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Afrikanische Küchen sind in Deutschland kaum bekannt
– zu Unrecht!

Wenn es um „Essen aus aller Welt“ geht, wird meist ein ganzer Kontinent ausgelassen: Afrika. Dabei ist die Küche extrem vielfältig, auch in Berlin. Tuleka Prah erzählt, was das mit Kolonialismus zu tun hat – und zeigt uns ihr Lieblingsgericht.
Wenn es um „Essen aus aller Welt“ geht, wird meist ein ganzer Kontinent ausgelassen: Afrika. Dabei ist die Küche extrem vielfältig, auch in Berlin. Tuleka Prah erzählt, was das mit Kolonialismus zu tun hat – und zeigt uns ihr Lieblingsgericht.
Schaue dir hier Folge 4 an!

Tuleka Prah hat schon immer gerne Kontomire gegessen. Ihr Vater zeigte ihr, wie man den herzhaften Eintopf aus Cocoyam-Blättern zubereitet. Doch irgendwann fragte sie sich, wie das Original schmeckt. Prah ist in Großbritannien aufgewachsen, das Kontomire ihres Vaters köchelte auf dem Herd zu Hause in Cambridge. Sie fragte sich: Schmeckt das ‚echte‘ womöglich anders?

Also ging Prah auf die Suche, reiste nach Ghana und ließ sich von ihrer Tante in Accra zeigen, wie sie das Gericht zubereitet. Das Rezept archivierte sie auf der Website ihres Projekts My African Food Map. Vor allem an regnerischen Tagen kocht sie das Kontomire ihrer Familie gern in ihrer Neuköllner Wohnung. An diesem Wintertag tut sie es für uns (siehe Video).

Denn zusammen mit der Gastronomin Daeng Khamlao suchen wir in unserer Rechercheserie nach internationalen Küchen Berlins – und der Küche der Zukunft im Angesicht von Globalisierung und Klimakrise. Dabei mussten wir schnell feststellen, wie wenig man in Deutschland eigentlich über afrikanisches Essen weiß. Woran liegt das?

Bei der Zubereitung des ghanaischen Eintopfs sprechen die beiden darüber, wie Rassismus und Kolonialismus unseren Blick auf Essen prägen. Darüber, warum es „die eine afrikanische Küche“ gar nicht gibt. Und über die komplexe kulinarische Geschichte des Kontinents. Migration, Handelsströme und Sklaverei haben über Jahrhunderte die Essgewohnheiten der Menschen geprägt. Gleichzeitig hat das zu einer außergewöhnlich vielfältigen Art des Kochens geführt.

Unbekannt und doch überall zu finden

In Deutschland leben knapp eine Millionen Menschen, die laut Statistischem Bundesamt einen „afrikanischen Migrationshintergrund“ haben. Zum Vergleich: Nur 568.000 haben einen amerikanischen Migrationshintergrund. In der Gastronomie sind ihre Küchen trotzdem wenig populär.

Zumindest in Berlin liegt das nicht daran, dass es hier kein afrikanisches Essen gibt. Wir haben deshalb Restaurants zusammengesucht, die verschiedene afrikanische Länderküchen anbieten – von marokkanisch und sudanesisch über gambisch, ghanaisch, sierra-leonisch bis südafrikanisch.

Bekannt sind die meisten dieser Restaurants bisher nicht. Am häufigsten gesprochen wird wohl noch über Imbisse, die sudanesischen Falafel mit Erdnusssauce anbieten. Dass der im Sudan und in Ägypten häufig allerdings nicht Falafel, sondern Tamiya heißt und oft mit Favabohnen zubereitet wird, wissen schon wieder die wenigsten.

Rassismus prägt, was wir essen

Die Kolonisierung afrikanischer Länder hat einheimische, traditionelle Essensgewohnheiten unterdrückt, einiges davon ging verloren oder wurde mit Gewalt ersetzt – etwa, weil die Kolonisierenden den Kolonisierten vorgaben, was auf den Feldern angebaut wird. Dazu gibt es wissenschaftliche Forschung. Traditionelle afrikanische Gerichte galten rasch als Arme-Leute-Essen. Auch das hat den Blick auf die afrikanischen Küchen beeinflusst, erzählt Tuleka Prah. Die Koch- und Essenstraditionen haben zwar überlebt und leben heute fort – der negative Blick auf sie von außen aber ist geblieben.

Dass afrikanische Küchen noch heute abgewertet werden und keine Aufmerksamkeit erführen, komme „von einer langen und systematischen Abwertung und Entmenschlichung der Bewohner*innen des afrikanischen Kontinents, ihrer Kultur, ihrer Küche, ihrer Sprache und ähnlicher Dinge, um sie bequemer ausbeuten zu können“, sagt Prah. Diese Abwertung bestehe bis heute fort.

Tuleka Prah kocht immer noch gerne Kontomire – hat allerdings im Rezept ihrer Tante Cocoyam-Blätter durch Spinat ersetzt. Der Grund ist pragmatisch. „Den gibt es in jedem Supermarkt“, sagt Prah. „Und in einem Eintopf erfüllt er genau dieselbe Funktion.“ Sie ist nicht die Einzige, die das tut, viele Rezepte im Internet schlagen diesen Ersatz vor, der nicht aufwändig importiert werden muss. So schreibt sich das Rezept fort, die Menschen ihre heutige Lebenssituation mit in das Gericht ein.

