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Szenarien Biden vs. Trump

Die 20 wichtigsten Fragen zur US-Wahl

Über 200 Jahre sind die USA bereits eine Demokratie, so lange wie kaum eine moderne Demokratie. Im Wahlkampf wird die demokratische Tradition normalerweise ausgiebig zur Schau getragen, die uralten Rituale des Wahlsystems stolz zelebriert. Doch diesmal stellt Donald Trump selbst Grundregeln infrage. Deshalb bereitet sich das Land auf eine Zitterpartie vor. So schwerwiegend die Folgen des politischen Chaos nach der Wahl werden könnten, so schwer ist es, da einen Überblick zu behalten. Wir geben deshalb kompakt Antwort auf die 20 wichtigsten Fragen in diesem Wahlkampf.

Durch Klick auf einzelne Gliederungspunkte gelangen Sie direkt zur jeweiligen Antwort:

1. Wie wird man Präsident?

Der Wahlkampf läuft eigentlich schon seit mehr als einem Jahr: Schon 2016 begann der Auswahlprozess für die Kandidaten der beiden großen Parteien. In einem mehrstufigen Verfahren, in den „Primaries“, den Vorwahlen, sind Politiker und Politikerinnen der Demokraten und Republikaner im Ringen um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten gegeneinander angetreten. Gesiegt haben Joe Biden und Donald Trump, die dann auf Parteitagen in diesem Sommer bestätigt wurden. Kamala Harris, die als Joe Bidens Vizepräsidentschaftskandidatin antritt, war auch schon unter den Kandidatinnen der demokratischen Vorwahl, hatte aber vorzeitig aufgegeben.

Die Präsidentschaftswahl am 3. November gewinnt nun derjenige Kandidat, der die Mehrheit im Gremium der Wahlmänner und -frauen gewinnt, im „electoral college“. Eigentlich wird also am Wahltag nicht direkt der Präsident gewählt, sondern die Zusammensetzung des „electoral college“ bestimmt. Wie genau das System funktioniert, finden Sie in unserem ausführlichen Erklärartikel zum US-Wahlsystem:

Das electoral college umfasst 538 Personen. Es tritt nur zusammen, um den Präsidenten zu bestimmen. Je nach Bevölkerungsdichte entsenden die Bundesstaaten unterschiedlich große Gruppen in dieses Gremium, Kalifornien entsendet mit 55 Personen die meisten, viele dünner besiedelte, ländlich geprägte oder kleine Staaten nur drei. Der Präsidentschaftskandidat, der einen Bundesstaat gewinnt, erhält nach dem „Winner takes all“-Prinzip jeweils die Stimmen aller Wahlleute, die ein Bundesstaat entsendet. Bei 270 Wahlleuten ist die Mehrheit erreicht. Am Wahlabend wird also vor allem geschaut:

Wer gewinnt welchen Bundesstaat und wer hat als erstes 270 Stimmen zusammen? Dieses Mehrheitswahlrecht hat zur Folge, dass nicht immer der Kandidat mit den meisten Wählerstimmen gewinnt. Hillary Clinton zum Beispiel gewann 2016 in bevölkerungsreichen Staaten, sie verlor in zahlreichen Staaten aber auch ganz knapp gegen Donald Trump. In diesen vielen knappen Staaten bekam Trump dann alle Stimmen der Wahlleute. Das System steht deshalb schon lange in der Kritik. Zwei Staaten machen es deshalb anders: In Maine und Nebraska werden die Stimmen der Wahlleute proportional nach den erlangten Wählerstimmen aufgeteilt.

2. Wer sind die Wahlmänner und -frauen?

Artikel 2 der amerikanischen Verfassung besagt, dass jeder Bundesstaat selbst bestimmen kann, in welchem Verfahren er seine Wahlmänner benennt. Demokraten und Republikaner in jedem Bundesstaat entscheiden schon im Sommer vor der Wahl auf Landesparteitagen oder in eigenen Parteigremien, wen sie als Wahlleute ernennen. In manchen Staaten gibt es noch einmal Vorwahlen, in anderen werden die Wahlleute einfach von den Parteigremien bestimmt.

