30 Unfallschwerpunkte pro Jahr müssen laut Gesetz entschärft werden. Was hat die Verwaltung wirklich umgesetzt? Hier sind alle erledigten und bevorstehenden Maßnahmen.
30 Unfallschwerpunkte pro Jahr müssen laut Gesetz entschärft werden. Was hat die Verwaltung wirklich umgesetzt? Hier sind alle erledigten und bevorstehenden Maßnahmen.
Im Juni 2018 wurde das Mobilitätsgesetz vom Abgeordnetenhaus beschlossen. Eine zentrales Versprechen darin: Die Vision Zero – das Ziel, schwere Verletzungen im Straßenverkehr zu verhindern. Es soll der Maßstab für die Planung der Berliner Infrastruktur werden. Wie weit die Stadt davon entfernt ist, zeigen die 17.758 Menschen, die 2019 bei einem der 147.306 Unfälle verunglückten – 2300 davon schwer, 40 tödlich. [Alle Unfälle auf einer Karte hier] 2020 starben allein bis Mitte Dezember 48 Menschen.
Aber was ist bisher wirklich passiert? Wo hat die Verwaltungen Maßnahmen umgesetzt? Der Tagesspiegel hat alle Maßnahmen bei der Verwaltung erfragt.
1620 amtlich definierte Unfallschwerpunke
Das Unfallgeschehen konzentriert sich auf etwa 1620 amtlich definierte „Häufungsstellen“. Rund 500 davon sind schon seit Jahren erfasst. Kriterium für die Einstufung ist, dass es mindestens fünf gleichartige Unfälle innerhalb eines Jahres oder binnen drei Jahren mindestens fünf Unfälle mit Personenschaden gab.
Das Mobilitätsgesetz fordert von der Verwaltung, im ersten Jahr nach seinem Inkrafttreten „mindestens zehn, im Folgejahr mindestens 20 und danach jährlich mindestens 30“ Knoten mit den meisten Unfällen mit Personenschäden so zu verändern, „dass die Gefahrenquellen bestmöglich beseitigt werden und eine Erhöhung der Verkehrssicherheit sichergestellt ist“. Die Auswahl soll sich nach der polizeilichen Unfallstatistik richten und sich auf mehrere Bezirke verteilen. Außerdem soll das Sicherheitsempfinden von Radfahrern berücksichtigt werden, ermittelt durch Befragungen.
Was wurde umgesetzt?
Auf Tagesspiegel-Anfrage nennt die Verkehrsverwaltung 50 Stellen im Straßennetz, an denen etwas getan wurde oder umgesetzt werden soll. Die Liste enthält nicht nur Kreuzungen, sondern auch Punkte im Straßennetz, an denen beispielsweise Fußgängerampeln oder Tempo-30-Schilder installiert werden.
Dazu gibt die Verwaltung den Hinweis, dass die Liste nicht Kalenderjahren folgt, sondern den Jahren seit Verabschiedung des Gesetzes. Die Maßnahmen sind unterteilt in solche, die von Juni 2019 bis Juni 2020 umgesetzt wurden und solche, die von Juni 2020 bis Juni 2021 umgesetzt werden sollen. Leider ist dabei nicht vermerkt, ob die Maßnahmen, die von Juni 2020 bis heute umgesetzt werden sollten bereits umgesetzt sind oder nicht.
Die Verkehrsverwaltung gibt dazu den Hinweis, dass es „aufgrund vielfältiger Aspekte zu Verschiebungen kommen“ könne. Das gelte insbesondere an Knoten, wo Bauarbeiten meist mit Vorhaben etwa von Wasserbetrieben, Vattenfall oder BVG abgestimmt werden müssten.
Alle Maßnahmen im Überblick
Für diejenigen, die geplante oder umgesetzte Maßnahmen nicht in der Karte erkunden wollen, fassen wir hier nochmals alle Maßnahmen in einer Liste zusammen, geordnet nach Bezirken.
Charlottenburg-Wilmersdorf
An der Kreuzung Kurfürstendamm / Joachimsthaler Straße wurden die Mittelstreifen verändert für geordneteres Linksabbiegen und behindertenfreundliche Fußgängerquerung.
Der begonnene Umbau der Kreuzung Spandauer Damm / Fürstenbrunner Weg – Königin-Elisabeth-Straße soll noch weitergehen.
An der Kreuzung Bundesallee / Hohenzollerndamm / Nachodstraße wurde für Rechtsabbieger von der Bundesallee in den Hohenzollerndamm eine eigene Ampel installiert.
Friedrichshain-Kreuzberg
Am Kottbusser Tor, das mit rund 400 Unfällen in den vergangenen drei Jahren zu Berlins schlimmsten Brennpunkten zählt, wurden nach zwei tödlichen Unfällen die Ampeln so umprogrammiert, dass die Grünphasen für Radfahrer und Fußgänger gleichzeitig enden.
