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Harris vs. Trump 2024

Harris vs. Trump:
So funktioniert die
US-Präsidentschaftswahl
Harris vs. Trump:
So funktioniert die
US-Präsident­schaftswahl

Es wäre nicht das erste Mal, dass Donald Trump ohne Stimmenmehrheit US-Präsident wird. Fast drei Millionen Wählerstimmen mehr bekam Hilary Clinton 2016 als Donald Trump. Trotzdem verlor sie. Auch in diesem Jahr wäre es möglich, dass Kamala Harris gegen Trump verliert, obwohl die Mehrheit der US-Amerikaner für sie stimmen. Nationale Umfragen sehen Harris mit schmalem Vorsprung vorne, doch für einen Sieg reicht das nicht zwangsläufig.

Das liegt an dem amerikanischen Wahlsystem, dem sogenannten Electoral College, auf Deutsch „Wahlkollegium“. Bei dem indirekten Wahlsystem wird über Wahlleute bestimmt, wer Präsident der Vereinigten Staaten wird. Versteht man das jahrhundertealte Wahlsystem, versteht man auch, warum manche Staaten so umkämpft sind und wo Harris punkten muss, um Trump zu schlagen.

Wer wählt am Wahltag?

Die US-Wahl findet immer am Dienstag nach dem ersten Montag im November statt – dieses Jahr am 5. November. Wahlberechtigte US-Bürger ab 18 Jahre stimmen nicht direkt für einen der Präsidentschaftskandidaten, sondern geben ihre Stimme für Wahlmänner der bevorzugten Partei in ihrem Bundesstaat ab. Diese Wahlmänner wählen letztlich den Präsidenten. Seit der endgültigen Einführung des Frauenwahlrechts in den USA 1920 können das auch Wahlfrauen sein.

Dass am Dienstag nach dem ersten Montag im November gewählt wird, hat historische Gründe. Die meisten Amerikaner waren Farmer, im November war die Herbsternte vorüber. Und weil die Wähler teilweise lange zu ihren Wahllokalen reisen mussten, sonntags aber in die Kirche gingen, wurde eben am Dienstag gewählt.

Wie werden die Wahlleute bestimmt?

Demokraten und Republikaner in jedem Bundesstaat entscheiden schon im Sommer vor der Wahl auf Landesparteitagen oder in eigenen Parteigremien, wen sie als Wahlleute ernennen. Wer das wird, ist in jedem Staat unterschiedlich. Jede Partei ernennt so viele Wahlleute, wie es maximal in dem Staat zu gewinnen gibt. Sie geben dann ihre Stimme für ihren Präsidentschaftskandidaten ab. In Kalifornien zum Beispiel bestimmen Demokraten und Republikaner je 55 Wahlleute.

Wer bekommt die Stimmen?

Der Gewinner bekommt sie alle: Wer die Mehrheit der Stimmen in einem Bundesstaat gewinnt, darf alle Wahlleute für diesen Staat entsenden. Gehen in Kalifornien etwa 60 Prozent der Wählerstimmen an die Demokraten, so bekommen sie auch alle 55 Wahlleute des Staates – und somit 55 Stimmen für Kamala Harris. Die anderen gewählten Wahlmänner bei den Republikanern geben ihre Stimme nicht ab. Dieses Mehrheitswahlrecht hat zur Folge, dass nicht immer der Kandidat mit den meisten Wählerstimmen gewinnt. So könnte Harris zwar die Mehrheit in den bevölkerungsreichsten Staaten gewinnen, in kleinen Bundesstaaten aber ganz knapp gegen Trump verlieren. Dieser würde trotzdem alle Stimmen der Wahlleute bekommen.

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Das System steht deshalb schon lange in der Kritik. Zwei Staaten machen es deshalb anders: In Maine und Nebraska gehen jeweils zwei Stimmen an den oder die Kandidierende mit den meisten Stimmen im Staat. Die restlichen Stimmen (zwei in Maine, drei in Nebraska) werden jeweils an die Person vergeben, die in den Wahlbezirken der Staaten die meisten Stimmen bekommt. Das führte in der Vergangenheit zum „Split Vote“. In Maine gingen 2016 drei der vier Stimmen des Staates an Hillary Clinton, eine Stimme ging an Donald Trump. In Nebraska gelang es Barack Obama 2008, eine Wahlperson zu gewinnen, während die restlichen vier Stimmen an John McCain gingen.

