In Thüringen ist die AfD zum ersten Mal bei einer Landtagswahl stärkste Kraft geworden - mit 9,2 Prozentpunkten Vorsprung auf die zweitplatzierte CDU (23,6 Prozent). Die Linke, die mit Bodo Ramelow bisher den Ministerpräsidenten stellte, landete hinter dem erstmalig angetretenen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf dem vierten Platz. Ans BSW verlor die Linke auch die meisten Wählerstimmen.
Blickt man auf die Analysen von ARD/Infratest dimap zur Wählerwanderung im Vergleich zur Landtagswahl 2019, so zeigt sich, dass gerade AfD und BSW den etablierten Parteien Wähler:innen abgewinnen konnten.
Der Wahlsieger AfD bekam insbesondere von bisherigen Unterstützer:innen der CDU und Linken Stimmen hinzu. Aber auch circa 2000 Grünen-Wähler:innen stimmten 2024 für die AfD.
Die BSW gewann am meisten Stimmen von den Linken. Außerdem gelang es der Partei von Sahra Wagenknecht in ihrem ersten Anlauf bei Landtagswahlen, viele Nichtwähler zu mobilisieren.
Rund 13.000 von ihnen stimmten bei dieser Wahl für das BSW, genau wie rund 18.000 ehemalige CDU-Wähler. Am wenigsten Stimmen erhielt das Bündnis von ehemals Grün Wählenden. Von denen stimmten nur 4000 für das BSW.
Weder den Linken noch den Grünen oder der FDP gelang es bei dieser Wahl, Stimmen von anderen Parteien abzuwerben. Sowohl FDP (16.000 Stimmen) als auch Grüne (9000 Stimmen) verloren die meisten ihrer Wählenden an die CDU. Rund 8000 FDP-Wähler wechselten zur AfD, 6000 zur BSW. 4000 Ex-FDP-Unterstützer wählten dieses Mal gar nicht.
Von den Grünen-Wählern wechselten jeweils 4000 zu BSW und SPD. 2000 wählten in diesem Jahr die AfD.
Neben den Linken gehört die SPD zu den Verlierern der Wahl. Auch wenn Stimmen von Linken (6000) und Grünen (4000) an die Sozialdemokraten gingen, so verloren sie doch 15.000 Stimmen an die CDU und 12.000 an das BSW.
Ein mögliches Bündnis aus CDU, BSW und SPD würde die Mehrheit von 45 Sitzen im Landtag um einen Sitz knapp verpassen. Damit dürfte völlig unklar sein, wer in Thüringen künftig die Regierung stellt. Mehrheiten hätten nur eine Vierer-Koalition aus CDU, BSW, Linke und SPD oder ein Bündnis aus AfD und BSW. Bislang gibt es zwar einen Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU zur Zusammenarbeit mit AfD und Linken. Doch schon Stunden nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses meldeten sich erste CDUler zu Wort, die bezüglich einer Koalition mit der Linken für eine Aufhebung dieses Beschlusses plädierten.
Die dargestellten Werte vergleichen Wählerstimmen der aktuellen und der vorhergehenden Wahl verglichen. Die Werte sind Schätzwerte und werden von Infratest dimap berechnet.
Dennoch sind die Analysen mit Vorsicht zu genießen. ARD und Infratest dimap werden regelmäßig dafür kritisiert, dass sie Zahlen zur Wählerwanderung veröffentlichen. Die sogenannte Wählerstromanalyse ist eine komplexe Analyse, mit der Aussagen zur Mobilität von Wählerinnen und Wähler getroffen werden können. Die Ergebnisse sind deshalb relativ umstritten, weil sie auf Befragungen basieren. Es gilt jedoch als unsicher, inwiefern die Antworten der Befragten ihr tatsächliches Wahlverhalten widerspiegeln.
Die Grundlage für diese Berechnungen bilden amtliche Statistiken, repräsentative Umfragen sowie das vorläufige Endergebnis der Auszählung der Zweitstimmen am Wahlsonntag. In der Wählerwanderung werden insbesondere auch Nichtwählerinnen und -wähler berücksichtigt – sowie Veränderungen in der Wählerschaft: Zuzüge, Wegzüge, Tod und Erreichen des Wahlalters von 18 Jahren.