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Frauentag 2023

Wir müssen über Männer reden

Es geht um Geld und Gesundheit, um Care-Arbeit und Erziehung, um Führung und Verantwortung. Zum Internationalen Frauentag haben wir Politikerinnen, Unternehmerinnen, Forscherinnen, Künstlerinnen und andere prominente Frauen gefragt, was Männer tun müssten, damit mehr Gleichberechtigung herrschen kann.
Es geht um Geld und Gesundheit, um Care-Arbeit und Erziehung, um Führung und Verantwortung. Zum Internationalen Frauentag haben wir Politikerinnen, Unternehmerinnen, Forscherinnen, Künstlerinnen und andere prominente Frauen gefragt, was Männer tun müssten, damit mehr Gleichberechtigung herrschen kann.
Es geht um Geld und Gesundheit, um Care-Arbeit und Erziehung, um Führung und Verantwortung. Zum Internationalen Frauentag haben wir Politikerinnen, Unternehmerinnen, Forscherinnen, Künstlerinnen und andere prominente Frauen gefragt, was Männer tun müssten, damit mehr Gleichberechtigung herrschen kann.

Weltfrauentag, Frauenkampftag, feministischer Kampftag: Seit über 100 Jahren steht der 8. März jeden Jahres im Zeichen weiblicher Emanzipation. 100 Jahre sind lang, wenn man bedenkt, dass Gleichberechtigung sich noch nicht etabliert hat. Weder in Deutschland noch weltweit. Zwar ist es mittlerweile in Deutschland selbstverständlich, dass Frauen ein Kreuz in der Wahlurne machen oder sich über ihren Chef beschweren. Es ist selbstverständlich, dass sie ein eigenes Konto führen oder studieren.

Genug ist es aber nicht. Noch immer bilden Männer gläserne Decken und versperren Frauen den beruflichen Aufstieg. Noch immer verdienen Männer mehr als ihre Kolleginnen. Fürsorge-Arbeit bleibt weiterhin an Frauen hängen. Und selbst in Medizin und Arzneimittelforschung bilden Männerkörper den Standard, Frauen werden und wurden häufig nicht in Studien betrachtet. Und noch immer belästigen Männer Frauen.

300 Jahre sind drei Mal so lang wie 100 Jahre. Aber 300 Jahre soll es dauern, bis Männer und Frauen weltweit gleichgestellt sind, nach Schätzungen der Vereinten Nationen. So viel Zeit haben Frauen und Mädchen nicht. Deswegen hat der Tagesspiegel 18 Politikerinnen, Unternehmerinnen, Forscherinnen, Künstlerinnen und weitere prominente Frauen gefragt, wie Männer ihr Verhalten ändern müssten.

Am Frauentag sollten wir über Männer reden? Klingt komisch? Ist es aber nicht. Denn damit es keine 300 Jahre dauert, um echte Gleichberechtigung zu erreichen, müssen Männer sich bewegen. Und ihr Verhalten ändern.

Inhalt
Teresa Bücker
Männer müssen verstehen, dass Gleichberechtigung anstrengend ist.
Saskia Esken
Mütter und Väter sollen die Eltern­zeit zu gleichen Teilen nutzen
Tijen Onaran
Wir brauchen mehr männliche Role Models
Sigrid Nikutta
Jeder Mann und jede Frau ist ein Vorbild für Kinder
Kristina Hänel
Männer müssen sich mit Schwanger­schaften auseinandersetzen
Gilda Sahebi
Männer müssen anerkennen, dass es ein Problem gibt
Viola Priesemann
Frauen sind in Führungs­positionen eklatant unterrepräsentiert
Veronica Ferres
Die „Rolle der Frau“ von damals wird ganz neu definiert
Lore Maria Peschel-Gutzeit
Erwerbs- und Care-Arbeit gleich­mäßig aufteilen
Nina Hagen
Taucht eure Söhne in Spring­brunnen der Liebe
Katarina Barley
Gemischte Teams sind besser als gleichförmige
Anastasia Biefang
Die männliche Perspektive ist nicht der Maßstab
Mandy Mangler
Das Gesundheits­system ist von Männern für Männer geschaffen
Iris Plöger
Frauen müssen ihre Stärken endlich mal ausspielen
Ekin Deligöz
Lösungen für Probleme, deren Ursachen im System liegen
Fränzi Kühne
Männer müssen ihre Netzwerke für Frauen öffnen
Franziska Giffey
Der Staat muss gute Rahmen­bedingungen für Familien schaffen
Sabine Bendiek
Der Gender Pay Gap ist nicht akzeptabel

Teresa Bücker Autorin und Journalistin, zuletzt erschien „Alle Zeit“ über die knappe Ressource Zeit.

