Wahlergebnisse nach Kiezbevölkerung:
Der S-Bahn-Ring – Berlins harte politische Grenze
In der interaktiven Karte können Sie selbst die Wahlergebnisse anhand von Berliner Kiezen und Bevölkerungsdaten miteinander vergleichen. Wenn Sie auf einen der Filter-Buttons klicken, werden die Kieze angezeigt, in denen beispielsweise besonders viele alte Menschen wohnen oder besonders viele Arbeitslose. Rechts daneben wird das Wahlergebnis angezeigt, das sich bei der Wiederholungswahl des Abgeordnetenhauses ergeben hätte, wenn nur diese Kieze gewählt hätten. In der Analyse berücksichtigt werden die Zweitstimmen (Brief- und Urnenwahl) zur Abgeordnetenhauswahl 2023.
Bestünde Berlin nur aus dem Tarifbereich A der S-Bahn, die neue Regierende Bürgermeisterin hieße Bettina Jarasch. 610.903 Wahlberechtigte leben hier. 30,7 Prozent von ihnen wählten Grün bei der Zweitstimme zur Abgeordnetenhauswahl 2023. Schon bei der annullierten Wahl 2021 hatte sich eine neue, unsichtbare Grenze in der Stadt abgezeichnet. Während lange der ehemalige Mauerverlauf die politische Landkarte Berlins bestimmte, zeigt sich heute eine anders geteilte Stadt: außen gegen innen.
Außerhalb des S-Bahn-Rings ist die politische Landkarte tiefschwarz. 1.700.675 Wahlberechtigte, 62,4 Prozent Wahlbeteiligung. 32,5 Prozent wählten die CDU. Die Grünen kommen hier gerade einmal auf 13,3 Prozent, liegen 5,8 Prozent hinter der SPD und nur 2,2 Prozentpunkte vor der AfD auf Platz vier.
Wie stark der S-Bahn-Ring die politischen Meinungen teilt, zeigt sich, wenn man explizit auf einzelne Bezirke schaut. In Neukölln oder Tempelhof-Schöneberg dominiert außerhalb des Rings die CDU, innerhalb dominieren die Grünen. Nur in Pankow gibt es einige grüne Ausläufer über die Ringbahn hinaus.
Punktet die CDU bei Menschen in den Außenbezirken, weil sie dort wohnen? Oder aus einem anderen Grund? Viele Stadtteile außerhalb des Rings sind von einer eher älteren Bevölkerung geprägt. Ein Blick auf die Gegenden mit vielen über 65-Jährigen zeigt: Viele ältere Kieze liegen außerhalb des Rings, hier wählen viele CDU, die Partei kommt hier auf 36,6 Prozent. Ein Großteil der jungen Stimmbezirke liegt innerhalb des S-Bahn-Rings. Hier sind die Grünen stärkste Partei.
Die neue politische Grenze Berlins lässt weitere künftige Konflikte erahnen. Denn in den Außenbezirken leben nicht nur mehr Ältere, sondern insgesamt mehr Menschen. Die hippen Innenstadtbezirke werden politisch stärker von außen bestimmt als umgekehrt. Gerade bei umstrittenen politischen Themen wie der Wohn-, Verkehrs- oder Klimapolitik werden diese Unterschiede zu Konflikten bei Prioritäten und Vorlieben führen. Wohnungsnot und Verkehrsbelastung sind in der Innenstadt akuter, fehlende öffentliche Verkehrsmittel sind in den Außenbezirken ein größeres Problem.
Es ist allerdings nicht so, als hätte die CDU in den Stimmbezirken allein außerhalb des S-Bahn-Rings hinzugewonnen. Insgesamt kamen die Christdemokraten in der Innenstadt auf 6,8 Prozentpunkte mehr als 2021 – Zugewinne gab es vor allem in Wilmersdorf und Mitte. 2021 war die Mehrheit dieser Gebiete noch rot. Berlinweit verlor die Partei nur in zwei von 1507 Stimmbezirken Anteile, beide im zentral gelegenen Friedrichshain-Kreuzberg.
Der S-Bahn-Ring als Grenze – auch in den Bezirken
Natürlich sind solche Analysen nur bedingt aussagekräftig. Denn außerhalb des S-Bahn-Rings wohnen etwa dreimal so viele Wahlberechtige wie im Ring. Deshalb ähneln die Ergebnisse dort eher denen für ganz Berlin. Wir haben außerdem bei der Auswertung einige wenige Wahlbezirke ausgeschlossen, die genau auf dem Ring liegen. Deren Stimmen hätten die Ergebnisse aber nicht entscheidend verändert.
Was die Analyse aber zeigt: Vor allem für die Grünen und die CDU wäre die Wahl je nach Stadtteil völlig anders ausgegangen. Und die politischen Ränder zeigen sich noch in einer weiteren Weise: Hätte nur Berlins Kern gewählt, wäre die AfD nicht ins Abgeordnetenhaus eingezogen. Dort scheitert sie mit 4,2 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde. Außerhalb des Rings erreicht die Partei einen zweistelligen Prozentwert.