Welcher Staat bekommt wie viele Wahlleute?

Wie viele Wahlleute jeder Bundesstaat stellt, richtet sich nach der Einwohnerzahl. Der bevölkerungsreichste Staat Kalifornien hat die meisten – 55 Wahlleute. Staaten mit wenigen Einwohnern wie Vermont haben nur drei.

Wann gewinnt ein Kandidat?

Insgesamt 538 Wahlleute gibt es in allen Bundesstaaten zusammen. Der Gewinner muss mehr als die Hälfte davon bekommen. Also brauchen Trump und Harris jeweils mindestens 270 Stimmen, um zu gewinnen. Das System der Wahlleute ist übrigens ein Kompromiss. Die Mitglieder des Verfassungskonvent im Jahr 1787 konnten sich nicht einigen, ob das Volk das Staatsoberhaupt direkt wählen sollte oder ob dem Parlament diese Aufgabe zusteht.

Warum reden alle von Swing States?

In einigen Bundesstaaten steht aufgrund von Umfragen und einer gewissen Wahltradition schon lange vor der Wahl fest, ob Demokraten oder Republikaner die Mehrheit der Stimmen bekommen. In den Swing States ist das unklar. Dort entscheidet sich oft erst am Wahlabend oder Tage später, wer gewinnt. Wer die Swing States sind, ist bei jeder Wahl anders. In diesem Jahr liegt der Fokus besonders auf sieben Staaten – Pennsylvania, Georgia, North Carolina, Michigan, Arizona, Wisconsin und Nevada. Wie ihre Bewohner abstimmen, entscheidet aller Voraussicht nach über den zukünftigen Präsidenten oder Präsidentin der Vereinigten Staaten.

Wie ist das mit der Briefwahl?

In vielen Staaten können noch Tage nach der Wahl Stimmen per Briefwahl eintreffen. Solange sie einen Stempel vom Wahltag haben, werden diese Stimmen gezählt. Bis wann genau die Stimmen eintreffen können – auch das ist in jedem Staat unterschiedlich. Bis dahin kann sich also das Ergebnis im jeweiligen Staat noch ändern, wenn das Ergebnis knapp war. Bei der letzten Wahl 2020 während der Pandemie spielte die Briefwahl eine große Rolle. Auch in diesem Jahr gab es im Vorfeld viele Diskussionen um die Briefwahl – in Pennsylvania zum Beispiel. Demokraten und Republikaner streiten vor Gericht, welche Briefwahlstimmen gezählt werden dürfen.

Wie stimmen die Wahlleute ab?

Immer am ersten Dienstag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember, dieses Jahr am 17. Dezember, treffen sich die gewählten Wahlleute in den jeweiligen Bundesstaaten, um mit ihren Stimmen den Präsidenten der USA zu wählen.

Die Vertreter sind – je nach Staat – allerdings nicht verpflichtet, für den Kandidaten ihrer Partei zu stimmen. Immer wieder gab es „faithless electors“, untreue Wahlleute, die ihre Stimme kurzerhand einem anderen Kandidaten gaben. Aber keiner von ihnen hat jemals erfolgreich den Ausgang einer Wahl verändert.

Wann werden diese Stimmen ausgezählt?

Alle Stimmzettel aus den 50 Bundesstaaten und dem District of Columbia werden an den Präsidenten des US-Senats gesendet. Am 6. Januar 2025 treffen sich Repräsentantenhaus und der Senat zur gemeinsamen Auszählung im Kongress, der im berühmten Kapitol in Washington D.C. tagt.

Wann beginnt die Amtszeit des neu gewählten Präsidenten?

Am 20. Januar 2025 um 12 Uhr schwört der gewählte Präsident oder die gewählte Präsidentin den Amtseid auf die Verfassung. Noch am selben Tag zieht die Person ins Weiße Haus.

Die Autoren

Felix Möller
Illustration
Helena Wittlich
Text & Recherche
Veröffentlicht am 9. Oktober 2024.