Foto: dpa/picture alliance

Was müssen Männer ändern, damit Mütter nicht die ganze Care-Arbeit übernehmen?

Männer müssen sich endlich darauf einlassen, dass Gleichberechtigung ihnen etwas abverlangt und nicht bequem ist. Emanzipation von alten Rollenbildern ist anstrengend und gelingt nur dann, wenn man sich mit anderen zusammentut. Das heißt konkret: Männer müssen beginnen, viel mehr mit anderen Männern zu sprechen, wie sie leben wollen, was sie verunsichert, wovor sie Angst haben, wenn sie neue Lebensmodelle ausprobieren – und gemeinsam Ideen dafür entwickeln, wie ihr Beitrag für Geschlechtergerechtigkeit gelingen kann. Dazu gehört auch, dass sie beginnen, sich Frauen als Vorbilder zu nehmen und von ihnen lernen zu wollen. Dass Männer sich bislang selten an Frauen orientieren, beruht darauf, dass sie, wenn auch unbewusst, Lebensmodelle oder Verhaltensweisen, die als weiblich gelten, nach wie vor abwerten und für sich ausschließen. Der Emanzipation von Männern steht also auch im Weg, dass sie auf gar keinen Fall „wie Frauen sein“ wollen. Dass Väter aktuell weniger Care-Arbeit übernehmen, liegt nicht daran, dass Mütter diese Dinge besser können, und auch das oft höhere Gehalt von Männern ist im Kern ein vorgeschobener Grund. Männer sollten sich ehrlich fragen, wie sehr sie wirklich wollen. Denn wer wirklich will, findet Wege.

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Saskia Esken SPD-Parteivorsitzende, ausgebildete Informatikerin.

Foto: imago-images

Was müssen Männer ändern, damit im Job eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe möglich wird?

Männer alleine können die Zusammenarbeit der Geschlechter nicht auf Augenhöhe bringen. Das wird uns Feminist*innen nur gemeinsam gelingen. Frauen sind meist anpassungsbereiter und haben einen „leiseren“ Kommunikationsstil als Männer. Für den Erfolg des Teams sind solche kooperativen Verhaltensmuster von Vorteil, die eigene Karriere befördern sie eher nicht. Bei der Zusammenstellung und Führung erfolgreicher Teams sollten kooperative Muster bewusst gestärkt werden. In der SPD helfen dabei quotierte Wahl- und Redelisten, Frauen und Männer kommen dann abwechselnd zum Zug.

Frauen werden nicht nur schlechter bezahlt, sondern auch öfter befristet beschäftigt. Das Potenzial der Mutterschaft bleibt ein Karrierekiller. Wir müssen deshalb politisch bewirken, dass Mütter und Väter die Elternzeit zu gleichen Teilen nutzen und die Familienarbeit partnerschaftlich aufteilen. Sei es die Kinderbetreuung oder Pflege Angehöriger – meistens wuppen Frauen eine Doppelbelastung von Care- und Erwerbsarbeit. Die Verteilung dieser Lasten müssen wir partnerschaftlicher organisieren.

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Tijen Onaran Unternehmerin und Investorin. Mit ihren Unternehmen ACI Consulting und Global Digital Women berät sie Unternehmen in Diversitätsfragen.

Foto: imago images/Future Image

Was müssen Männer ändern, damit mehr Frauen Führungspositionen übernehmen?

