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Wie krank macht die Berliner Verwaltung?

Die Beschäftigten der Berliner Behörden sind viel krank - insbesondere die Lang­zeit­erkrankungen steigen. In Spandau sind die Beschäftigten gesünder als in Mitte.
Die Beschäftigten der Berliner Behörden sind viel krank - insbesondere die Lang­zeit­erkrankungen steigen. In Spandau sind die Beschäftigten gesünder als in Mitte.

Masken, Abstand, Isolation – die Coronapandemie hat im vergangenen Jahr so manche Erkältung verhindert, die Grippesaison ist ganz ausgeblieben. Trotzdem waren die Beschäftigten der Berliner Behörden im Jahr 2020 viel krank: im Schnitt an 36,8 Kalendertagen. Im Vorjahr waren es sogar 37,7.

Seit Jahren wird die Gesundheit der Mitarbeiter:innen in der Berliner Verwaltung eher schlechter – vor allem in den Bezirksverwaltungen, wie die Gesundheitsquote zeigt. Dieser Wert gibt an, wie viel Prozent im Jahr die Mitarbeiter:innen gesund waren und wird jährlich von der Senatsverwaltung für Finanzen veröffentlicht.

Vor allem in den Bezirken nimmt die Gesundheit ab
Die Grafik zeigt die Entwicklung der Gesundheitsquoten in den Berliner Verwaltungen seit 2007 im Vergleich.
Daten: Senatsverwaltung für Finanzen

Immerhin: In der Hauptverwaltung scheinen die Mitarbeiter:innen wieder gesünder zu werden. Die pauschale Gesundheitsquote wird definiert als „Anteil der Kalendertage ohne gemeldete Erkrankungen an der Gesamtzahl der Kalendertage aller Beschäftigen“.

Sind die Berliner Verwaltungsangestellten oft krank?

Ob die Gesundheitsquote in Berlin zu niedrig liegt, ist schwer zu sagen. Berlin zählt bei seinen Angestellten alle Krankheitstage, auch jene unter drei Tagen, für die keine Krankmeldung vom Arzt vorliegen muss. Andere Statistiken wie etwa vom Statistischen Bundesamt oder den Krankenkassen, erfassen nur Erkrankungen ab drei Tagen, für die ein Attest benötigt wird. So lassen sich die Angaben schwer vergleichen.

Insgesamt geht der Trend in Deutschland seit einem historischen Tiefstand 2007 ebenfalls zu mehr Krankschreibungen. Durchschnittlich fehlten Arbeitnehmer:innen in Deutschland im Jahr 2020 an 11,2 Tagen – ein beachtlicher Unterschied zur Berliner Verwaltung. „Grundsätzlich ist die Krankheitsquote zu hoch“, heißt es dazu aus der SPD-geleiteten Senatsverwaltung für Finanzen. Es gelte, weiter daran zu arbeiten.

Bei Polizei und Feuerwehr sind Krankheitsstände besonders hoch

Blickt man auf die einzelnen Ressorts der Berliner Hauptverwaltung, zeigt sich: Längst sind nicht alle Mitarbeiter:innen gleich oft und lange krank. In der Senatsverwaltung für Inneres sind die Beschäftigten mit Abstand am häufigsten krank, das Ressort hat die niedrigste Gesundheitsquote. In der Senatskanzlei und im Ressort Kultur gibt es hohe Gesundheitsquoten.

So gesund sind die einzelnen Senatsverwaltungen
Die Grafik zeigt die Gesundheitsquote je Ressort der Hauptverwaltung. Umso höher die Zahl, umso seltener waren die Mitarbeiter:innen krank.
Daten: Senatsverwaltung für Finanzen

Eine mögliche Erklärung für diese großen Unterschiede könnte bei den Behörden liegen, die den Verwaltungen zugeordnet sind. Zur Senatsverwaltung des Inneren etwa gehören Polizei und Feuerwehr, wo die Krankheitsstände besonders hoch sind. Bei den Justizvollzugsanstalten ist die Gesundheitsquote mit 85,5 Prozent niedrig, der besten Gesundheit erfreut man sich im Verfassungsgerichtshof mit 99 Prozent.

Die Senatskanzlei für Finanzen begründet die unterdurchschnittliche Gesundheitsquoten in einzelnen Ressorts mit der erhöhten psychischen und physischen Belastung bestimmter Berufsgruppen. Bei Polizei, Feuerwehr und Justizvollzugsanstalten handele es sich um „gefährdungsgeneigte Bereiche“, so der Pressesprecher der Senatsverwaltung, Alexis Demos.

Nicht nur die Behörde, auch der Status der Mitarbeiter:innen spielt eine Rolle: Verbeamtete sind deutlich häufiger krank als Angestellte. Die kommen auf 32,0 durchschnittliche Krankheitstage in 2020, verbeamtete Beschäftigte auf ganze 10,5 Tage mehr.

Angestellte sind seltener krank als Beamte
Die Grafik zeigt die absolute Zahl an Krankenkalendertagen im Jahr 2020, sortiert nach Anstellungsstatus.
Daten: Senatsverwaltung für Finanzen

Auch in den einzelnen Laufbahngruppen gibt es große Unterschiede: Die Zahlen der Krankheitstage im einfachen und mittleren Dienst, für den man kein Studium benötigt, sind deutlich höher als im gehobenen und höheren Dienst. Im einfachen Dienst kommen die Beschäftigten durchschnittlich auf mehr als doppelt so viele Krankheitstage als im höheren Dienst. In Berlin gehören etwa Justizhauptwachtmeister:innen dem einfachen Dienst an – im Justizvollzug gibt es bekanntlich die niedrigste Gesundheitsquote.

