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Wie zufrieden sind Berlins Pflegekräfte mit ihrer Arbeit?

Der Tagesspiegel hat die Pflegekräfte in den Berliner Pflegeheimen zu ihren Arbeitsbedingungen befragt. Die Ergebnisse zeigen: Viele Mitarbeiter leiden unter Überlastung und schlechter Bezahlung.
Der Tagesspiegel hat die Pflegekräfte in den Berliner Pflegeheimen zu ihren Arbeitsbedingungen befragt. Die Ergebnisse zeigen: Viele Mitarbeiter leiden unter Überlastung und schlechter Bezahlung.
Tägliche Arbeit. Ein Pfleger bei der Betreuung einer Bewohnerin in einem Seniorenheim. Bild: Holger Honnemann/dpa

In Deutschland herrscht Pflegenotstand, viele Pflegeheime suchen händeringend nach Personal und finden keines. Die Pflege, so ist zu hören, habe ein zu schlechtes Image: hohe Arbeitsbelastung, schlechte Bezahlung, mangelnde Wertschätzung. Aber stimmen Image und Realität überein? Der Tagesspiegel wollte das genau wissen, und zwar aus erster Hand von den Pflegenden in den Berliner Pflegeheimen selbst. Nun wurden die Ergebnisse der Umfrage im Tagesspiegel-Haus vorgestellt. Mit dabei war die Berliner Pflegesenatorin Dilek Kalayci (SPD).

Jede zehnte Pflegekraft beteiligte sich

In der Umfrage, die von Juni bis September 2019 stattfand, wurden die Pflegekräfte gefragt: Wie zufrieden sind Sie mit den Arbeitsbedingungen, mit der Bezahlung, mit dem Arbeitsklima - und mit Ihrem Arbeitgeber?

677 ausgefüllte Umfrage-Bögen wurden zurückgesandt, das entspricht zehn Prozent aller Pflegekräfte in den Berliner Pflegeheimen. Sowohl Befragungen auf Landes- wie auf Bundesebene zeigten in der Vergangenheit oft weit niedrigere Beteiligungsquoten. Im Verbund mit der Tatsache, dass alle Berliner Altenpflegeheime die Chance hatten, sich an der Umfrage zu beteiligen, sind damit die Ergebnisse belastbar.

Die ausgefüllten Fragebögen kamen aus mindestens 74 Berliner Pflegeheimen in allen Berliner Bezirken, die zusammen knapp 10.000 Pflegeplätze anbieten. Das sind 26 Prozent der Berliner Altenpflegeheime und rund ein Drittel aller Plätze in der stationären Pflege der Stadt. Die Pflegeheime sind über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Darunter sind sowohl sehr kleine Pflegeheime mit weniger als 50 Pflegeplätzen, wie mittelgroße mit 50 bis 200 und große Einrichtungen mit mehr als 200 Pflegeplätzen. Auch die Trägerstruktur entspricht der Berliner Mischung: Private Betriebe, Landes- und freigemeinnützige Unternehmen sind dabei. Darunter große Aktiengesellschaften, die Heime in ganz Deutschland betreiben, ebenso wie Mittelständler und kleine Betreiber mit einem oder zwei Einrichtungen.

Die Zufriedenheit mit dem Arbeitgeber

Beginnen wir mit der Zufriedenheit mit dem Arbeitgeber. Offenbar ist die Verbindung, die viele Pflegekräfte zu dem Pflegeheim und dessen Bewohnern empfinden, sehr stark, selbst dann, wenn sie nicht ganz so zufrieden sind mit ihrem Chef. Immerhin 61,4 Prozent der Befragten sagen, dass sie keinen Wechsel des Arbeitgebers planen, aber nur 48 Prozent geben an, dass sie ihr Heim einer arbeitssuchenden Pflegekraft weiterempfehlen würden. Diese Weiterempfehlungsquote spiegelt sich auch in der Zufriedenheit mit dem Arbeitgeber wider. Knapp 45 Prozent geben an, mit ihrem Arbeitgeber zufrieden oder sehr zufrieden zu sein.

34 Prozent sind dagegen unzufrieden oder sehr unzufrieden. Interessant ist der Blick in die ausgefüllten Fragebögen pro Pflegeheim: Der Anteil der antwortenden Mitarbeiter, die angeben, keinen Wechsel des Arbeitgebers zu planen, schwankt in den einzelnen Einrichtungen zwischen 0 (!) und 100 Prozent. Trotz der unbestrittenen Zwänge der Pflegeversicherung, die den Arbeitgebern Spielräume nehmen zum Beispiel bei der Bezahlung oder der Personalausstattung, sind einige Pflegeheime offenbar viel besser als andere darin, ihre Pflegekräfte zufriedenzustellen.