Jede Partei ernennt so viele Wahlleute, wie es maximal in dem Staat zu gewinnen gibt. Im Falle eines Sieges geben dann alle Wahlleute ihre Stimme für ihren Präsidentschaftskandidaten ab. In Einzelfällen ist es schon dazu gekommen, dass Wahlleute nicht für den Kandidaten der Partei gestimmt haben, von der sie nominiert worden sind – das ist aber selten und hat noch nie eine Wahl entschieden.

3. Welche Staaten sind bei dieser Wahl besonders wichtig?

Von den 50 Staaten (plus Washington D.C., das nicht als Staat zählt, aber drei Wahlleute stellt) sind mindestens 35 fest in der Hand einer Partei. Nur rund 15 wechseln gelegentlich das Lager und gelten deshalb als „Battleground States“ oder „Swing States“, Staaten die von Wahl zu Wahl die Farbe wechseln und deshalb besonders umkämpft sind.

Florida, Pennsylvania, Michigan, Ohio, Wisconsin und North Carolina gelten als klassische „Swing States“. Neu dabei in diesem Jahr ist Arizona. In diesem Staat zeigen sich Veränderungen in der Sozialstruktur der USA insgesamt jetzt schon besonders: Hier leben besonders viele Menschen mit lateinamerikanischem Migrationshintergrund (Amerikanisch: Hispanics). Diese Gruppe wächst – und wählt eher demokratisch, weshalb der ehemals fest republikanische Wüstenstaat nun „blau“ werden könnte. Dasselbe gilt, wenn auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit, für Texas.

Interessant sind vor allem auch die „blue wall“-Staaten, die blaue Wand im nördlichen mittleren Westen: Wisconsin, Michigan und Pennsylvania. Sie war bei sechs Präsidentschaftswahlen hintereinander demokratisch – bis 2016, als Trump sie völlig überraschend gewann. Im Moment liegt Biden in allen drei Staaten recht deutlich vorn, trotzdem haben sie in diesem Jahr besondere Aufmerksamkeit.

4. Gibt es neben Trump und Biden noch andere Kandidaten und welche Rolle spielen sie?

Ja, es gibt einige sogenannte „third party candidates“, die im Prinzip komplett chancenlos sind. Aber: Sie können den Kandidaten der großen Parteien empfindliche Schläge versetzen, indem sie Stimmen für sich gewinnen.

2016 entspann sich eine Diskussion darüber, ob die damalige Kandidatin der Grünen Partei, Jill Stein, Hillary Clinton die Wahl vermasselt habe. In Pennsylvania hatte Stein einige tausend Stimmen geholt, Clinton verlor diesen Swing State knapp. Kandidaten von Drittparteien können also durchaus das Wahlergebnis beeinflussen, Chancen dazu haben in diesem Jahr der Kandidat der Libertären Partei, Jo Jorgensen, und der Kandidat der Grünen Partei, Howie Hawkins. Prominentestes Beispiel eines Kandidaten einer Drittpartei ist wohl der Rapper Kanye West, der allerdings nur in wenigen Staaten auf dem Wahlzettel steht.

5. Warum wird am 3. November gewählt?

Der Wahltermin steht genau in der Verfassung: Am ersten Dienstag nach dem ersten Montag im November wählen die Amerikaner traditionell ihren Präsidenten – seit 175 Jahren. Der Kongress hatte 1845 diesen Termin für die Wahl der Wahlmänner der damals aus 28 Bundesstaaten bestehenden Vereinigten Staaten festgelegt.

