Ein cremiges Tikka Chicken, ein dampfendes Palak Paneer oder ein paar knusprige Samosas: Indische Küche ist in Deutschland beliebt, in Berlin sowieso. Ob vom Lieferdienst, im bunten Restaurant mit Happy-Hour oder vom fliegenden Händler in der Bar.
Auch wenn die meisten Deutschen wohl schon mal indisch gegessen haben, wissen wir zumeist wenig über diese Gerichte. Dass der indische Klassiker Chicken Tikka höchstwahrscheinlich in Großbritannien erfunden wurde und dass nicht einmal ein Drittel aller Inder*innen vegetarisch leben zum Beispiel. Oder dass die indischen Gerichte in Deutschland oft stark angepasst wurden, um den Geschmack des hiesigen Publikums zu treffen.
Das liegt unter anderem daran, dass die indische Expat-Community in Deutschland weniger im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit steht. Auch gibt es in Deutschland anteilsmäßig weniger Menschen mit indischen Vorfahren als beispielsweise in Großbritannien, der ehemaligen Kolonialmacht des Landes. Beim Essen könnte es aber auch daran liegen, dass die indische Küche oft wenig Beachtung findet in den Restaurantkritiken und Stadtmagazinen. Viele Menschen in Deutschland nehmen indisches Essen daher eher als Fast Food oder günstige Alternative zu teureren Restaurants wahr.
Dabei ist die indische Küche eine der vielfältigsten der Welt. Es gibt hunderte Arten der Zubereitung und der Umgang mit Gewürzen ist weitaus ausgetüftelter als in klassisch-europäischen Küchen. In unserer Serie zu internationalem Essen und Klima in Berlin hat unsere Moderatorin Daeng Khamlao deshalb ihre Freundin Kavita Meelu gebeten, ihr einen Einblick in die indischen Küchen Berlins zu geben. Also nimmt Kavita Meelu sie mit hinter die Kulissen von zwei ganz verschiedenen Restaurants.
Das zweite, Saravanaa Bhavan am Potsdamer Platz, gibt es erst seit ein paar Monaten. Dort gibt es eher untypische Gerichte für indische Restaurants in Deutschland. Dabei ist Saravanaa Bhavan die größte indische Restaurantkette der Welt. In der wachsenden indischen Expat-Szene der Hauptstadt wird gefeiert, dass sie endlich auch hier eröffnet haben. Das Restaurant ist brechend voll.
Kavita Meelu ist gewissermaßen eine Drahtzieherin hinter Berlins Streetfood-Szene. Sie hat den Street Food Thursday in der Kreuzberger Martkhalle IX mitinitiiert, das Event Burgers & Hip Hop kuratiert und den Supperclub Mother’s Mother organisiert. Außerdem forscht die Anthropologin zu Essen. Wenn die Britin das Essen ihrer Kindheit essen möchte, fährt sie zum Neuköllner Hermannplatz und geht in ein unscheinbares indisches Restaurant mit einer roten Markise. Das Indian Dhaba Mitra serviert nordindische Küche aus Punjab. Und nur ein paar Kilometer weiter nördlich probieren Kavita und Daeng Essen aus dem Süden Indiens: im besagten Saravanaa Bhavan, wo indische Dosas in offener Küche gebraten werden.
Während die beiden die indischen Küchen der Stadt besuchen, enttarnt Kavita Meelu so manch deutsches Klischee über die indische Kultur. Zum Beispiel, dass Inder*innen kein Fleisch essen. „Das ist ein großer Mythos, mit dem aufgeräumt werden muss“, sagt sie. Nicht alle Inder*innen seien Hindus – und selbst von denen essen einige Fleisch, sagt Kavita Meelu. Keines zu essen, das sei in Indien selbst eine irgendwie eher elitäre Sache: „Vegetarismus ist mit Hindus aus den höheren Kasten assoziiert.“
Zwar wird in Indien weltweit durchschnittlich mit am wenigsten Fleisch pro Kopf konsumiert, wie aus UN-Daten hervorgeht: 4,4 Kilogramm pro Kopf und Jahr waren es 2017. In Deutschland aßen die Menschen durchschnittlich 60 Kilogramm jährlich, also ein Vielfaches. Das heißt aber noch lange nicht, dass Fleisch verpönt ist. Laut einer Umfrage der indischen Regierung essen nur 29 Prozent der Inder*innen streng vegetarisch.