Besonders in den Bezirken hat die Gesundheit der Verwaltungsmitarbeiter:innen abgenommen. Einige Bezirke scheinen dabei häufiger krank als andere, wenn man auf die Zahl der Krankentage pro beschäftige Person schaut.

So krank sind die Verwaltungen der Bezirke
Die Karte zeigt die durchschnittlichen Krankentage pro beschäftigter Person im Jahr 2020 in den einzelnen Bezirksverwaltungen.
Daten: Senatsverwaltung für Finanzen

Mit 45,5 Krankentagen pro beschäftige Person ist Mitte das Schlusslicht. Am gesündesten sind die Beschäftigten in den Spandauer Behörden - mit durchschnittlich 36,1 Krankentagen pro beschäftigter Person und 90,1 Prozent Gesundheitsquote.

In den Bezirken stechen bestimmte Ressorts durch viele Fehltage hervor. Besonders in der Parkraumbewirtschaftung fallen viele Mitarbeiter:innen krankheitsbedingt aus – in Charlottenburg-Wilmersdorf sind es in diesem Ressort 106 Krankentage pro beschäftigter Person. In den anderen Bezirken mit Parkraumbewirtschaftung sind es zwischen 66 und 70, außer in Tempelhof-Schöneberg. Dort sind es in der Parkraumbewirtschaftung nur 42. Das entspricht dem Durchschnitt der Krankentage pro beschäftigter Person in allen Bezirksverwaltungen insgesamt.

Alter und Geschlecht spielen eine Rolle bei Krankentagen

Natürlich sind die Zahlen zu Krankentagen isoliert nur bedingt aussagekräftig. Denn dass die in den Bezirken so unterschiedlich hoch sind, kann verschiedene Gründe haben. Generell sind ältere Menschen öfter krank als jüngere. Frauen sind etwas häufiger krankgeschrieben als Männer. Einzelne Mitarbeiter:innen können schwer und lange erkranken und statistische Ausreißer verursachen. Beschäftigte in Mitte könnten also einfach durchschnittlich älter sein als die in Spandau. Trotzdem bedeuten überdurchschnittlich hohe Fehlzeiten, dass eine Verwaltung nicht wie geplant arbeiten kann.

Krankentage nach Geschlecht und Alter im Vergleich
Die Grafik zeigt Krankentage pro beschäftigte Person im Jahr 2020, sortiert nach Geschlecht und Alter.
Daten: Senatsverwaltung für Finanzen

Immerhin: Im Jahr der Corona-Pandemie ist die Zahl der Kurzzeiterkrankungen in der Berliner Verwaltung deutlich zurückgegangen. In der Kategorie „eins bis drei Kalendertage“ wurden 73.720 Fälle weniger registriert als 2019, also nur 270.276 Krankheitsfälle. Das ist ein Rückgang um 21,4 Prozent und entspricht etwa dem deutschlandweiten Trend im Pandemiejahr.

Kurzzeiterkrankungen nahmen ab
Die Grafik zeigt die Zahl der absoluten Krankheitsfälle je Erkrankungsdauer im Jahr 2020 und 2019.
Daten: Senatsverwaltung für Finanzen

Bei Langzeiterkrankungen ist das Gegenteil der Fall. In der Berliner Verwaltung sind diese 2020 abermals angestiegen – teilweise drastisch. In der Kategorie „366 bis 546 Kalendertage“ gab es 185 Krankheitsfälle mehr, ein Zuwachs von 13,6 Prozent.

Langzeiterkrankungen nahmen zu
Die Grafik zeigt die Zahl der absoluten Krankheitsfälle je Erkrankungsdauer im Jahr 2020 und 2019.
Daten: Senatsverwaltung für Finanzen

Diese Entwicklung entspricht dem bundesweiten Trend, den die Krankenkasse DAK ermittelt hat. Vor allem psychische Erkrankungen erreichten 2020 einen neuen Höchststand.

In Berlin ist das Problem bekannt. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hatte bereits vor Jahren angekündigt, die Dauer der Langzeiterkrankungen senken zu wollen – bisher ohne Erfolg. Insbesondere ältere Beschäftigte sind von Langzeiterkrankungen betroffen. Analysen über mögliche Faktoren dieser Entwicklungen liegen bislang nicht vor, heißt es aus der Senatsverwaltung.

So ist im Jahr 2020 nur dank der Pandemie der Krankenstand in den Berliner Behörden gesunken. Ohne den Rückgang der Kurzzeiterkrankungen wäre er wohl angestiegen. Die Hygiene- und Abstandsregeln 2020 haben wahrscheinlich nur eine kleine Verschnaufpause gebracht – mit der Gesundheit der Berliner Verwaltung könnte es weiter bergab gehen.

Die Autorinnen und Autoren

Inga Barthels
Text & Recherche
Eric Beltermann
Webentwicklung
Tamara Flemisch
Webentwicklung
Helena Wittlich
Koordination
Veröffentlicht am 13. Oktober 2021.