Zuvor hatten die Staaten eine gewisse Flexibilität bei der Festlegung ihres Wahltermins. Mit dem Ausbau der Infrastruktur wuchs die Sorge, dass die Ergebnisse in einem Staat die eines anderen beeinflussen könnten. Also sollte einheitlich gewählt werden. Der November wurde ausgesucht, weil die Farmer dann bereits ihre Ernte eingeholt hatten, der harte Winter, der Wähler davon abhalten könnte, sich zu ihrem Wahllokal aufzumachen, in der Regel aber noch bevorstand. Dass an einem Werktag gewählt wird, unterscheidet die USA von den meisten anderen Ländern. Die Gesetzgeber nahmen damals Rücksicht auf die religiösen Amerikaner, die am Sonntag in die Kirche gehen. Der Montag wurde ausgeschlossen, weil er als Anreisetag in die manchmal weiter entfernte Bezirkshauptstadt galt, wo damals noch abgestimmt werden musste.

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Der Donnerstag kam nicht in Frage, weil da traditionell die Briten ihr Parlament wählten, und der Freitag, weil da stets die Vorbereitungen für den Markttag am Samstag stattfanden. Es wurde dann der Dienstag nach dem ersten Montag im November, denn der Wahltag durfte auch nicht auf den ersten Tag eines Monats fallen, da hier an vielen Orten Gericht gehalten wurde. Außerdem ist am 1. November das Kirchenfest Allerheiligen.

Seit 1872 wählen die Amerikaner auch das Repräsentantenhaus an diesem Tag, und seit 1915 auch den Senat. Das heißt, dass alle zwei Jahre am ersten Dienstag nach dem ersten Montag in November eine wichtige Wahl stattfindet, denn die Kongressabgeordneten werden zwei Jahre neu gewählt, genauso wie ein Drittel der Senatoren.

6. Wann schließen die Wahllokale?

Mit ersten Ergebnissen kann nach 1 Uhr mitteleuropäischer Zeit gerechnet werden, die Staaten im Osten der USA schließen zu dieser Zeit ihre Wahllokale. Darunter ist auch auch der für die Wahl extrem wichtige Swing State Florida. North Carolina schließt gegen 1:30 Uhr unserer Zeit die Wahllokale. Als letztes schließt Alaska gegen sechs Uhr morgens am Mittwoch. Zu diesem Zeitpunkt dürfte man bereits eine erste Ahnung davon haben, in welche Richtung sich die Wahl bewegt – auch wenn natürlich so lang abgewartet werden muss, bis die massenhaft eingesandten Briefwahlstimmen ausgezählt sind.

Die vollständige Auszählung der Briefwahlstimmen kann sich in einige Tage oder sogar Wochen hinziehen. Denkbar ist auch eine nachträgliche „blaue Welle“ – denn unter den Briefwählern sind in der Regel mehr demokratische Wähler als republikanische. Da Joe Biden mittlerweile recht deutlich vorn liegt, ist es aber derzeit nicht sehr wahrscheinlich, dass die langsamer ausgezählten Briefwahlstimmen die ersten Ergebnisse noch einmal drehen, sondern eher bestätigen.

7. Wer darf überhaupt wählen und wie funktioniert die Wählerregistrierung?

Wählen dürfen alle US-Bürger, die älter als 18 Jahre sind und keine Vorstrafen aufweisen, insgesamt etwa 200 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner. In manchen Staaten gibt es eine Ausnahmeregelung, hier darf man schon ab 17 wählen. Grundsätzlich muss man sich aber in fast allen Staaten für die Wahl registrieren. Das System der Wahlregistrierung ist etwas komplizierter, da es in den USA – anders als in Deutschland – keine Meldepflicht und keine Einwohnermeldeämter gibt. Wie man sich registrieren kann, ist in den Bundesstaaten unterschiedlich geregelt, ebenso wie die Fristen dafür. In den meisten Bundesstaaten kann man sich online für die Wahl registrieren.

