Kein Berliner Gesetz hat wohl je so tief in die Grundrechte der Hauseigentümer, in die rechtliche Arbeitsteilung zwischen Bund und Länder sowie in den Wohnungsmarkt eingegriffen, wie der Mietendeckel, oder vollständig: das „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin“. Deshalb löste der Deckel eine Flut von Klagen aus.
Das weitere Schicksal des Mietendeckels hängt von Deutschlands höchsten Richtern in Karlsruhe ab. Der Rücktritt von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) wird keinen Einfluss darauf haben, weil das Gesetz in Kraft ist und im November seine ganze Wirkung entfalten wird. Lompscher war am Sonntag überraschend wegen falsch abgerechneter Bezüge zurückgetreten.
Monate wird es wohl dauern, bis Karlsruhe über die verschiedenen zur Verhandlung angenommenen Klagen von Bürgern, Branchenvertretern sowie Bundestagsabgeordneten von CDU und FDP entschieden hat. Dessen ungeachtet sitzt der Mietendeckel bereits fest auf den Berliner Mieten – und funktioniert trotz aller rechtlichen Unwägbarkeiten. Aber was bedeutet das gerade konkret für Mieter und Vermieter? Wer darf seine Miete senken, wer nicht? Muss man Angst vor Rückzahlungen haben? Was gilt, falls der Mietendeckel doch noch scheitert?
Das hängt vom Beginn des Mietverhältnisses ab. Wer einen neuen Mietvertrag für eine freie Wohnung heute abschließt, der muss die nach Mietendeckel vorgeschriebene, geringere staatliche Miete zahlen. Das gilt auch für alle, die seit Inkrafttreten des Gesetzes am 23. Februar 2020 einen Mietvertrag abschlossen: Sie zahlen dasselbe wie der Vormieter oder maximal die gedeckelten Mieten. Wer dagegen seine Wohnung davor gemietet hatte, für den bleibt es noch einige Monate bei der „Stichtagsmiete“, die am 18. Juni 2019 galt. Diese ist allerdings auf den bisherigen Stand eingefroren. Meistens handelt es sich dabei um die ortsübliche Miete nach dem Berliner Mietspiegel, der den Spielraum für Mieterhöhungen begrenzte (Kappung). Außerdem begrenzte die Mietpreisbremse des Bundes die Erhöhung bei Neuvermietung.
Erst ab dem 23. November können auch langjährige Mieter eine Senkung verlangen, falls deren Miete um 20 Prozent über den Mietobergrenzen nach Mietendeckel liegt. Denn erst ab November deckelt das Berliner Landesgesetz auch die Mieten aller vor dem Stichtag 18. Juni 2019 vereinbarten Mietverträge im Wohnungsbestand.
Nein, damit verstößt er gegen das Mietendeckelgesetz. Er macht sich strafbar – zur Abschreckung droht das Land Berlin mit einer Geldbuße von bis zu 500 000 Euro. Allerdings dürfte eine Buße in dieser Höhe nur bei den allerhartnäckigsten Verweigerern verhängt werden. Zunächst werden Vermieter auf die Rechtslage hingewiesen und angemahnt, die rechtmäßige Deckelmiete zu erheben.
Das Gesetz macht die Überprüfung der Deckel-Miete einfach, weil es die Vermieter dazu verpflichtet, unaufgefordert alle dazu erforderlichen Angaben zu machen in einem Schreiben an jeden seiner Mieter. Die folgenden Angaben sollten enthalten sein und können wie folgt überprüft werden:
Ja, weit überwiegend. Das zeigt sogar die Bilanz, die Ex-Stadtentwicklungssenatorin Lompscher Ende Mai zog: Sie meldete nur 425 Anzeigen und Hinweise zu Verstößen gegen den Mietendeckel aus den zwölf Berliner Bezirksämtern. Gemessen am Bestand von mehr als 1,6 Millionen Mietwohnungen in der Stadt ist das sehr wenig. Gut möglich ist allerdings, dass die Zahl der Verstöße ab November steigen wird, da der Deckel ja dann erst zu Mietsenkungen bei der überwiegenden Zahl älterer Verträge zwingt.
Weil die Rechtsanwälte der Vermieter-Verbände damit rechnen, dass das Bundesverfassungsgericht das Berliner Mietendeckel-Gesetz für verfassungswidrig erklären und kippen wird. Dann würden der Mietspiegel 2019 und die Mietpreisbremse des Bundes wieder gelten. Bis Karlsruhe entschieden hat, herrscht Unsicherheit, ob das Mietrecht Berlins oder das des Bundes gilt. Vermieter sichern sich ab durch die Angabe der Mietspiegel-Miete. Einige teilen sogar die nach Bundesgesetz zulässigen Mieterhöhungen mit, falls diese anstehen. Der Mietspiegel wird trotz Deckels fortgeschrieben, die Senatsverwaltung für Wohnen lud kürzlich alle Verbände ein zur Vorbereitung des Mietspiegels 2021, der im nächsten Jahr erscheint. Viele Vermieter kündigen vorsorglich an, zu wenig bezahlte Miete nachzufordern, falls der Deckel in Karlsruhe durchfällt. Die Mieterverbände nennen dies eine „Schattenmieten“, die nicht rechtmäßig sei.