Männer können in puncto Geschlechtervielfalt zu echten Verbündeten werden. Dazu müssen sie ganz einfach sehen: Vielfalt macht auch sie besser. Wenn Thomas mit Thomas am Tisch sitzt, entsteht keine Innovation. Ich höre in meiner Diversity Beratung oft, dass Frauen doch gar nicht führen wollen. Das stimmt so nicht. Natürlich gibt es Frauen, die darauf keine Lust haben, doch genauso gibt es Männer, die keine Führungskraft werden wollen. Studien zeigen, dass der sogenannte „Role-Model-Effekt“ großen Einfluss darauf hat, dass mehr Frauen in Führung gehen. Denn wenn eine junge Frau eine andere Frau in einer Führungsposition sieht, motiviert es sie, in eine leitende Rolle aufzusteigen. Ich wünsche mir diesen Effekt bei Männern. Wie schön wäre es, wenn Männer andere Männer sehen, die sich für Vielfalt einsetzen? Ich bin mir sicher, dass es dann mit der Geschlechtergerechtigkeit schneller gehen würde. Jeder Mann kann und muss sich fragen: Was ist mein Beitrag, damit es mehr Frauen in Führungspositionen gibt? Wir brauchen nicht mehr Förderprogramme für Frauen, wir brauchen mehr männliche Role Models!

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Sigrid Nikutta Im Vorstand Güterverkehr Deutsche Bahn AG und Vorstandsvorsitzende DB Cargo AG.

Foto: imago/Rüdiger Wölk

Was müssen Männer ändern, damit ihre Söhne keine Machos werden?

Dazu fällt mir spontan der Spruch ein: Du kannst deine Kinder noch zu gut erziehen, am Ende machen sie dir doch alles nach. Und genau das belegt die Psychologie: Kinder – Mädchen und Jungen – lernen am Modell. Sie nehmen ihre Eltern und ihr Umfeld als Beispiel. Damit ist klar: Jeder Mann und jede Frau, die mit einem Kind zu tun haben, ist ein Vorbild. Die Verantwortung, die damit einhergeht, ist hoch und unabdingbar. Gleichberechtigte Partnerschaften und Familien, in denen das vorgelebt wird, sind der beste Schutz. Soziale Medien, die Musikszene sowie Fernseh- und Streamingdienste müssen ebenfalls genau dieses Vorbild leben. Besonders hier haben wir noch großen Handlungsbedarf. Denn gerade in der virtuellen Welt sind die Rollenbilder oft dramatisch klischeehaft! Das wird am besten klar, wenn wir unseren Kindern beibringen, dass die virtuelle Realität nicht die tatsächliche Wirklichkeit widerspiegelt.

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Kristina Hänel Die Medizinerin wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie auf ihrer Website über Schwangerschaftsabbrüche informierte – im Juli 2022 wurde das entsprechende Gesetz geändert und Hänel rehabilitiert.

Foto: Imago/Jürgen Heinrtch

Was müssen Männer ändern, damit das Thema Verhütung nicht mehr allein Frauensache ist?

Männer haben häufig keine eigene Vorstellung davon, ob sie Kinder haben möchten oder nicht. Sie verknüpfen Sexualität auch nicht automatisch mit der Frage der Fortpflanzung – Frauen meist schon. Sie tragen ja auch die Konsequenzen anders als Männer. Allerdings gibt es auch Männer, die ihre männliche Potenz zwanghaft mit ihrer Zeugungsfähigkeit verknüpfen. Frauen, die nicht schwanger werden wollen oder aber keine weiteren Kinder möchten, verhüten dann in solchen Beziehungen heimlich. Gelungene Sexualität setzt aber meines Erachtens einen partnerschaftlichen, gleichberechtigten Umgang mit dem eigenen Körper und dem des Gegenübers voraus. Dazu gehört eben auch die Auseinandersetzung mit den möglichen Konsequenzen, also gegebenenfalls auch einer Schwangerschaft. Anders ausgedrückt mit den Worten einer Frau, die zum Abbruch bei uns war und Adressen für die Vasektomie für ihren Partner mitnahm: „Wenn der noch einmal Sex haben will, dann muss er sich jetzt sterilisieren lassen!“

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Gilda Sahebi Iranisch-deutsche Journalistin, Autorin und Ärztin. Zuletzt erschien „Unser Schwert ist Liebe“ über die feministische Revolte im Iran

Foto: IMAGO/Future Image

Was müssen Männer ändern, damit die Gesundheitsversorgung nicht nur für Männer gemacht wird?