8. Wie hoch ist die Wahlbeteiligung in den USA?

Für 2020 kann man das natürlich noch nicht sagen, aber: Die Wahlbeteiligung könnte diesmal ungewöhnlich hoch ausfallen – und sogar Rekorde brechen. Erste Anzeichen dafür sind die langen Schlangen vor den Wahllokalen und die in vielen Millionen angeforderten Briefwahlunterlagen. Viele Millionen Amerikaner werden bereits vor dem 3. November ihre Stimme abgegeben haben. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Wahlbeteiligung in den Vereinigten Staaten selten vielmehr als 60 Prozent beträgt, seit 1980 lag sie in den Vereinigten Staaten im Schnitt bei etwa 63 Prozent (in Deutschland lag sie im gleichen Zeitraum bei etwa 80 Prozent). Bei der letzten Wahl gaben 137,5 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner ihre Stimmen ab, das ergab eine Wahlbeteiligung von etwa 60 Prozent.

9. Welche Rolle spielt die Briefwahl in diesem Jahr?

Die Coronapandemie stellt auch den Wahlkampf völlig auf den Kopf. Gerade ältere Wähler, aber auch viele andere wollen vermeiden, sich am Wahltag ins Gedränge zu begeben. Dafür gibt es die Möglichkeit, entweder per Post oder persönlich vorab zu wählen – und die Anzahl derjenigen, die ihre Stimme schon per Post abgegeben haben, ist rekordverdächtig hoch. 80 Millionen Amerikaner, so die Schätzungen, wollen in diesem Jahr per Briefwahl abstimmen. Das wären doppelt so viele wie 2016, als 33 Millionen oder fast jeder Vierte dies nutzte. Umfragen zufolge sind das allerdings mit deutlichem Abstand Anhänger der Demokraten, die die Pandemie auch ernster nehmen als die Republikaner.

Die schiere Zahl der Briefwähler ist eine riesige Herausforderung für die Organisatoren, aber auch für die Post. Wahlunterlagen müssen rechtzeitig verschickt werden, damit sie fristgerecht ausgefüllt wieder zurückkommen. Klappt das nicht, könnten Millionen Stimmen nicht gezählt werden. Dazu kommt, dass in vielen Staaten die Briefwahlstimmen erst nach den am Wahltag abgegebenen Stimmen ausgezählt werden. In Swing States, wo es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen kommen kann, muss daher damit gerechnet werden, dass ein Sieger erst Tage oder gar Wochen nach dem 3. November feststeht.

10. Warum macht Trump Stimmung gegen die Briefwahl?

Grundsätzlich muss man hier zwischen dem „Absentee Voting“ und dem „Mail-In-Voting“ unterscheiden. „Absentee Voting“ erlaubt Wählern seit mehr als 150 Jahren, aus der Ferne zu wählen – das ist zum Beispiel für ältere Menschen in Pflegeheimen oder Soldaten im Ausland wichtig. Auch Donald Trump hat 2020 per Post gewählt, weil er nicht in seinem registrierten Heimatstaat Florida, sondern in Washington DC wohnt.

Bei seiner Kritik bezieht sich der Präsident daher auf das „Mail-In Voting“, das alle Wähler nutzen können, die nicht persönlich zum Wahllokal gehen wollen. In der Regel werden die Unterlagen den Wählern unaufgefordert zugestellt. Wahr ist, dass eine Briefwahl dieses Ausmaßes ein Novum ist. Vor der Pandemie haben überhaupt nur drei Bundesstaaten schon einmal bei einer nationalen Wahl allen Wahlberechtigten die Stimmzettel automatisch zugeschickt. Dieses Mal wollen das deutlich mehr machen, und weitere Staaten bieten zumindest an, dass die Unterlagen beantragt werden können.

Trump behauptet seit Monaten, dieses Vorgehen sei besonders betrugsanfällig. So sagte er wörtlich: „Es ist unmöglich, eine Briefwahl ohne massiven Betrug durchzuführen.“ Er lässt sich von dieser These auch nicht dadurch abhalten, dass nicht nur Experten, sondern auch Behörden das anders sehen. Belege dafür, dass diese Art der Briefwahl Betrug in großem Ausmaß ermöglicht, gibt es nicht. Daher stellt sich die Frage nach der Motivation des Präsidenten, die Briefwahl per se infrage zu stellen.