In der Adalbertstraße wurde nach dem tödlichen Unfall eines querenden Fußgängers Tempo 30 angeordnet. An der Blücherstraße / Brachvogelstraße wurde eine neue Ampel installiert. An der Wiener / Lausitzer Straße wurde der Mittelstreifen gesperrt, um Schleichverkehr und Unfälle durch Missachtung der Vorfahrt zu verhindern.
Die Kreuzung Rudi-Dutschke-Straße / Markgrafenstraße erhält eine Ampel.
Am Oranienplatz sollen die Aufstellflächen für Radfahrer auf Ost- und Westseite vergrößert und der Radstreifen durchgebunden werden. Parken wird dort nicht mehr erlaubt und möglichst baulich unterbunden.
Die Ampel Karl-Marx-Allee / Straße der Pariser Kommune soll getrennte Phasen für Linksabbieger erhalten. Die Führung von Rechtsabbiegern und Radverkehr wird laut Verwaltung noch abgestimmt.
Am Strausberger Platz wird die Ampel komplett umgebaut – inklusive neuer Positionen der Signale, veränderter und verbreiterter Radwege.
An der Kreuzung Boxhagener / Neue Bahnhofstraße / Marktstraße / Hirschberger / Kynaststraße werden Schutzblinker installiert und Tempo 30 angeordnet. Mehr ist wegen der hier geplanten Straßenbahnstrecke zunächst nicht vorgesehen.
Marzahn-Hellersdorf
Am Hultschiner Damm / Rahnsdorfer Straße soll eine Ampel gebaut werden.
An der Kreuzung Blumberger Damm / Cecilienstraße werden Blinker zum Schutz der Fußgänger installiert sowie Radwegfurten und Wartelinien erneuert.
An der Kreuzung Landsberger Allee / Blumberger Damm werden Schutzblinker installiert und neue Ampelsignale für links abbiegende Radfahrer aufgestellt.
An der Landsberger Allee / Rhinstraße soll eine Insel das Rechtsabbiegeverhalten verändern.
Mitte
An der Müllerstraße / Burgsdorfstraße wurden die Fahrbahnmarkierungen verändert, damit Fußgänger besser über die Fahrbahn kommen
An der Bornholmer / Osloer / Grüntaler Straße wird eine Radwegrampe gebaut, damit Radfahrer nicht mehr mit dem Bordstein kollidieren.
An der Chausseestraße / Boyenstraße wurde auch zur Schulwegsicherung eine provisorische Fußgängerampel installiert. In der Invalidenstraße zwischen Gartenstraße und Brunnenstraße wurde Tempo 30 angeordnet, wofür auch Ampelschaltungen verändert wurden.
An der Mollstraße / Torstraße / Karl-Liebknecht-Straße / Prenzlauer Allee wurden größere rote Ampellichter montiert und die Zahl der Geradeausfahrstreifen in die Mollstraße verringert.
An der Gertraudenstraße / Mühlendamm / Breite Straße / Fischerinsel sollen vergrößerte rote Ampellichter und Schutzblinker installiert werden, außerdem sind veränderte Markierungen und Schutzgitter geplant. Größere Aktivitäten hat die Verwaltung wegen anstehender Brückensanierung und Straßenbahnplanung bewusst vertagt.
An der Alexanderstraße / Karl-Marx-Allee / Otto-Braun-Straße wird nach dem von einem abbiegenden Lkw-Fahrer verschuldeten Tod einer Radfahrerin die Grünphase für Rechtsabbieger in die Karl-Marx-Allee getrennt.
An der Invalidenstraße / Veteranenstraße / Brunnenstraße sollen Radfahrerfurten und Ampelsignale für links abbiegende Radler errichtet werden.
An der Kreuzung Chausseestraße / Boyenstraße soll das Provisorium für Fußgänger durch eine komplette Ampel ersetzt werden.
In der Invalidenstraße zwischen Gartenstraße und Brunnenstraße wurde kürzlich mit dem Bau eines geschützten Radfahrstreifens begonnen.
An der Stromstraße / Turmstraße gelten jetzt Halteverbote für bessere Sicht. Außerdem wurden übergroße Räumpfeile für Linksabbieger installiert.
An der Potsdamer Brücke sollen Rechtsabbieger von der Potsdamer Straße ins Reichpietschufer separate Grünphasen erhalten.
Rechtsabbieger von der Bachstraße in die Straße des 17. Juni erhalten separate Ampelphasen.
