Die Grünen triumphierten bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Dank ihres Zugewinns von 2,3 Prozentpunkten können sie sich aussuchen, mit wem sie künftig regieren wollen. Möglich wäre Grün-Schwarz, aber auch eine Ampelkoalition wie in Rheinland-Pfalz.
Die CDU verliert in ihrer einstigen Hochburg und kommt nur noch auf 24,1 Prozent. Die SPD landet ganz knapp vor der FDP auf Platz drei – mit gerade einmal elf Prozent.
Die Grünen konnten laut Wählerwanderung von allen Parteien Stimmen hinzugewinnen. Die meisten Wähler:innen wechselten aber von der CDU zu der Partei des Ministerpräsidenten Kretschmann – nach Schätzungen von ARD/Infratest dimap sind es 145.000. Sogar ehemalige AfD-Wähler:innen stimmten im Vergleich zu 2016 für die Grünen. Besonders beliebt ist die Partei auch bei den Neuwähler:innen – 90.000 gaben ihnen ihre Stimme. Die Grünen konnten auch 115.000 ehemalige SPD-Wähler:innen gewinnen, die diesmal für sie stimmten.
Außer an die Grünen verlor die CDU knapp 100.000 Stimmen an die FDP und 165.000 gingen den Schätzungen zufolge 2021 nicht zur Wahl. Rund 100.000 der ehemaligen CDU-Wähler:innen sind seit der letzten Wahl verstorben.
Insgesamt führen all diese Effekte über die Jahre zu einer Verschiebung, die sich besonders gut zeigt, wenn man die Wahlergebnisse im Verlauf der Wahlen seit der Wende betrachtet. Ein Trend, der sich durchaus auch in der Bundestagswahl fortsetzen könnte.
Die AfD, die bei der Wahl 2016 aus dem Stand mit 15,1 Prozent der Stimmen zum ersten Mal in den Landtag einzog, verliert ebenfalls deutlich und kommt diesmal auf 9,7 Prozent. Knapp 100.000 Menschen, die vormals AfD gewählt hatten, stimmten diesmal für die CDU. 50.000 ehemalige AfD-Wähler:innen entschieden sich für die FDP. Eine besonders hohe Anzahl an Menschen verliert die AfD an die Gruppe der Nichtwähler:innen: 135.000 wahlberechtigte Personen, die 2016 noch für die AfD stimmten, gingen diesmal gar nicht zur Wahl.
Trotz der Verluste ist die AfD mit 9,7 Prozent sicher wieder in den baden-württembergischen Landtag eingezogen. Der Blick auf die Berufsgruppen zeigt, wer die AfD besonders häufig wählte: 26 Prozent der Arbeiter:innen stimmten für die AfD. Damit haben sich nach der Erhebung von ARD/Infratest dimap deutlich mehr Arbeiter:innen für die AfD entschieden als für jede andere Partei. 14 Prozent der AfD-Wähler:innen sind Selbstständige, 8 Prozent arbeiten in einem Angestelltenverhältnis.
Bei den Grünen fiel der Zuspruch unter den Arbeiter:innen verhältnismäßig klein aus: 20 Prozent von ihnen stimmten für die Grünen. 33 Prozent der Menschen in Angestelltenverhältnis und 28 Prozent der Selbstständigen stimmten für die Grünen.
Der Erfolg der Grünen verdankt sich einem hohen Zuspruch von Wähler:innen aller Altersgruppen. In der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen erhielten die Grünen den geringsten Zuspruch mit 25 Prozent. In allen anderen Altersgruppen wählten über 30 Prozent der Wähler:innen die Partei von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der Altersunterschied schlägt sich für die anderen Parteien deutlicher nieder: Während 26 Prozent derer, die 60 und älter sind, für die CDU abstimmten, waren es bei den unter 25-Jährigen nur 16 Prozent, wie auf der folgenden Grafik zu sehen ist:
Trotz der anhaltenden Krise durch die Coronavirus-Pandemie spielte dieses Thema nur eine untergeordnete Rolle für die Entscheidung der Wähler:innen. Nur 12 Prozent gaben an, dass dieses Thema für ihre Wahlentscheidung die größte Rolle spielte. Für die meisten war das Thema Wirtschaft entscheidend – 20 Prozent gaben dies an. Für 19 Prozent der Menschen war das Grünen-Thema Umwelt ausschlaggebend.
Die dargestellten Werte zeigen die Wanderung der Zweitstimmen zwischen den Parteien. Dabei werden die aktuelle und die vorhergehende Landtagswahl in Baden-Württemberg verglichen. Die Werte sind Schätzwerte und werden von Infratest dimap berechnet.
Dennoch sind die Analysen mit Vorsicht zu genießen. ARD und Infratest dimap werden regelmäßig dafür kritisiert, dass sie Zahlen zur Wählerwanderung veröffentlichen. Die sogenannte Wählerstromanalyse ist eine komplexe Analyse, mit der Aussagen zur Mobilität von Wähler:innen getroffen werden können. Die Ergebnisse sind deshalb relativ umstritten ist, weil sie auf Befragungen basieren. Es gilt jedoch als unsicher, inwiefern die Antworten der Befragten ihr tatsächliches Wahlverhalten widerspiegeln.
Die Grundlage für diese Berechnungen bilden amtliche Statistiken, repräsentative Umfragen sowie das vorläufige Endergebnis der Auszählung der Zweitstimmen am Wahlsonntag. In der Wählerwanderung werden insbesondere auch Nichtwähler:innen berücksichtigt – sowie Veränderungen in der Wählerschaft: Zuzüge, Wegzüge, Tod und Erreichen des Wahlalters von 18 Jahren.
Trotzdem können diese Analysen einen Eindruck von den Dynamiken der Wähler:innen vermitteln. Und zeigen im Fall von Baden-Württemberg, dass viele Wahlberechtigte wohl mit der Arbeit ihres Ministerpräsidenten zufrieden waren – selbst solche, die zuvor anders wählten.