Kritiker sagen, Trump wolle – in Erwartung seiner Niederlage – schon jetzt Zweifel am Wahlergebnis schüren. Immer wieder sagt er öffentlich, dass er nur durch Betrug verlieren könne. Da wohl vor allem Demokraten per Briefwahl abstimmen werden, wirkt Trumps Vorgehen durchsichtig. In gleich mehreren Staaten geht er mit seinen Leuten juristisch gegen die Ausweitung der Briefwahl vor, mit der die Bundesstaaten eine sichere Wahl gewährleisten wollen. Bisher verliert das Trump-Team dabei meist.

11. Was, wenn Trump im Falle einer Niederlage die Wahl nicht anerkennt?

Beide Kandidaten, vor allem aber der Amtsinhaber, könnten bei einer Niederlage juristisch gegen das Ergebnis vorgehen. Trump weigert sich bisher, öffentlich zu sagen, dass er im Fall einer Niederlage einen friedlichen Machtwechsel akzeptieren würde. Juristisch könnte die Auseinandersetzung, wie schon bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2000, letztlich vor dem Supreme Court landen. Damals entschied der Supreme Court einen Streit um das Ergebnis in dem entscheidenden Staat Florida zwischen George W. Bush und Al Gore zugunsten von Bush – und damit die Wahl. Gore erkannte das Urteil an.

Das ist auch der Grund, warum Trump so viel Druck macht, den nach dem Tod der liberalen Obersten Richterin Ruth Bader Ginsburg freigewordenen Sitz im Supreme Court noch vor der Wahl neu zu besetzen – natürlich mit einer konservativen Richterin, die im Zweifel bei einer juristischen Entscheidung den Ausschlag geben könnte. Sollte Trumps Kandidatin Amy Coney Barrett wie geplant noch im Oktober vom Senat bestätigt werden, hat das konservative Lager im Supreme Court eine Mehrheit von sechs zu drei Stimmen.

Beobachter fürchten zudem, dass Trump bei einer Niederlage versucht, die Wahlbehörden in bestimmten Bundesstaaten unter Druck zu setzen. Er könnte darauf dringen, dass Stimmzettel beschlagnahmt werden, und er könnte seine – häufig bewaffneten – Anhänger zum Widerstand aufrufen. Bricht Gewalt aus, auch weil es in diesen Fällen bestimmt zu massiven Gegenprotesten kommen wird, könnte er die Nationalgarde mobilisieren. Dann droht Chaos.

12. Am 3. November stehen auch einige Senatoren zur Wiederwahl. Ist das wichtig?

Vor lauter Donald Trump gerät ein wenig aus dem Blick, dass am 3. November nicht nur ein neuer Präsident gewählt wird, sondern auch Wahlen zum Repräsentantenhaus und zum Senat stattfinden. Das ist nicht minder wichtig. Gerade die Wahl zum Senat ist entscheidend dafür, wie Amerika in den nächsten Jahren regiert wird – besonders für den Fall, das Trump noch einmal gewinnt. Denn derzeit stützt sich der Präsident auf eine republikanische Senatsmehrheit, die viele seiner Entscheidung mitträgt– und ihn zum Beispiel vor dem Impeachment-Verfahren bewahrt hat, das das seit 2018 mehrheitlich demokratische Abgeordnetenhaus in die Wege geleitet hatte.

13. Wer wird die Mehrheit im Senat gewinnen?

Derzeit halten die Republikaner 53 der 100 Senatssitze, die Demokraten 45, zwei Sitze sind mit unabhängigen Kandidaten besetzt. Der Vizepräsident hat die 101. Stimme im Senat. Die Demokraten müssten also netto drei Sitze hinzugewinnen, um die Mehrheit zu haben, wenn Joe Biden gewinnt und seine Vizepräsidentin Kamala Harris im Senat mitstimmt. Sollte Trump gewinnen, müssten die Demokraten netto vier für eine Mehrheit hinzugewinnen.