Männer müssen anerkennen, dass es ein Problem gibt – und sie müssen etwas dagegen tun wollen. Denn sie sitzen in den Führungspositionen im Gesundheitswesen. Dort, wo die Entscheidungen getroffen werden. 89 Prozent der Vorstände von Krankenkassen sind Männer; Männer besetzen 83 Prozent der Posten im Top-Management von Unternehmen des Gesundheitssystems. In Kliniken sind 65 Prozent der Führungspositionen männlich besetzt. Da wundert es nicht, dass im Gesundheitssystem und in der Lehre immer noch der männliche Körper die Norm ist. Die gängigen Herzinfarktsymptome sind männlich, Medikamenten(un)verträglichkeiten ebenso. Frauen werden oft „emotionale“ Probleme attestiert anstatt medizinische, Forschung zu LGBTIQ-Personen ist rar. Natürlich liegt es nicht nur an Männern, für eine gute Gesundheitsversorgung für alle zu sorgen. Ohne sie wird es aber schwer. Gegen sie erst recht. Die meisten Männer wollen ja, dass alle gut versorgt werden. Nur hat Abwarten noch nie zu Gleichberechtigung geführt. Sondern Handeln.

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Viola Priesemann Professorin für die Theorie neuronaler Systeme an der Universität Göttingen, Politikberaterin im Corona-Expertenrat.

Foto: imago images/Juergen Heinrich

Was müssen Männer ändern, damit mehr Frauen Führungspositionen übernehmen?

Frauen sind gerade in Führungspositionen noch eklatant unterrepräsentiert. Das ist nicht nur ein Gerechtigkeitsproblem. Es gefährdet auch die Zukunftsfähigkeit der Forschung und Lehre. Wir brauchen die besten Köpfe und alle Stimmen. Ich selbst wäre ohne Frauenförderung sicher nicht Wissenschaftlerin geworden. Ich konnte mir das nicht vorstellen, es gab keinerlei Rollenvorbilder. Die erste Physikprofessorin habe ich im sechsten Semester getroffen. Seither hat sich viel bewegt. Waren bis 1990 nur fünf Prozent aller Professoren weiblich, sind es jetzt über 25. Bei den Neuberufungen sind wir im Bereich von 40 Prozent. In der Leopoldina haben wir eine Stellungnahme mit Vorschlägen verfasst: Wir brauchen einen Kulturwandel, damit jede Person gehört wird; weniger Machtkonzentration, denn sie kann wissenschaftliche Karrieren behindern; und ein gutes Dual-Career Programm, damit das notwendige Umziehen Partner:innen nicht zu sehr ausbremst. In diesem Sinne mein Wunsch zum Weltfrauentag: Auf dass wir in 20 Jahren über dieses Thema nicht mehr sprechen müssen!

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Veronica Ferres Schauspielerin. Zuletzt war sie im Hollywood-Film „Paradise Highway“ zu sehen.

Foto: imago/Future Image

Was müssen Männer ändern, damit Frauen nicht ständig ein schlechtes Gewissen haben, alle Erwartungen erfüllen zu müssen?

Eine kleine Veränderung nehme ich schon wahr. Die jungen Frauen sind selbstbewusst. In dem Wort steckt „selbst“ und „bewusst“ – das ist schon mal schön zu sehen. Viele Väter nehmen nun Elternzeit oder arbeiten in flexiblen Arbeitszeitmodellen, um mehr Zeit mit den Kindern verbringen zu können. „Die Rolle der Frau“ von damals gilt als überholt und wird nun aufgebrochen und ganz neu definiert. Diesen Raum sollten Frauen sich frei und bewusst nehmen können – mit der Unterstützung ihrer Partner:innen. Wir benötigen jedoch weiterhin auch den ständigen gesellschaftlichen Diskurs: Bei der Gleichstellung der Frauen in Sachen Beruf und Gehalt ist in jedem Fall noch Luft nach oben. Auch da können die Männer unterstützen und für Gleichstellung eintreten. Es sollte aber ein Anliegen wirklich aller sein, das weiter voranzutreiben, damit es irgendwann zu einer entspannten Selbstverständlichkeit wird. Jeder Mensch sollte mit all seinen wunderbaren Facetten und Talenten gesehen und gefördert werden – egal welcher Geschlechtsidentität.