Die Arbeitsbedingungen

Schaut man sich die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen genauer an, zeigen sich deutlich sichtbare Defizite, die auch erklären, warum laut dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) die Verweildauer im Beruf Altenpflege gerade mal 8,4 Jahre beträgt. Das heißt, Pflegekräfte verlassen im Schnitt schon nach gut acht Jahren den Beruf. Viele empfinden die Arbeitsbelastung auf Dauer als zu hoch.

Das zeigt die Tagesspiegel-Umfrage auch: Nur knapp 30 Prozent der Befragten gibt an, dass ihre Arbeitsbelastung ihren Erwartungen entspricht. Weniger als ein Drittel sagt, dass ihr Arbeitspensum eine gute Qualität der Pflege gewährleiste und nur 35 Prozent haben den Eindruck, dass in jeder Schicht ausreichend Kolleginnen und Kollegen mithelfen, die Aufgaben zu erfüllen. Auf der anderen Seite ist der Beruf familienfreundlich. Immerhin 53 Prozent geben an, dass ihr Arbeitgeber bei der Diensteplanung Rücksicht auf familiäre Umstände nimmt.

Die Bezahlung

Neben der Arbeitsbelastung ist die Bezahlung das zweite große Aufregerthema für die Pflegekräfte. Das zeigt sich sowohl in den Freitextangaben, die auf den Fragebögen möglich waren, wie auch in den Einzelergebnissen. Nur jeder vierte Befragte empfindet die Bezahlung als leistungsgerecht. Dabei erkennen die Mitarbeiter durchaus an, dass ihr Arbeitgeber unter Beschränkungen der Pflegekassen steht. Gut ein Drittel gibt an, dass sich der Arbeitgeber bemühe, trotz der Zwänge der Pflegeversicherung einen angemessenen Lohn zu zahlen. Geht es aber um die Anerkennung außergewöhnlicher Arbeitsbereitschaft, winken viele Befragte ab.

Lediglich 21,6 Prozent geben an, dass ihnen ihr Arbeitgeber Prämien für herausragende Leistungen zahle. Immerhin rund die Hälfte sagt, sie bekäme Urlaubs- und/oder Weihnachtsgeld, als Extrazahlung oder auf zwölf Monatsgehälter verteilt.

Das Arbeitsklima

Das Arbeitsklima, das in den Pflegeheimen herrscht, empfinden vergleichsweise mehr der Befragten als zufriedenstellend und ziehen vielleicht auch daraus die Motivation, in einem belastenden Job durchzuhalten. Denn zwei Drittel stimmen der Aussage zu, dass in ihrem Team ein kollegiales Verhältnis herrsche. Und knapp die Hälfte der Befragten stimmt zu, dass der Arbeitgeber bemüht sei, Mobbing, unangemessenes oder sexistisches Verhalten zu verhindern. Doch nur 39 Prozent sagt, dass sie vom Arbeitgeber eine ausreichende Wertschätzung erfahren.

Die Zufriedenheit mit dem eigenen Beruf

Aber warum wehren sich die Pflegekräfte vor allem in der Altenpflege so selten, wenn sie den Eindruck haben, unfair behandelt zu werden? Liegt es daran, dass viele den Beruf aus altruistischen Motiven gewählt haben, dass sie gern für hilfebedürftige Menschen da sein wollen? Die Antworten auf den letzten Fragekomplex scheinen diese Annahme zu bestätigen. Mehr als drei Viertel der Befragten – die mit Abstand höchste Zustimmungsrate unter allen Aussagen auf dem Fragebogen – geben an, dass ihnen die Versorgung von Pflegebedürftigen Freude mache. Und immerhin noch knapp zwei Drittel sagt, dass sie den Beruf auch noch in fünf Jahren ausüben werden.