35 Sitze werden am 3. November neu besetzt. Laut dem unabhängigen „Cook-Report“ ist derzeit das Rennen in sechs von diesen 35 Senatssitzen noch nicht entschieden („toss-ups“). Das heißt, die Umfragen zeigen, dass beide Parteien noch eine Chance haben, diese Sitze zu gewinnen. Die Seite „Real Clear Politics“ wertet sieben als „toss-up“. Noch sind diese Sitze überwiegend in republikanischer Hand.

Spannend und aussichtsreich für die Demokraten könnte es vor allem in North Carolina, Maine, Iowa, Colorado und Arizona werden, wo republikanische Senatoren und Senatorinnen hinter ihre Herausforderer von den Demokraten zurückzufallen drohen. Alle diese republikanischen Kandidaten stehen vor ähnlichen Aufgaben: Um zu gewinnen, müssen sie sich die wenigen Wechselwähler und die moderate Mitte sichern und gleichzeitig die Trump-Basis nicht verschrecken. Viele sehen sich mit wachsendem Unmut über das Management der Coronapandemie konfrontiert.

14. Was passiert am Wahltag und in der Wahlnacht?

Der Wahlabend ist vor allem ein Fernsehevent. Die großen Sender wie CNN nehmen die Ergebnisse aus den einzelnen Bundesstaaten auf und zählen mit, welcher Kandidat wie viele Wahlmänner hat. Wer zuerst über 270 Wahlmänner kommt, wird von den Fernsehsendern als Sieger ausgerufen. 2016 stand gegen 2:30 Uhr amerikanischer Ostküstenzeit fest, dass Donald Trump gewonnen hatte – als mit den Ergebnissen aus Wisconsin 270 Wahlleute erreicht waren.

Ein festes Ritual der amerikanischen politischen Kultur ist es, dass daraufhin der unterlegene Kandidat seine Niederlage förmlich und öffentlich ausspricht und dem Sieger gratuliert, in der Regel in einer „concession speech“. Hillary Clinton gratulierte Donald Trump vor vier Jahren telefonisch noch in den frühen Morgenstunden. Ihre „concession speech“ hielt sie erst am Vormittag des 9. November amerikanischer Zeit – schon für diese „späte“ Rede wurde sie kritisiert.

Viele amerikanische Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass Donald Trump nie eine Niederlage eingesteht, sollte er die Wahl verlieren. Es wird erwartet und befürchtet, dass er am Wahltag selbst seine Anhänger aufrufen könnte, die Wahl zu stören. In den USA dürfen registrierte „poll watcher“ (Wahlbeobachter) der Parteien die Wahlen beaufsichtigen. Gerade republikanische Aktivisten aber haben das in der Vergangenheit häufig in einer Weise getan, die Wähler abschrecken sollte. Denn eine niedrige Wahlbeteiligung ist immer gut für die Republikaner. Trump hat im Fernsehduell zum „poll watching“ aufgerufen, sein Wahlkampfteam mobilisiert mit der Aktion „Army for Trump“.

Wie Trump reagieren wird, wenn er die Wahl verliert, ob er womöglich seine Anhänger zu Widerstand aufruft, es sogar zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt, ist völlig offen. Spekulationen über einen „Bürgerkrieg“ halten die meisten Beobachter für massiv übertrieben. Dass es ein normaler Wahltag und -abend ohne Störfeuer wird, gilt aber auch als wenig wahrscheinlich.

15. Wann wird der Sieger feststehen?

Im Jahr 2000 wurde die Wahl nicht am Wahlabend, sondern erst 36 Tage nach einem Rechtsstreit über den entscheidenden Staat Florida vom Supreme Court entschieden: Zugunsten von George W. Bush. Viele Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass es auch dieses Mal zu Anfechtungen der Wahl in einem oder mehreren Bundesstaaten kommen wird und die Wahl erst später vor Gericht entschieden wird.

