Artikel teilen
teilen
Ampel, Jamaika oder doch wieder GroKo

Welche Koalition hätte die meisten Streitpunkte?

Welche Koalition wird regieren? Eines ist schon jetzt klar: Streit wird es geben. Eine Analyse der Wahl-O-Mat-Antworten der großen Parlamentsparteien zeigt das deutlich.
Welche Koalition wird regieren? Eines ist schon jetzt klar: Streit wird es geben. Eine Analyse der Wahl-O-Mat-Antworten der großen Parlamentsparteien zeigt das deutlich.

Er hat es geschafft. Olaf Scholz ist Sieger der Bundestagswahl, seine SPD steht mit einem Stimmenzuwachs von über fünf Prozent auf dem ersten Platz. Klar ist deshalb aber noch lange nichts. Tatsächlich ist sogar offen, ob Scholz aus den Koalitionsverhandlungen als Kanzler hervorgehen wird. Weil ein rot-grün-rotes Parteienbündnis keine Mehrheit erreicht hat, bleiben der SPD realistischerweise nur zwei Koalitionsoptionen: eine Ampel mit Grünen und FDP oder eine weitere Große Koalition („Groko“).

Die Union, die zweitstärkste Kraft, hat kaum mehr Optionen. Zwar könnte sie trotz ihres historisch schlechtesten Wahlergebnisses eine Koalition bilden, in der Armin Laschet den Kanzler stellen würde. Denn CDU und CSU verfügen neben der Machtoption GroKo auch über die Möglichkeit, eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP zu bilden. Bei Jamaika würde Laschet Kanzler.

Wer Deutschland regieren wird ist also kurz nach der Bundestagswahl noch offen. Aber eine Datenanalyse der Streitthemen aus dem Wahl-O-Mat zeigt, welche denkbaren Koalitionen mit besonders großen inhaltlichen Differenzen zu kämpfen haben wird. Es sind insbesondere die beiden Dreierkoalitionen. Ist die GroKo also doch nicht so abwegig wie viele jetzt meinen?

Warum Deutschland- und Kenia-Koalition unrealistisch und Dreierbündnisse kompliziert sind

Obwohl rechnerisch auch möglich, gibt es zwei Koalitionen, zu denen es höchstwahrscheinlich nicht kommen wird: eine Deutschland-Koalition aus SPD, Union und FDP sowie eine Kenia-Koalition aus SPD, Union und Grünen. Das liegt daran, dass bereits eine Große Koalition aus SPD und Union eine Mehrheit im neuen Bundestag haben wird.

FDP und Grüne braucht es also nicht unbedingt. Und ein zusätzlicher Koalitionspartner verringert die Anzahl der Ministerposten, die SPD und CDU/CSU unter sich alleine aufteilen könnten. Hinzu kommt, dass eine weitere Partei auch eigene Themen umsetzen will. Koalitionen bilden sich deswegen in der Regel nur unter Partnern, die notwendigerweise für eine Mehrheit im Parlament benötigt werden. Wer gibt schon gerne freiwillig Macht ab?

Wie konfliktträchtig das Deutschland-Dreierbündnis wäre, zeigt sich sehr gut in der Anzahl der Streitfragen zwischen den Parteien, die wir basierend auf den Wahl-O-Mat-Antworten berechnet haben. Wir haben berechnet, ob die jeweiligen Koalitionsparteien über eine große, geringe oder gar keine inhaltliche Übereinstimmung verfügen. Eine ähnliche Analyse für die Berliner Abgeordnetenhauswahl gibt es hier

Die Zahl der Konfliktthemen je Parteipaar
Wir haben in der oberen Grafik die Anzahl der Streitthemen zwischen allen momentan im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien zusammengefasst.
Ein Streitthema liegt nach unserer Berechnung vor, wenn sich die Parteien in ihren Antworten auf einer Skala von -1 (lehne sehr ab) bis 1 (stimme sehr zu) um drei Punkte unterscheiden.

Vergleicht man etwa die Anzahl der Streitfragen zwischen den Groko-Parteien und jenen für eine Deutschland-Koalition – also den GroKo-Parteien SPD und CDU/CSU plus FDP –, zeigt sich, wie groß das Streitpotenzial ist, sobald der dritte Partner hinzukommt.

CDU und SPD sind sich in 15 von insgesamt 38 gestellten Fragen sehr, in neun wenig und in 14 überhaupt nicht einig. Würden SPD und Union nun die FDP als weiteren Partner hinzunehmen, steigt die Uneinigkeit signifikant an. Die drei stimmen nun in lediglich zehn Fragen sehr, in sieben wenig und in 21 Fragen überhaupt nicht miteinander überein. Ein ähnliches Bild ergibt sich für die Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen.

Große Uneinigkeit unter den Ampel- und Jamaika-Parteien

Aber es gibt konfliktträchtigere Bündnisoptionen. Auch wenn über Ampel- und Jamaika-Koalitionen (SPD, Grüne, FDP beziehungsweise CDU, Grüne, FDP) momentan viel spekuliert wird, verfügen die daran beteiligten Parteien über weit geringere Schnittmengen miteinander als die Parteien der GroKo. Das lässt sich aus den Wahl-O-Mat-Daten berechnen.

Groko forever?
So viele Konfliktpunkte gibt es in den drei möglichen Koalitionen

Die obere Grafik gibt einen Einblick über die Anzahl der Streitfragen für die drei wahrscheinlichsten Koalitionen. Es zeigt sich, dass unter den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP bei lediglich zehn Fragen große, bei sechs geringe und bei 22 Fragen gar keine Überstimmung aufweisen.

Noch etwas schlechter schneidet Jamaika ab. CDU/CSU, Grüne und FDP stimmen lediglich bei sechs Fragen in ihrem Antwortverhalten völlig überein. Dagegen gibt es bei sieben Fragen eine geringe und bei 25 Fragen gar keine Übereinstimmung. Die GroKo steht von allen am besten da.

Scholz verliert mit Rot-Grün-Rot eine wichtige Option

Auch wenn Scholz selbst einer Koalition mit der Linkspartei eher skeptisch gegenüberstehen mag: Die SPD verliert aufgrund der fehlenden Parlamentsmehrheit von Rot-Grün-Rot eine Machtoption mit großem inhaltlichen Gestaltungsspielraum. Denn von allen bisher beschriebenen Koalitionsoptionen hätte es bei Rot-Grün-Rot die geringsten inhaltlichen Differenzen gegeben. Auch das zeigen die Daten: Von insgesamt 38 Wahl-O-Mat-Fragen haben SPD, Grüne und Linke bei 26 Fragen die gleichen Antworten angegeben. Bei keinen Fragen gibt es nur eine geringe, bei lediglich zwölf Fragen gar keine inhaltliche Übereinstimmung.

Auch wenn die SPD, trotz dieser Einigkeit, vielleicht gar keine rot-grün-rote Koalition eingegangen wäre: Mit ihr verliert sie ein Druckmittel, insbesondere gegenüber der FDP. Für den Fall, dass Laschet seine Position nur im Kanzleramt halten kann, könnten FDP und Grüne nun den Preis dafür hochtreiben. Paradoxerweise wird damit die große Uneinigkeit unter Ampel- und Jamaika-Parteien möglicherweise zulasten der beiden größten Parlamentsfraktionen gehen.

Die Autorinnen und Autoren

Eric Beltermann
Webentwicklung
Nina Breher
Redigatur
Nico Büttner
Datenanalyse & Text
Veröffentlicht am 27. September 2021.