Doch dieser Themenbereich enthält neben dem höchsten auch den niedrigsten Zustimmungswert: Nur 15 Prozent der Befragten gibt an, dass die Arbeit als Pflegekraft in der Altenpflege gesellschaftlich anerkannt ist. Ein Befund, der uns allen zu denken geben sollte…

Die Einzelergebnisse je Pflegeheim

Mit der Umfrage wollten wir auch herausfinden, in welchen Berliner Pflegeheimen die zufriedensten Mitarbeiter tätig sind. Die Leitungen und Betriebsräte von 33 Berliner Pflegeheimen haben die Umfrage unterstützt und ermöglichen damit erstmals einen Überblick, wo die besten Arbeitsbedingungen herrschen und die Mitarbeiter am zufriedensten sind. Trotz eines umfangreichen Beteiligungsprozesses sagten viele Pflegeheime eine Beteiligung ab. Es wurde mit der vermuteten Überlastung der Pflegekräfte argumentiert, denen man es nicht zumuten könne, den zweiseitigen Fragebogen durch einfaches Ankreuzen auszufüllen. Außerdem könne man die Pflegeheimbetreiber nicht verantwortlich machen, für die von der Pflegeversicherung diktierten schlechten Bedingungen.

Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Ergebnisse genau deshalb mit einem Gesamtdurchschnitt verglichen werden, wodurch sich die angeblich unbeeinflussbar schlechten Bedingungen bei allen gleich niederschlagen würden. Andere bemühten eine mangelnde statistische Belastbarkeit der Ergebnisse, ohne zu wissen, wie hoch die Beteiligung ausfallen würde. Und dritte begründeten ihre Ablehnung damit, dass nicht sichergestellt sei, dass nur Pflegekräfte die Fragebögen ausfüllen – obwohl die Bitte an die Heimbetreiber, die Fragebögen direkt zu verteilen, genau diesem Argument Rechnung trug.

Andere aber unterstützten die Umfrage. Bei einigen Pflegeheimen nahmen die Personalvertretungen die Sache in die Hand und verteilten ebenso wie die teilnehmenden Heimleitungen die Fragebögen für die Umfrage an die Pflegekräfte in ihrem Haus. Ab Juni 2019 wurden 3.286 Fragebögen an die Pflegekräfte verteilt – darunter 875, die von der Gewerkschaft Verdi an Pflegekräfte in den Berliner Pflegeheimen verschickt wurden, die nicht in den Pflegeheimen tätig waren, an denen die Leitung oder der Betriebsrat die Verteilung der Fragebögen übernommen hat.

Interaktive Karte der Arbeitszufriedenheit

Auf unserer interaktiven Karte können Sie sich die Einzelergebnisse für 33 Pflegeheime in der Einzelwertung ansehen. Gezeigt werden nur Pflegeheime, in denen sich mindestens 15 Prozent der festangestellten Pflegekräfte an der Umfrage beteiligt und Betriebsrat oder Heimleitung die Umfrage unterstützt haben.

Klicken Sie auf eines der Pflegeheime für die genauen Ergebnisse. Sie können außerdem weiter in die Karte hineinzoomen.

In der Karte werden zwei Einzelergebnisse für diese 33 Pflegeheime dargestellt. Zum einen die Zufriedenheit mit dem Arbeitgeber. Dafür konnten die Befragten insgesamt bis zu 5 Punkte vergeben, von 1 für „sehr unzufrieden“ bis 5 „sehr zufrieden“. Der Wert ist der Durchschnitt der Punktezahl aller für dieses Pflegeheim ausgefüllten Fragebögen. Und zum zweiten die Mitarbeiterzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen: Das ist die erreichte durchschnittliche Gesamtpunktezahl für die drei Fragekomplexe „Arbeitsbedingungen“, „Bezahlung“ und „Arbeitsklima“. Hier konnten die Befragten für insgesamt 21 Aussagen ankreuzen, ob diese zutreffen. Der Wert ist der Durchschnitt der Punktezahl aller für dieses Pflegeheim ausgefüllten Fragebögen.

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Team

Ingo Bach
Text und Recherche
Ingo Bach ist Chefredakteur Tagesspiegel-Gesundheit. Er betreut seit Jahren das Klinik- und das Pflegemagazin des Tagesspiegels. In dem Rahmen führt er regelmäßig Befragungen und Konferenzen durch.
Hendrik Lehmann
Produktion
Hendrik Lehmann leitet das Tagesspiegel Innovation Lab. Er arbeitet am liebsten zu urbanen Themen wie Digitalisierung, Verkehrswende, Klima oder der Frage, wie wir zusammenleben wollen.
David Meidinger
Datenvisualisierung und Webentwicklung
David Meidinger arbeitet beim Tagesspiegel als Redakteur für Softwareentwicklung. Er entwickelt im Tagesspiegel Innovation Lab Datenvisualisierungen und wertet am liebsten sehr große Datenmengen mithilfe von Maschinellem Lernen aus.
Veröffentlicht am 28. Oktober 2019.