Möglich ist auch, dass es durch die vielen Briefwahlstimmen zu Verzögerungen kommt. Da Joe Biden aber mittlerweile in vielen Staaten deutlich vorn liegt, könnte der Sieger doch schon am Wahlabend feststehen – oder sich zumindest klar herauskristallisieren.

Grundsätzlich gilt: Je eindeutiger das Ergebnis, desto schneller steht der Sieger fest, desto geringer die Zweifel. Viele hoffen auf einen großen Vorsprung Bidens für eine schnelle Klärung.

16. Wann wird der neue Präsident sein Amt antreten?

Die Amtszeit von Donald Trump endet, sollte er nicht wiedergewählt werden, am 20. Januar um 12 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt wird der neue (oder alte) Präsident auf der Westseite des Kapitols in Washington vom Obersten Richter des Supreme Court feierlich ins Amt eingeführt.

17. Was passiert zwischen der Wahl und der Amtseinführung des neuen Präsidenten?

Diese Phase scheint erstmal unspektakulär und ist doch wichtig. Immer am ersten Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember, dieses Jahr am 14. Dezember, treffen sie sich die gewählten Wahlleute in den jeweiligen Bundesstaaten, um mit ihren Stimmen den Präsidenten der USA zu wählen. Alle Stimmzettel der Wahlleute aus den 50 Bundesstaaten und dem District of Columbia werden an den Präsidenten des US-Senats gesendet. Am 6. Januar treffen sich Repräsentantenhaus und Senat zur gemeinsamen Auszählung im Kongress, der im berühmten Kapitol in Washington D.C. tagt. Der Zeitraum bis zur Amtseinführung des Präsidenten ist auch die Phase der sogenannten „peaceful transition of power“, also die friedliche Übergabe der Macht an den Nachfolger (sollte es Biden werden).

In dieser Zeit gilt der amtierende aber unter Umständen scheidende Präsident als sogenannte „lame duck“, also lahme Ente, da er im Prinzip nichts mehr entscheiden kann. Wie so oft gibt es in der Ära Trump aber auch hier Besonderheiten: Obwohl er wiederholt von Journalisten danach befragt wurde, wollte sich Trump nicht zu einer friedvollen Übergabe der Macht an einen möglichen Nachfolger Joe Biden bekennen. Was passiert, wenn Trump die Wahl verliert, ist also offen. Zudem: Trump hat im Zuge des umstrittenen Ernennungsprozesses von Amy Coney Barrett zur Supreme-Court-Richterin deutlich gemacht, dass für ihn die Präsidentschaft nach der Wahl nicht vorbei ist. „Ich bin nicht für drei, sondern für vier Jahre gewählt“, sagte Trump.

18. Welche Rolle spielt der Supreme Court bei einem unklaren Wahlausgang?

Sollte die Wahl vor Gericht angefochten werden, sind zunächst einmal die Gerichte der Bundesstaaten zuständig – denn sie organisieren und verantworten den korrekten Ablauf der Wahl und sind für viele (anfechtbare) Bestimmungen zuständig, etwa bei der Wählerregistrierung, der Briefwahl, für Wahlcomputer und die Auszählung. Im Jahr 2000 landete die Wahl – wie beschrieben – trotzdem vor dem Supreme Court der Vereinigten Staaten, und zwar, weil auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung geklagt wurde. Auch dieses Verfahren begann vor Gerichten in Florida, wurde aber bis vor den Supreme Court getragen.

Das Gericht verhinderte, dass die Stimmen in Teilen des wahlentscheidenden Bundesstaates Florida neu ausgezählt wurden. Interessant dabei: Während der ersten Neuauszählung hatten sich die Stimmanteile zugunsten von Al Gore bewegt, Bush lag allerdings immer noch vorne. Erst als Al Gore dann in vier weiteren Landkreisen nochmals neu auszählen lassen wollte, erklärt der Supreme Court dies für verfassungswidrig. Bush wurde dadurch Präsident und Kritiker mutmaßten, dass der Supreme Court ihm dabei maßgeblich geholfen habe. Denn: Die konservative Mehrheit der Richter stimmte für, die liberalen Richter gegen das Urteil.