Nein, können sie nicht. Sogar Ex-Senatorin Lompscher hatte Mieter dazu aufgefordert, für diesen Fall die eingesparte Differenz zwischen der höheren Mietspiegel-Miete und der gedeckelten Miete auf ein Sparkonto zurückzulegen. Falls das Karlsruher Urteil länger auf sich warten lässt, können größere Beträge auflaufen, die Hauseigentümer schlagartig einfordern könnten, falls das Urteil zu deren Gunsten ausfällt.
Das Gesetz macht die Überprüfung der Deckel-Miete einfach, weil es die Vermieter dazu verpflichtet, unaufgefordert alle dazu erforderlichen Angaben zu machen in einem Schreiben an jeden seiner Mieter. Die folgenden Angaben sollten enthalten sein und können wie folgt überprüft werden:
Das weiß niemand. Allerdings galt bisher: bei konkurrierenden Rechtsprechungen von Bund und Land, hatten Bundesregelungen Vorrang. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof bestätigte diese Auffassung vor wenigen Wochen und verbot eine Initiative zur Einführung bayerischer Mietenregulierungen. Daran ist Karlsruhe aber nicht gebunden. Und Mieterverbände sagen, das Berliner Gesetz sei mit der bayerischen Initiative nicht vergleichbar, es gebe keine konkurrierenden Gesetzgebungen, sondern zwei nebeneinander bestehende Regulierungen verschiedener Art (öffentlich-rechtlicher Deckel sowie zivilrechtlicher Mietspiegel). Die Einführung des Mietendeckels verlief chaotisch. Es gab mehrere Entwürfe, Korrekturen bis zur letzten Minute und den Senatsbeschluss verabschiedete das Abgeordnetenhaus nach Monaten.
Zunächst der Stichtag, zu dem die Mieten eingefroren werden: der 18. Juni 2019. An diesem Tag beschloss der Senat die Einführung des Mietendeckels und fror die Mieten ein. Wichtig ist außerdem der 23. Februar 2020, da trat das Gesetz in Kraft. Mietverträge für Altbauten, die nach diesem Datum neu vereinbart wurden, sind ausschließlich zu den gedeckelten Berliner Staatsmieten gültig oder zur eingefrorenen Miete, falls diese niedriger ist. Wer einen Mietvertrag vor dem 18. Juni 2019 abgeschlossen hatte, zahlt die eingefrorene Miete. Dies gilt also für älteren Mietverträge. Aber auch das bleibt wiederum nur bis zum 23. November dieses Jahres so. Denn „neun Monate nach der Verkündung des Gesetzes“, die Verkündung erfolgte am 23. Februar 2020, werden auch alle „Bestandsmieten“ angepasst, die laut Gesetz überhöht sind.
Nein, nicht für neu gebaute Wohnungen, die zum 1. Januar 2014 bezugsfertig waren. Auch zuvor unbewohnte und unbewohnbare Wohnungen, die mit einem ähnlichen Aufwand wie für Neubauten hergestellt wurden, sind vom Deckel ausgenommen. Der Deckel gilt auch nicht für öffentlich geförderte Objekte, nicht für Sozialwohnungen, nicht für Wohnungen sozialer oder gemeinnütziger Träger oder für Wohnheime.
Ja, auch einen Inflationsausgleich im Mietvertrag, eine Staffel- oder Indexmiete, gilt nicht mehr. Die Miete wird auf den Stand vom 18. Juni 2019 eingefroren. Im November erfolgt dann die Absenkung auf den Deckelwert. Dieser richtet sich nach den Mietpreisen von 2012, die zu den Werten im Berliner Mietspiegel aus dem Jahr 2013 führten. Hinzu kommt ein Inflationsausgleich sowie weitere Zu- und Abschläge.
Das hängt vom Alter des Wohnhauses ab, von der Ausstattung der Wohnung sowie von dessen Lage. Wie der Vermieter die Miete im Einzelfall errechnet hat, musste er seinem Mieter bis zum 23. April unaufgefordert mitteilen. Auch langjährige Mieter müssen eine entsprechende Information erhalten haben. Entscheidend ist zunächst das Baujahr, wobei es zwölf Altersklassen gibt. Bei Wiedervermietung kosten Wohnungen in bis 1918 gebauten Häuser ohne Sammelheizung und ohne Bad am wenigsten, nämlich 3,92 Euro je Quadratmeter. Die höchste Miete dürfen neuwertige Wohnungen aus den Jahren 2003 bis 2013 kosten: 9,80 Euro.
