Mit 100 Milliarden Euro will Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Hilfe für die Ukraine langfristig absichern. Dies wurde vor dem Treffen der Nato-Außenminister Anfang April in Brüssel bekannt. Die Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus.
Seit Beginn des Krieges sammelt das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel verschiedene zugesagte und geleistete Hilfen in einer Datenbank. Unsere Datenanalyse zeigt: 2023 erhielt die Ukraine knapp 40 Prozent weniger Zusagen für militärische Unterstützung, während Versprechen für humanitäre und finanzielle Hilfen leicht anstiegen.
Insgesamt haben die USA mit 69 Milliarden Euro die höchsten Zahlungen seit Kriegsbeginn geleistet. Nach den USA ist Deutschland der größte Unterstützer der Ukraine – sowohl mit direkten bilateralen Hilfen als auch bei Hilfen aus der EU.
Das wird wohl auch weiterhin so bleiben. Nach langen Blockaden hat die USA sich auf ein neues Hilfspaket von 60 Milliarden Euro geeinigt. Da diese Zahlungen aber erst am 21. April beschlosen wurden, sind sie in den Daten noch nicht enthalten.
Vergleicht man allerdings die versprochenen Zahlungen mit dem Bruttoinlandsprodukt der Länder, so landet Deutschland nur auf Platz 10, die USA rutscht ab. Es führen die kleinen europäischen Länder.
Erhielt die Ukraine von Februar bis Dezember 2022 noch rund 63 Milliarden Euro an internationaler Unterstützung, so waren es im Jahr 2023 gerade einmal 39 Milliarden. Während Hilfszahlungen für finanzielle und humanitäre Zwecke im Vergleich zu 2022 leicht angestiegen sind, sanken die Zahlungen für militärischen Hilfe um 38 Prozent. Größere Zusagen dafür gab es zuletzt im Mai 2023 aus Dänemark.
Dass im Jahr 2023 so wenig neue militärische Hilfe hinzugekommen ist, liegt vor allem an den USA. Sie zahlten bisher einen großen Anteil. Doch 2023 wurde kein neues Hilfspaket vom Kongress beschlossen. Die europäischen Hilfen nehmen hingegen zu.
Das heißt nicht, dass die USA 2023 keine Unterstützung an die Ukraine geleistet haben. Das im Dezember 2022 beschlossene Hilfspaket wurde über das Jahr ausgezahlt, so dass trotzdem US-Gelder in die Ukraine geflossen sind.
Insgesamt wurden der Ukraine 261,39 Milliarden Euro Hilfen versprochen. Davon ist der größte Teil militärisch – 108 Milliarden Euro für Waffen, Ausrüstung, Munition und sonstiges. Humanitäre Hilfen machen den kleinsten Anteil der Ukrainehilfen aus.
So sehr Europa seine Hilfszahlungen aufgestockt hat, so schwer dürfte es trotzdem werden, sollten amerikanische Hilfszahlungen in Zukunft ausbleiben. Die Daten des IfW Kiel zeigen auch, dass die EU und die europäischen Länder mit der konkreten Zuweisung der versprochenen Hilfen hinterherhinken. Die EU hat gerade einmal gut die Hälfte tatsächlich zugewiesen.
Welche Gelder genau bereits ausgezahlt wurden, lässt sich im Detail oft schwer erfassen. Für bilaterale Haushaltshilfen, also für finanzielle Unterstützung an den ukrainischen Staatshaushalt, gibt es aber eine genaue Auswertung.
Insgesamt wurden 45 Prozent der Haushaltshilfen tatsächlich ausgezahlt.
Immer wieder kommen aus der Ukraine Forderungen nach mehr Waffen. 529 Panzer hat das Land seit Kriegsbeginn von internationalen Partnern geliefert bekommen. Hinzu kamen außerdem 475 Haubitzen und 81 Mehrfachraketenwerfer. Bei allen Ländern stehen aber noch Lieferungen aus.
Je nach Ausstattung, politischer Position und nationaler Rüstungsindustrie kommen die Waffen direkt bilateral von den internationalen Partnern. Auch hier gibt es große Unterschiede, wer seine Zusagen bisher eingehalten und die Waffen tatsächlich geliefert hat.
Für den Fall, dass tatsächlich keine weiteren Zahlungen aus den Vereinigten Staaten kommen, müsste Europa seine militärische Unterstützung mindestens verdoppeln, heißt es vom IfW Kiel. Der Großteil der US-Hilfen besteht aus militärischer Unterstützung. Die bilaterale Unterstützung der EU-Mitgliedsstaaten ebenfalls. Der Großteil der Hilfen der EU-Institutionen ist finanziell.
Die EU hingegen hat bisher die Ukraine vor allem mit finanziellen Hilfen unterstützt. Im vergangenen Jahr beschloss die EU-Kommission ein Hilfspaket im Umfang von 50 Milliarden Euro. Das im Januar besprochene und im Februar final beschlossene Paket soll der Ukraine Gelder für die nächsten vier Jahre sichern. Im zweiten Jahr des Krieges gab es vermehrt Zusagen für langfristig angelegte Zahlungen. Hilfen, die beispielsweise für nur ein Jahr angelegt sind, gibt es immer seltener.
Mit seinem Vorschlag von einem 100 Milliarden Euro-Hilfspaket will auch der Nato-Generalsekretär Ukraine-Hilfe über mehrere Jahre sichern, möglicherweise genau für den Fall, dass bilaterale US-Hilfen ausbleiben könnten. Wie genau die langfristige Hilfe aussehen könnte, war Thema beim Nato-Außenministertreffen. Dort verständigte man sich darauf, weitere mögliche Pläne erarbeiten zu lassen. Konkrete Hilfen wurden nicht beschlossen.
Die Daten stammen aus dem Ukraine Support Tracker des IfW Kiel.
Das Projekt sammelt die Unterstützungsleistungen von 40 Ländern, sowie den EU-Institutionen. Berücksichtigt werden nur Leistungen der jeweiligen Regierungen, die direkt an die ukrainische Regierung gehen. Damit sind private Spenden ebenso nicht enthalten, wie beispielsweise Ausgaben der Regierungen für die Unterbringung Geflüchteter im eigenen Land.
Die Daten umfassen den Zeitraum vom 24.1.22 bis zum 15.1.24, und wurden zuletzt am 16.2.24 veröffentlicht. Das Paper zu dieser Version findet sich hier.