Es ist ein seltsamer Schwebezustand. Als am Nachmittag des 9. Novembers 1989 NVA-Soldaten auf der Mauer vor dem Brandenburger Tor stehen, ist noch nicht klar, dass die Berliner Mauer nur wenige Stunden später ihre teilende Macht verlieren wird.
Derweil haben immer mehr Menschen in Ost und West die Nachricht gehört, dass die innerdeutsche Grenze noch an diesem Tag geöffnet werden soll. Tausende laufen zur Mauer, um sich selbst ein Bild zu machen. Die NVA-Soldaten, selbst noch im Unklaren darüber, wie es weitergeht, beziehen Stellung auf der Mauer und beobachten die Situation.
Es ist eine der letzten Demonstrationen einer scheidenden Staatsgewalt. Noch in der gleichen Nacht klettern die ersten Menschen auf denselben Teil der Mauer. Dieses Mal, um den Beginn der Wiedervereinigung zu feiern.
30 Jahre später ist die Mauer an den meisten Orten der Stadt für die Mehrheit nicht mehr zu erahnen. Hier und dort erinnert noch ein Mahnmal. Nur wer im richtigen Moment auf den Boden schaut, entdeckt die zwei Reihen unauffälliger Pflastersteine, die den ehemaligen Verlauf der Mauer bekunden. Zumindest, wenn nicht gerade Autos darauf parken.
Zum 30. Geburtstag des geeinten Berlins haben wir uns gefragt, wie man die geteilte Stadt jenen begreifbar machen kann, die nicht dabei waren? Wie kann man an die Wendestimmung in der Stadt erinnern? Wie kann man zeigen, wie schnell Mauern aufgebaut werden können – und wie lange es dauert, ihre Gewalt wieder aus dem Leben zu bekommen?
Gemeinsam mit dem jungen Berliner Startup Zaubar haben wir deshalb zum Mauerfalljubiläum eine neue Art des Erzählens entwickelt. Mehrere Arten sogar, um genau zu sein.
Natürlich lässt sich die geteilte Stadt nicht in wenige dutzend Bilder oder ein 3D-Modell der Mauer fassen. Aber wir hoffen, dieses Angebot ist ein kleiner Anstoß zur Erinnerung an eine große Zeit. Wir wünschen eine gute Reise durch die Zeit!
Wählen Sie die Orte über die Karte aus – oder begeben Sie sich auf einen kuratierten Rundgang! Die historischen Aufnahmen sind dort platziert, wo sie damals aufgenommen wurden. Die aktuellen Bilder sind 360-Grad-Fotos. Mit dem Schieberegler können Sie zwischen heute und Mauerzeiten wechseln:
Wir sind gespannt, was Sie mit diesen Orten verbinden. Schreiben Sie uns gerne auf Twitter (#tagesspiegel8919) oder Facebook einen Kommentar dazu! Sie haben einen Fehler gefunden? Sie erreichen uns per Mail an digital@tagesspiegel.de!
Wie lässt sich Augmented Reality nutzen, um die Geschichte greifbar zu machen? Um das auszuprobieren, kooperiert das Tagesspiegel Innovation Lab für dieses Projekt mit dem Startup Zaubar.
Zaubar ist ein 2019 gegründetes Berliner Startup, das App-Plattformen zur schnellen und einfachen Erstellung von lokal verankerten Stadttouren in Augmented Reality entwickelt. Mehr zu Zaubar
Anlässlich des Mauerfalljubiläums hat Zaubar in Kooperation mit dem Tagesspiegel Innovation Lab eine erste App mit ihrer Augmented-Reality-Technologie umgesetzt. Dafür werden historische Bilder mithilfe der neuen VPS-Technologie an der Stelle in der realen Welt verankert, an der sie einst aufgenommen wurden.
Zusätzlich können 3D-Modelle vom Nutzer virtuell im Raum platziert werden, beispielsweise ein Mauerstück. Oder David Hasselhoff. Wenn die Nutzer ein neueres iPhone (ab XS) oder iPads (ab A12 Chips und neuer) haben, ist es außerdem möglich, sich selbst vor den 3D-Objekten zu fotografieren. Dazu wird Künstliche Intelligenz verwendet, um Personen in der Kamera live auszuschneiden und vor die historischen Bilder zu platzieren - als „Selfie mit der Geschichte“.
Die historischen Aufnahmen wurden in mehreren Archiven recherchiert. Außerdem wurden Bilder von Tagesspiegel-Fotografen genutzt. Und es wurden Bilder von Leserinnen und Lesern integriert, die nach einem Aufruf über den Tagesspiegel Checkpoint eingesandt wurden.
Die Entwicklung der Publikationsplattform Zaubar wurde für sechs Monate durch die Startup-Förderung des Medieninnovationszentrums Babelsberg (MIZ) gefördert.