künftige EU-Kommission. Eine „Entkoppelung“ der EU-Wirtschaft könne „nicht im Interesse Europas sein“, mahnen sie. „Die zentrale Aufgabe der EU wird es daher, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit zu verteidigen, und gleichzeitig mit beiden, den USA und China, stark verbunden zu bleiben.“

Das aber könnte, wenn überhaupt, nur gelingen, wenn alle EU-Staaten an einem Strang ziehen. Die Zeit wird dafür knapp.

Über die Recherche
Was ist Investigate Europe?

„Investigate Europe“ ist ein Journalistenteam aus neun Ländern, das gemeinsam Themen von europäischer Relevanz recherchiert und die Ergebnisse europaweit veröffentlicht.

Spenden der Leser sind ein wichtiger Beitrag, der die Arbeit ermöglicht. Das Projekt wird von der Schöpflin-Stiftung, der Rudolf-Augstein-Stiftung, der Hübner & Kennedy-Stiftung, der norwegischen Fritt-Ord-Stiftung, der Open Society Initiative for Europe, der portugiesischen Gulbenkian Foundation, der italienischen Cariplo-Stiftung und privaten Spendern unterstützt.

Zu den Medienpartnern für die Recherche über die chinesischen Investitionen gehören neben dem Tagesspiegel unter anderem „Aftenbladet“, „Diário de Noticias“, „De Groene Amsterdammer“, „Il Fatto Quotidiano“ „Mediapart“, „Republik“ „Trends“ und „Gazeta Wyborcza“. Mehr zum Projekt unter www.investigate-europe.eu

Team

Lubena Awan
Design
Lubena Awan ist derzeit GNI Fellow beim Tagesspiegel und ist Designerin für UX und UI. Sie arbeitet am liebsten daran, digitale Geschichten so zu gestalten, dass sie möglichst viele Menschen bewegen.
Wojciech Ciesla
Recherche und Text
Wojciech Ciesla ist seit 2016 bei Investigate Europe, lebt in Warschau und schreibt für Gazeta Wyborcza und Newsweek Polska. Er recherchierte Chinas Investitionen und Einfluss in Mittel- und Osteuropa.
Ingeborg Eliassen
Recherche und Text
Ingeborg Eliassen ist seit 2016 bei Investigate Europe, lebt in Stavanger und schreibt für Aftenbladet und andere norwegische Zeitungen. Sie ging dem Druck des chinesischen Regimes auf Europas Firmen und Regierungen sowie den Plänen für "arktische Seidenstraße" nach.
Juliet Ferguson
Recherche
Juliet Ferguson ist seit 2018 bei Investigate Europe, lebt in London und arbeitet für das Center for Investigative Journalism. Sie recherchierte die Verbindungen der chinesischen Investoren in der britischen Finanzindustrie.
Nikolas Leontopoulos
Recherche und Text
Nikolas Leontopoulos ist seit 2016 bei Investigate Europe, lebt in Athen und schreibt für Efimerida ton Syntakton. Er konzentrierte sich auf die Folgen des Zwangsverkaufs von Häfen und Stromnetzen an chinesischer Staatsunternehmen.
Maria Maggiore
Recherche und Text
Maria Maggiore ist seit 2016 bei Investigate Europe, lebt in Turin und Brüssel und schreibt für Il Fatto Quotidiano und Corriere des Sera. Sie recherchierte die verschlungenen Pfade der EU-China-Politik und den chinesischen Vorstoß in Italien.
David Meidinger
Datenvisualisierung
David Meidinger arbeitet beim Tagesspiegel als Redakteur für Softwareentwicklung. Er entwickelt im Tagesspiegel Innovation Lab Datenvisualisierungen und wertet am liebsten sehr große Datenmengen mithilfe von Maschinellem Lernen aus.
Leila Minano
Reherche und Text
Leila Minano ist seit 2017 bei Investigate Europe, lebt in Paris und schreibt für Mediapart, Bastamag, Marianne und Le Monde. Sie ging den Aktivitäten des chinesischen Staatskonzerns Cosco in den Häfen Europas nach.
Paulo Pena
Recherche und Text
Paulo Pena ist seit 2016 bei Investigate Europe, lebt in Lissabon und arbeitet als Reporter für besondere Aufgaben bei der Zeutung Diario de Noticias. Er recherchierte den Einfluss Chinas in Südeuropa und die Unterstützung, die Investmentbanker dabei leisten.
Jef Poortmans
Recherche und Text
Jef Poortmans lebt in Antwerpen und schreibt für Trends und De Groene Amsterdamer. Er recherchierte den innereuropäischen Streit über die China-Politik und die Verhandlungen zwischen EU-Kommission und der chinesischen Regierung.
Jordan Pouille
Recherche und Text
Jordan Pouille lebt in Paris (und Peking), und unterstützte das Team mit Recherchen und Gesprächen mit chinesischen Investoren und Diplomaten.
Nico Schmidt
Recherche und Text
Nico Schmidt ist seit 2019 bei Investigate Europe und lebt in Berlin. Er recherchierte über die europäischen Projekte im Rahmen der chinesischen Seidenstraßen-Initiative und die Daten über die chinesischen Investitionen in Europa.
Harald Schumann
Recherche und Text
Harald Schumann gründete gemeinsam mit Elisa Simantke das Projekt Investigate Europe und lebt in Berlin. Er ist Redakteur für besondere Aufgaben beim Tagesspiegel und leitete die Recherche über Chinas Vorstoß nach Europa.
Elisa Simantke
Koordination und Text
Elisa Simantke startete gemeinsam mit Harald Schumann das Team Investigate Europe und lebt in Berlin. Sie koordiniert die redaktionelle Arbeit und die Zusammenarbeit mit den Medienpartnern.
Veröffentlicht am 16. September 2019.