Neukölln
In der Wildenbruchstraße / Weigandufer (Umbau im Zuge einer Fahrradstraße) wurde eine Baustellenampel installiert für die Zeit des Kreuzungsumbaus. Der war mit der Einrichtung einer Fahrradstraße verbunden.
Die Kreuzung Sonnenallee / Hertzbergstraße / Treptower Straße erhält vergrößerte Räumpfeile und neue Radfahrerfurten mit vorgezogenen Haltelinien. Die von Radfahrern mitgenutzte Busspur soll verbreitert werden.
Treptow-Köpenick
An der Kreuzung Adlergestell / Dörpfeldstraße wurden die Fahrstreifenführung verändert und die Beleuchtung verbessert.
An der Rudower Chaussee / James-Franck-Straße wurden nach einer missachteten Vorfahrt mit tödlicher Folge für einen Biker Stoppschilder aufgestellt.
An der Baumschulenstraße / Sonnenallee / Südostallee werden separate Ampeln für Linksabbieger aus Sonnenallee und Südostallee installiert. In Richtung Späthstraße wird eine Geradeausspur entfernt, um Unfälle beim anschließenden Einfädeln vor der Späthbrücke zu vermeiden.
An der Fürstenwalder Allee, wo in Höhe Fahlenbergstraße ein Fußgänger auf dem Zebrastreifen totgefahren wurde, wird stattdessen eine Ampel installiert – zumal sich in der Nachbarschaft eine Pflegeeinrichtung mit Demenzkranken befindet.
Auf der Oberspreestraße soll der Zebrastreifen durch eine Fußgängerampel ersetzt werden, nachdem dort schon mehrfach Fußgänger angefahren wurden, wobei einer starb.
Pankow
Der Innenbereich der Kreuzung Wisbyer Straße / Gudvanger Straße wurde markiert, um Abbieger besser zu führen und Unfälle durch missachtete Vorfahrt zu vermeiden.
An der Schönerlinder Straße / Schönerlinder Chaussee wurde die provisorische Ampel durch eine dauerhafte ersetzt.
Tempelhof-Schöneberg
An der Rathausstraße / Prühßstraße wurden (statt „Vorfahrt beachten“) Stoppschilder aufgestellt sowie Halteverbote und Poller, damit die Sicht auf die Kreuzung frei bleibt. Außerdem wurde nach einem tödlichen Unfall durch Vorfahrtsmissachtung ein Baum gefällt, der die Sicht behinderte.
An der Kreuzung Kleiststraße / An der Urania / Martin-Luther-Straße wird nach einem tödlichen Fußgängerunfall eine Gehwegvorstreckung für bessere Sicht und kürzere Querungsstrecke gebaut.
Reinickendorf
An der Auffahrt von der Holzhauser Straße auf die A111 wurden die Radwegfurt rot unterlegt und die Grünphasen für Geradeausverkehr und Rechtsabbieger getrennt, nachdem ein Lkw-Fahrer eine bei Grün querende Radfahrerin getötet hatte.
An der Scharnweberstraße / Gotthardstraße / Kapweg soll das Linksabbiegen aus dem Kapweg verboten und die Verkehrsführung durch Pfeilmarkierungen besser überschaubar werden.
An der Kreuzung Eichborndamm / Am Nordgraben sollen Markierungen samt Radfahrerfurten erneuert und vergrößerte Räumpfeile montiert werden.
An der Kreuzung Markstraße / Holländerstraße sind separate Ampeln für Linksabbieger geplant.
An der Kreuzung Eichborndamm / Antonienstraße / Miraustraße erhalten Linksabbieger separate Ampelphasen.
Spandau
An der Einmündung der Nauener Straße auf den Brunsbütteler Damm sind die Grünphasen für Geradeausverkehr und Rechtsabbieger jetzt getrennt. 2018 wurde hier bei Grün ein Siebenjähriger von einem abbiegenden Lkw-Fahrer getötet.
An der Klosterstraße / Wilhelmstraße / Seeburger Straße sollen Markierungen angepasst und das Linksabbiegen aus der Nebenfahrbahn unterbunden werden.
Steglitz-Zehlendorf
An der Kreuzung Berliner / Potsdamer Straße / Clayalllee / Teltower Damm werden Ampel und Fahrbahndecke einschließlich roter Färbung der Radwege erneuert sowie die Fahrbahn normgerecht verbreitert, um vor allem dem Busverkehr ausreichend Platz zu schaffen.
An der Argentinische Alleen / Onkel-Tom-Straße soll ein Fußgängerschutzblinker angebracht werden.
An der Albrechtstraße / Neue Filandastraße / Klingsorstraße sollen die Führung der Radfahrer an der Rechtsabbiegefahrbahn verändert, die Radverkehrsanlage baulich geschützt und der Innenbereich der Kreuzung anders markiert werden.