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Vor der Wahl ist die Anzahl der Tweets aller Berliner Abgeordneten insgesamt um 45 Prozent gestiegen, von 3500 Tweets im Dezember 2022 auf 5100 im Januar 2023. Wie haben die Berliner Abgeordneten Twitter für ihren Wahlkampf genutzt?
Schauen wir mal rein. Die Tagesspiegel-Datenanalyse zeigt, wer am meisten twittert, wer die meiste Reichweite hat und wie sich die Uhrzeiten der Abgeordneten unterscheiden. Dazu haben wir alle Tweets aller Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses vom 15. November 2022 bis zum 31. Januar 2023 gesammelt und ausgewertet.
Die Anzahl der Follower ist eine Möglichkeit, zu sehen, wer die Menschen interessiert. Und desto mehr Follower, desto mehr Reichweite – zumindest im Prinzip. Mit Stand 1. Februar 2023 liegen die Abgeordneten der Linken in dieser Hinsicht vorn. Sie bringen es auf insgesamt 102.500 Follower.
An zweiter Stelle steht die Gruppe der Abgeordneten der Grünen mit 80.000 Followern, gefolgt von den Abgeordneten der AfD mit 56.000 Followern. Im Detail werden drei der ersten fünf Plätze von der Linken belegt. Die amtierende Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey von der SPD steht mit 12.900 Followern an fünfter Stelle.
Die absolute Anzahl der Tweets der Abgeordneten ist eine weitere Möglichkeit, die Sache zu betrachten. Insgesamt veröffentlichten die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses etwa 11.000 Tweets vom 15. November bis 31. Januar.
Auch hier führen die Linken mit insgesamt 24 Prozent aller Tweets. Den geringsten Anteil hatte mit nur elf Prozent die AfD. Auf der Ebene der einzelnen Abgeordneten ergeben sich jedoch unterschiedliche Ergebnisse. Allein Björn Matthias von der FDP ist für 13,5 Prozent des gesamten Tweet-Volumens verantwortlich (1505 Tweets). Das sind über 19 Tweets pro Tag!
Ihm folgt Stefan Evers von der CDU mit weniger als der Hälfte, aber immerhin noch über acht Tweets pro Tag. Spitzenreiter für die Linke ist Tobias Schulze mit ebenfalls gut acht Tweets pro Tag. Bei der AfD ist es Gunner Lindemann mit sechs Tweets pro Tag. SPD und Grüne fallen in der Häufigkeit eher zurück.
Während die einen ihre Twitter-Präsenz sehr ernst nehmen, scheinen andere das nicht so zu sehen. 24 der Abgeordneten haben im gesamten Zeitraum weniger als zehn Tweets abgesetzt. Nur 40 Abgeordnete twitterten mindestens einen Tweet pro Tag.
Im Mittel weisen die Abgeordneten der verschiedenen Parteien im Laufe des Tages ein bestimmtes Muster beim Tweeten auf. Die Abgeordneten der Grünen twittern zum Beispiel häufiger am Morgen für ein paar Stunden und lassen dann für den Tag nach, die AfD twittert in Schüben alle paar Stunden. Die CDU hingegen twittert früh am Morgen, macht dann bis zur Mittagspause weiter, um sich dann langsam schon in den Feierabend zu verabschieden.
Die Abgeordneten der Parteien haben auch einen Lieblingstag in der Woche, wie es scheint: Die Abgeordneten der Grünen haben Mittwochs und Donnerstags am meisten getwittert, ebenso die CDU und die AfD. Am Sonntag machen alle eine Pause, mit Ausnahme der FDP-Abgeordneten, die sonntags viel twittern. Allgemein ist bei FDP und Linke das Twitter-Niveau an den meisten Tagen höher als bei den anderen Abgeordneten.
Während die AfD-Abgeordneten in Bezug auf die Anzahl und Häufigkeit der Tweets die niedrigsten Werte aufweisen, erreichen sie dennoch oft ein größeres Publikum. Ihre Abgeordneten erreichten mit 102.800 Likes die höchste Gesamtzahl. Gunnar Lindemann brachte es im Alleingang auf 73.000 Likes.
Der Fackelträger der CDU Stefan Evers erreichte 47.800 Likes, Ferat Koçak für die Linke 28.000, Visili Franco für die Grünen rund 26.000 Likes, Marcel Hopp (SPD) 24.100 und schließlich Sebastian Czaja (FDP) 32.500 Likes. Die Ergebnisse der Zählung der Retweets stimmen ebenfalls mit dem Trend bei den Likes überein.
Aggregiert auf Parteiebene ergibt sich ein interessantes Bild. Es deutet darauf hin, dass die AfD eine viel stärkere Reaktion auf ihre Tweets erhält. Die AfD machte nur 11 Prozent aller Tweets aus, die wir verfolgt haben, erhielt aber 26 Prozent aller Likes. Die Gründe dafür könnten zugespitztere Formulierungen sein, aber auch eine aktivere Community oder organisierte Unterstützung auf Twitter durch die Follower:innen.
Twitter hat Ende Dezember 2022 eine neue Engagement-Funktion „Views“ eingeführt, die anzeigt, wie oft ein bestimmter Tweet von jemandem angesehen wurde. Dadurch lässt sich erstmals wirklich nachvollziehen, wer die höchste Reichweite hat. Im Großen und Ganzen gelang es der SPD, die meisten Menschen auf Twitter zu erreichen. Die AfD hingegen erreichte die wenigsten Menschen. Folglich scheinen Likes und Retweets nicht mehr die wichtigsten Faktoren zu sein, um das größte Publikum zu erreichen.
Anstatt nur die Views zu betrachten, lässt sich auch das Verhältnis von Views zu Likes betrachten. Dies sagt etwas Interessantes über das Engagement der Commities der Abgeordneten: Wie viele derjenigen, die den Tweet gesehen haben, haben ihn am Ende auch geliked. Je geringer das Verhältnis, desto effektiver das Verhältnis. Wir betrachten für diesen Abschnitt der Analyse nur den Januar 2023.
Die AfD-Abgeordneten sind Spitzenreiter. Ihnen folgt zwar im Verhältnis kaum wer. Aber von 14 Personen, die ihre Tweets sehen, liked eine den Tweet. Die SPD liegt mit einem Verhältnis von einem Like pro 85 Aufrufe an letzter Stelle. Die CDU liegt bei 38, die Linke bei 56, die Grünen bei 43 und die FDP bei 76.
Mit wem beschäftigen sich die Abgeordneten? Es stellt sich heraus, dass die meisten Abgeordneten nur Tweets von Abgeordneten der gleichen Partei verstärken. Das Retweeten von Tweets von Abgeordneten anderer Parteien scheint ein striktes No-Go zu sein. Die deliberative Debatte, die das Ideal der parlamentarischen Demokratie ist, findet zwischen den Berliner Abgeordneten auf Twitter definitiv nicht statt.