Spannend ist dieser Fakt vor allem deshalb, weil Trump erneut für eine Mehrheit im Supreme Court gesorgt hat. Vor zwei Jahren schon setzte er den umstrittenen republikanischen Richter Brett Kavanaugh ein. Nach dem Tod der liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg will er nun noch vor der Wahl die konservative Amy Coney Barrett einsetzen. Von neun Richtern wären dann nur noch drei dem demokratischen Flügel und sechs dem republikanischen Flügel zuzuordnen. Sollte es zu einem ähnlich knappen und unklaren Wahlausgang kommen wie 2000, hätte Trump nun wie Bush damals also einen Joker in der Hinterhand. Wie die Richter in einem Fall wie Florida heute entscheiden würden, ist allerdings völlig offen.

19. Wie ist der letzte Stand der Umfragen?

Stand jetzt führt Joe Biden in den landesweiten Umfragen mit einigen Prozentpunkten vor Donald Trump. Im Schnitt der Swing States liegt Biden 4,5 Prozentpunkte vorn. Auch in wichtigen Swing States wie Pennsylvania und Wisconsin führt Biden klar. Gerade am vergangenen Freitag allerdings näherten sich die Umfragewerte – wenn auch nur sehr leicht – wieder etwas an. Es spricht vieles für einen Sieg Bidens, sicher ist aber auch: Die Wahl ist noch nicht entschieden.

20. Kann die Wahl noch verschoben werden?

Spekulationen darüber, ob Trump die Wahl verschiebt, weil er sich davon einen Vorteil verspricht, zirkulieren schon seit Monaten. Über die Briefwahl schimpft er ja schon lange, auch seine Corona-Erkrankung hat wieder Spekulationen ausgelöst. Die Hürden dafür sind allerdings sehr hoch, denn die Verfassung der Vereinigten Staaten ist hier sehr klar. Der Kongress legt den bekannten Wahltermin fest. Den Kongress wiederum wird Trump nicht überzeugen können, denn dazu gehört auch das von den Demokraten dominierte Repräsentantenhaus. Im extremsten Fall könnte Trump in den Bundesstaaten den Notstand ausrufen und die Wahl theoretisch nur den Wahlmännern übertragen. Diese würden dann von den Bundesstaaten bestimmt und nicht von den Bürgern gewählt – was sehr wahrscheinlich massive soziale Unruhen zur Folge hätte.

Insgesamt 538 Wahlleute gibt es in allen Bundesstaaten zusammen. Der Gewinner muss mehr als die Hälfte davon bekommen. Also brauchen Trump und Biden mindestens 270 Stimmen, um zu gewinnen. Das System der Wahlleute ist übrigens ein Kompromiss. Die Mitglieder des Verfassungskonvent im Jahr 1787 konnten sich nicht einigen, ob das Volk das Staatsoberhaupt direkt wählen sollte oder ob dem Parlament diese Aufgabe zusteht.

In einigen Bundesstaaten steht aufgrund von Umfragen und einer gewissen Wahltradition schon lange vor der Wahl fest, ob Demokraten oder Republikaner die Mehrheit der Stimmen bekommen. In den Swing States ist das unklar. Dort entscheidet sich oft erst am Wahlabend, wer gewinnt. Zwölf Staaten zeigten sich in den vergangenen Wahlen besonders wechselhaft, darunter auch Pennsylvania, Iowa oder Wisconsin. Hier entscheidet sich oft erst spät am Wahlabend, wer die Mehrheit für sich gewinnen konnte. Gerade durch die Briefwahl könnte sich das aber noch länger hinziehen.

Die Autoren

Katrin Schuber
Gestaltungskonzeption & Infografik
Felix Möller
Illustration
Anna Sauerbrey
Text & Recherche
Juliane Schäuble
Text & Recherche
Tilman Schröter
Text & Recherche
Christopher Stolz
Text & Recherche
Helena Wittlich
Recherche
Veröffentlicht am 22. Oktober 2020.