Und was ist mit den heiligen Kühen? Die mögen zwar manchen Indern heilig sein. Anderen aber weniger: Indische Muslime, Christen und Juden zum Beispiel essen auch Rind. Dass in Indien keiner Kuh etwas zuleide getan wird – auch ein Klischee also. Auch wenn das Schlachten der Tiere in den meisten Bundesstaaten Indiens verboten ist.
Trotzdem sind viele indische Gerichte überdurchschnittlich klimafreundlich. Aber es kommt eben drauf an, welches. Die Analyse einiger bekannter indischer Gerichte zeigt: kein Fleisch, kein Problem mit der Klimabilanz. Oder?
Auch wenn das manchmal eine gute Faustregel ist, ist es ganz so einfach nicht. Ein nordindisches Gericht mit besonders viel Sahne und Butter kann im Einzelfall klimaschädlicher sein als eines mit ein bisschen Hühnchen. Und das in Indien beliebte Ghee, das häufig in den Gerichten verwendet wird, ist nichts anderes als zerlassene Butter. Dadurch hat es keine sonderlich gute Klimabilanz. Denn für Butter braucht es sehr viel Milch. Richtig gut schneiden hingegen die vielen Linsengerichte ab, von denen es in der indischen Küche außergewöhnlich viele gibt.
Wenn ihr das Gericht aus dem Video nachkochen wollt, geht das übrigens so:
Ein weniger bekanntes davon sind Dosas, die es bei Saravanaa Bhavan gibt. Der Teig jener Fladen wird unter anderem aus Hülsenfrüchten und Reis zubereitet. Dadurch sind die Fladen sehr nährstoffhaltig. Und lecker sind sie allemal.
In den nächsten Wochen erscheinen weitere Hintergrundartikel zu internationaler Küche in Berlin und dem Klimaeffekt von Essen. Einmal wöchentlich gibt es eine neue Videofolge, hier und direkt auf Youtube:
Hier könnt ihr ausrechnen, wie viel CO₂ eure Lieblingsgerichte verursachen:
Noch bessere Ideen? Schreibt gerne Kommentare unter das Youtube-Video oder schickt uns Vorschläge per Mail, Twitter oder Instagram. Die Accounts findet ihr neben den Namen der Team-Mitglieder.
Die Serie Papaya & Pommes beschäftigt sich mit den Klimafolgen unserer Ernährung und internationaler Gastronomie in Berrlin.
In einer Videoserie begleiten wir dabei die Gastronomin Daeng Khamlao auf einer Suche. Sie befindet sich in einem inneren Konflikt. Für die gebürtige Thailänderin ist asiatisches Essen ein Stück ihrer Identität. Dabei sind die Zutaten oft von weither importiert und nicht immer klimafreundlich oder nachhaltig. Wie kann Daeng klimafreundlich kochen, ohne dabei auf die Gerichte aus ihrer Heimat zu verzichten?
In der Videoserie, die der Tagesspiegel mit der Berliner Produktionsfirma Schuldenberg Films entwickelt hat, begibt sie sich auf die Suche nach einer Lösung für ihr Dilemma. Daeng, die das Restaurant The Panda Noodle in Kreuzberg betreibt, besucht in fünf Folgen verschiedene internationale Restaurants und Essensprofis in Berlin und lässt sich ihre Küchen zeigen. Dabei versucht sie, herauszufinden: Wie klimaschädlich ist welche Art zu Kochen wirklich? Kann man weit gereiste Zutaten für thailändische, afrikanische oder indische Gerichte durch regionale Zutaten ersetzen? Oder ist das vielleicht gar nicht nötig? Sie findet dabei ungewöhnliche Gerichte – und vielleicht auch ein bisschen etwas von Berlins Küchen der Zukunft.
In der ersten Folge trifft Daeng die Ernährungsökonomin Ann-Cathrin Beermann und zeigt ihre eigene Küche. Ihr könnt die Serie direkt hier oder auf Youtube ansehen. Und in der dritten Folge geht es um vegane Küche mit der Autorin Sophia Hoffmann. Alle Folgen Papaya und Pommes gibt es hier.