Doch, und das macht die Sache kompliziert: Die „Tabellenmieten“ werden um Aufschläge und Abschläge korrigiert. Zum Beispiel ist für eine moderne Ausstattung ein Aufschlag von einem Euro zulässig, sofern drei der fünf folgenden Kriterien erfüllt sind: Einbauküche, hochwertige Sanitärausstattung, hochwertiger Bodenbelag in den meisten Räumen, Energieverbrauchswert von weniger als 120 kWh je Quadratmeter im Jahr, schwellenlos erreichbarer Aufzug. Auch die Wohnlage führt zu weiteren Zu- oder Abschlägen: Einen Abschlag von 28 Cent ist bei einfacher Wohnlage fällig, bei mittleren Wohnlagen beträgt dieser Minus neun Cent. Dagegen dürfen 74 Cent mehr verlangt werden, wenn sich die Wohnung in guter Wohnlage befindet. Ist die spezifische Miete errechnet, dürfen bei bestehenden Mieterverträge die Oberwerte um 20 Prozent überschritten werden.
Das Gesetz macht die Überprüfung der Deckel-Miete einfach, weil es die Vermieter dazu verpflichtet, unaufgefordert alle dazu erforderlichen Angaben zu machen in einem Schreiben an jeden seiner Mieter. Die folgenden Angaben sollten enthalten sein und können wie folgt überprüft werden:
Das muss der Senat noch festlegen. Orientieren sollen sich Vermieter zunächst am Mietspiegel 2019.
Ausnahmen sieht das Gesetz zur Mietenbegrenzung bei Wohnungen mit sehr geringen Mieten vor: von unter 5,02 Euro je Quadratmeter. Hier darf der Hauseigentümer bei Auszug des Mieters die Miete auf diese 5,02 Euro anheben, wobei auch hier eine Kappungsgrenze von maximal ein Euro auf einen Schlag besteht. Mieterhöhungen darf es auch geben bei Modernisierungen.
Nein, jedenfalls nicht bis zum 31. Dezember des Jahres 2021. So lange ist sie eingefroren auf die Höhe vom Stichtag am 18. Juni 2019. Nach diesem Stichtag vereinbarte Mieterhöhungen gelten dann nicht mehr. Ab Januar 2022 könnte die Deckelmiete angehoben werden und zwar um maximal 1,3 Prozent pro Jahr, falls die Preise im Lande steigen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Senat eine Rechtsverordnung erlässt. Diese liegt bisher noch nicht vor.
Nein, die Kosten von Modernisierungen dürfen auf die gedeckelte Miete umgelegt werden. Allerdings ist auch diese Umlage wiederum gedeckelt auf maximal ein Euro mehr Miete je Quadratmeter. Die Erhöhung der Miete muss der landeseigenen Förderbank IBB angezeigt werden. Und auch nicht jede Modernisierung ist “mietwirksam”, sondern nur solche, zu denen der Vermieter gesetzlich verpflichtet ist, die zur Wärmedämmung dienen oder solche zur Nutzung von Solarstrom und erneuerbarer Energien. Der Austausch von Fenstern, Heizanlagen oder deren Optimierung sind auch zulässig. Ein Aufzug darf eingebaut werden ebenso der Abbau von Schwellen, Barrieren und seniorengerechte Bäder.
Dann könnte er eine höhere Miete verlangen als der Deckel zulässt. Voraussetzung ist eine “unbillige Härte”. Diese liegt vor, wenn die Wohnung wegen der gedeckelten Miete auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter führt oder deshalb die Substanz des Hauses gefährdet ist. Über diese Ausnahmefälle entscheidet die Förderbank IBB. Das Gesetz setzt der Billigung von Härtefällen enge Grenzen: Ausgeschlossen sind etwa Vermieter, die zu hohe Wertsteigerungen oder Renditen beim Kauf der Immobilie erwartet hatten oder mehr für die Finanzierung bezahlen als marktüblich.
Diese bleiben bestehen und dienen beispielsweise zur Festlegung der Miete von neu gebauten Wohnungen ab Baujahr 2014, die vom Deckel ausgenommen sind. Auch für ganz preiswerte Mietwohnungen (weniger als 5,02 Euro je Quadratmeter), die also nach Mietendeckel erhöht werden dürfen (siehe oben), legen Mietspiegel und Mietpreisbremse den Mieterhöhungsspielraum fest. In einzelnen Fällen kann bei einer Wiedervermietung die Mietpreisbremse sogar die Miete stärker begrenzen als der Deckel, falls eine Mieterhöhung mit Verweis auf die Inflation ab 1. Januar 2022 gefordert wird. Künftige Mieterhöhungen müssen also nach beiden Regelungen zulässig sein.
Zunächst gelten die staatlichen Mieten für fünf Jahre. Danach muss die Lage am Wohnungsmarkt „evaluiert“ werden. Herrscht immer noch Mangel an Wohnraum, obwohl das Land den Wohnungsbau angekurbelt hat, ist eine Verlängerung des Landesgesetzes möglich. Voraussetzung dafür ist, dass das Bundesverfassungsgericht das Gesetz nicht kippt. Kommt es so, dann könnte die ortsübliche Miete nach Mietspiegel sowie die Mietpreisbremse des Bundes in Kraft treten. Denkbar ist aber auch, dass Karlsruhe das Deckelgesetz nicht komplett kippt, sondern nur Korrekturen fordert.