Wenn ihr das Gericht aus dem Video nachkochen wollt, geht das übrigens so:

Bild: Shutterstock / Kwame Amo
Rezept: Kontomire
Für 4-6 Portionen
4 große Tomaten
1 Zwiebel (gewürfelt)
2 Zehen Knoblauch (gepresst)
1 TL Ingwer (frisch gerieben)
2 Chilies (optional)
2 Brühwürfel
1 TL Shrimp-Pulver (optional)
4 EL Pflanzen- oder Palmöl
500g geräucherter Fisch (alternativ: Rind-, Lamm- oder Schweinefleisch)
400g Spinat
500ml Wasser
1. Das Öl in einem Topf erhitzen und die gehackten Zwiebeln hinzufügen.
2. Sobald die Zwiebeln anfangen, braun zu werden, Chili, Ingwer, Tomaten und Knoblauch hinzufügen.
3. Das Shrimp-Pulver mit dem Wasser hinzugeben und die Hitze verringern.
4. Diese Mischung sollte etwa 10 Minuten lang kochen.
5. Anschließend den geräucherten Fisch hinzufügen und alles verrühren.
6. Nach etwa 5 Minuten den Spinat hinzugeben und vorsichtig, aber gründlich umrühren.
7. Bei schwacher Hitze weitere 10 Minuten kochen (oder bis der Spinat gar ist).
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In den nächsten Wochen erscheinen weitere Hintergrundartikel zu internationaler Küche in Berlin und dem Klimaeffekt von Essen. Einmal wöchentlich gibt es eine neue Videofolge, hier und direkt auf Youtube:

Hier könnt ihr ausrechnen, wie viel CO₂ eure Lieblingsgerichte verursachen:

Welche Lebensmittel besonders schlecht für das Klima sind seht ihr hier:

Noch bessere Ideen? Schreibt gerne Kommentare unter das Youtube-Video oder schickt uns Vorschläge per Mail, Twitter oder Instagram. Die Accounts findet ihr neben den Namen der Team-Mitglieder.

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Papaya & Pommes: Das Projekt

Die Serie Papaya & Pommes beschäftigt sich mit den Klimafolgen unserer Ernährung und internationaler Gastronomie in Berrlin.

In einer Videoserie begleiten wir dabei die Gastronomin Daeng Khamlao auf einer Suche. Sie befindet sich in einem inneren Konflikt. Für die gebürtige Thailänderin ist asiatisches Essen ein Stück ihrer Identität. Dabei sind die Zutaten oft von weither importiert und nicht immer klimafreundlich oder nachhaltig. Wie kann Daeng klimafreundlich kochen, ohne dabei auf die Gerichte aus ihrer Heimat zu verzichten?

In der Videoserie, die der Tagesspiegel mit der Berliner Produktionsfirma Schuldenberg Films entwickelt hat, begibt sie sich auf die Suche nach einer Lösung für ihr Dilemma. Daeng, die das Restaurant The Panda Noodle in Kreuzberg betreibt, besucht in fünf Folgen verschiedene internationale Restaurants und Essensprofis in Berlin und lässt sich ihre Küchen zeigen. Dabei versucht sie, herauszufinden: Wie klimaschädlich ist welche Art zu Kochen wirklich? Kann man weit gereiste Zutaten für thailändische, afrikanische oder indische Gerichte durch regionale Zutaten ersetzen? Oder ist das vielleicht gar nicht nötig? Sie findet dabei ungewöhnliche Gerichte – und vielleicht auch ein bisschen etwas von Berlins Küchen der Zukunft.

In der ersten Folge trifft Daeng die Ernährungsökonomin Ann-Cathrin Beermann und zeigt ihre eigene Küche. Ihr könnt die Serie direkt hier oder auf Youtube ansehen. In Folge zwei besucht sie besondere indische Restaurants. Und in der dritten Folge geht es um vegane Küche mit der Autorin Sophia Hoffmann. Alle Folgen Papaya und Pommes gibt es hier.

Projektteam

Die Videoserie Papaya & Pommes ist eine Kooperation von Tagesspiegel und Schuldenberg Films und wurde vom Medienboard Berlin-Brandenburg gefördert.

Sophie Ahrens
Herstellungsleitung
Inga Barthels
Recherche, redaktionelle Mitarbeit
Eric Beltermann
Webentwicklung
Nina Breher
Artikeltext
Kuan-Chen Chen
Ton
Kristof Gerega
Entwicklung, Regie, Projektleitung Schuldenberg Films
Sara Halvova
Produktionsassistenz
Daeng Khamlao
Entwicklung, Moderation
Fabian Kalker
Musik
Manuel Kostrzynski
Artdirektion
Hendrik Lehmann
Entwicklung, Redaktion, Projektleitung Tagesspiegel
David Meidinger
Webentwicklung, Tech Lead
Alaha Safdari
Entwicklung, Recherche
Helena Wittlich
Recherche, redaktionelle Mitarbeit
Anton Yaremchuk
Kamera, Bildbearbeitung
Danila Okulov (Sounddesign & Mischung), Patrick Stegemann (Beratung), Tobias Schuetze (Schnitt, Grafik & Animation)
Veröffentlicht am 30. Januar 2022.