Noch immer transportieren Hunderte Tanker europäischer Reedereien Millionen Tonnen Öl, Gas und Kohle aus Russland. Die Menge an fossilen Brennstoffen, die deutsche Reeder transportieren, hat im Oktober sogar wieder leicht zugenommen. Das zeigen Daten, die Investigate Europe und Reporters United zusammen mit dem Tagesspiegel ausgewertet haben.
Blickt man nur auf die von den deutschen Firmen transportieren fossilen Brennstoffe, sind vor allem Öl-Exporte durch deutsche Unternehmen seit August wieder gestiegen. Insgesamt hatten die Mengen, die von europäischen Tankern transportiert werden, seit Mai immer weiter abgenommen. Vergleicht man die gesamteuropäischen Exporte, hat sich der Trend bei Kohle wieder umgekehrt.
Dabei gilt seit August das Kohle-Embargo. EU-Staaten dürfen keine Kohle aus Russland mehr importieren. Weil das aber nicht für den Transport der Ware gilt, machen die Reedereien weiter mit Russland Geschäfte, wie unsere vorherige Recherche zeigte. Sie verschiffen die Kohle dann einfach in nicht-europäische Länder.
Nun soll der am Montag den 5. Dezember in Kraft getretene Ölpreisdeckel den Transport etwas einschränken. EU-Reedereien dürfen dann nur noch Öl transportieren, das zu einem Höchstpreis von 60 Dollar pro Barrel verkauft wird. Die neue Regelung betrifft nun außerdem auch die Versicherer von Schiffen. Die dürften die Tanker künftig nur noch versichern, wenn der Preisdeckel eingehalten wird.
Darüber hinaus trat das EU-Ölembargo in Kraft. Seit dem 5. Dezember dürfen keine Schiffe mehr mit russischem Öl in europäischen Häfen anlanden.
Ob Embargo und Preisdeckel wirken, hängt auch davon ab, wie sich die anderen Länder verhalten. Denn findet Russland neue Käufer und andere Reedereien aus nicht EU-Ländern, die russische Rohstoffe transportieren, kann das Geschäft weiterlaufen. Vor allem Reedereien aus China haben ihr Geschäft mit russischen Rohstoffen seit Kriegsbeginn verstärkt. Auch die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate betreiben die Ausfuhren weiter.
Berichten der Financial Times zufolge kauft Russland in Reaktion auf die Sanktion bereits alte Öltanker auf, um seine Rohstoffe selbst transportieren zu können. Ein Kremlsprecher sagte unlängst, man werde diesen Deckel nicht akzeptieren – und habe sich auf dieses Szenario vorbereitet.
Die neuen russischen Tanker könnten dabei eine wichtige Rolle spielen. Denn die Mehrheit der größten Reedereien, die bislang russische Rohstoffe transportieren sind aus Europa – hauptsächlich aus Griechenland und Deutschland.
Ob und wie Embargo und Preisdeckel nun wirken, lässt sich mit diesen Daten noch nicht genau abschätzen. Erste Auswertungen des Center for Research on Energy and Clean Air (CREA) lassen vermuten, dass vor allem Ölexporte auch im November weiter angestiegen sind.
Vor allem Ölexporte direkt nach Europa – nicht nur jene durch europäische Reedereien – seien zum ersten Mal seit März wieder angestiegen. In ihrer Analyse schreibt CREA: „Der Anstieg der Ausfuhren in die EU ist auf Deutschland und Italien zurückzuführen, die offenbar Last-minute shoppten, bevor das Ölimportverbot in Kraft tritt.“ Noch in der Woche vor dem Embargo war die EU der größte Importeur russischer fossiler Rohstoffe.
So bleibt weiterhin fraglich, ob Preisdeckel und Embargo die gewünschte Wirkung zeigen. Doch es wird schwer, die Herkunft der Rohstoffe genau zu überprüfen. Denn obwohl über die Pipelines kein russisches Gas mehr nach Deutschland fließt, erhält Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin russisches Gas – über die Flüssiggasterminals in Nordwesteuropa. LNG-Exporte aus Russland auf dem Seeweg sind stark angestiegen. Ein Preisdeckel, der den Transport beschränken könnte, gilt hier nicht.