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Lore Maria Peschel-Gutzeit Ex-Justizsenatorin in Berlin und Hamburg, SPD. Vorkämpferin für Frauenrechte und für die bessere Vereinbarkeit für Familie und Berufstätigkeit.

Foto: Joachim Loch

Was müssen Männer ändern, damit Mütter nicht die ganze Care-Arbeit übernehmen?

Die gerechte Aufteilung zwischen Erwerbs- und Familienarbeit zwischen den Geschlechtern ist bis heute nicht erreicht. Es gibt viele Gründe für diese Situation: Die Tradition, die den Mann als Ernährer sieht. Die Machtposition, dass der, der das Geld verdient, auch bestimmt. Und auch die gesellschaftliche Nichtachtung von Männern und Vätern, die freiwillig Familienarbeit leisten. Das Ergebnis ist: Alles bleibt beim Alten. Was ist da zu machen? Politisch kann beim Arbeitsrecht angesetzt werden: Es braucht familiengerechtere Arbeitszeiten. In der Lohnpolitik muss endlich die geringere Bezahlung von Frauen für gleiche Arbeit beendet werden. Außerdem müssen Rentenansprüche gewährt werden für kostenlose Familienarbeit. Das Ideal könnte so aussehen: Beide Partner:innen verstehen sich als Team, das Erwerbs- und Care-Arbeit anteilig, und zwar gleichmäßig, untereinander aufteilt. Jeder Partner und jede Partnerin erhält einen Zeitabschnitt, für den er oder sie allein zuständig ist – und zwar mit voller Konsequenz und mit der Folge, dass der andere Part diese Aufteilung und volle Verantwortung des anderen akzeptiert und gutheißt. Sollte dieser Idealzustand Wirklichkeit werden, könnten sehr viel Streit und Unmut zwischen den Geschlechtern beendet werden. Und das Ziel der Gleichstellung würde näher rücken.

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Nina Hagen Sängerin, Schauspielerin und Synchronsprecherin. Sie gilt als „Godmother of Punk“.

Foto: imago images/Eibner

Was müssen Männer ändern, damit ihre Söhne keine Machos werden?

Was ist das doch für eine schwierige Frage! Also da fällt mir ganz spontan eigentlich nur die wunderbare Mutter und Großmutter Astrid Lindgren ein. Und wie sie mal sagte: „Gebt den Kindern Liebe, mehr Liebe und noch mehr Liebe, dann stellen sich die guten Manieren ganz von selbst ein.“ Ah, und noch watt! Auch Lindgrens Kindern können wir dankbar sein. Nur weil ihre Tochter Karin sich mit Grippe im Bett langweilte, gibt’s die Pippi Langstrumpf. Und Michel aus Lönneberga auch nur dank Lindgrens Enkel Karl-Johan. Das haben wir dem Jungen zu verdanken! Also taucht eure Söhne in Springbrunnen der Liebe, das mache ich mit meinem auch. Und erzählt ihnen, wie schon Astrid Lindgren, wieder Geschichten. Das öffnet ihre Herzen.

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Katarina Barley SPD-Parteivorstand und Europa-Abgeordnete.

Foto: Imago

Was müssen Männer ändern, damit mehr Frauen in die Politik gehen wollen?

Leider gibt es nach meiner Erfahrung deutlich mehr Männer als Frauen, die sich für unfehlbar und unersetzlich halten. Bei manchen hat es sogar narzisstische Züge. Bei solchen Politikern sind solche Diskussionen verschwendete Energie. Da braucht es auch Männer in Verantwortung, die erkennen, dass solche Typen der Politik schaden – und entsprechende Konsequenzen ziehen. Männer müssen erkennen, dass Frauen Erfahrungen einbringen, die sie selbst nicht haben und haben können, selbst wenn sie guten Willens sind. Dass gemischte Teams bessere Leistungen bringen als gleichförmige, das ist bekannt seit der Antike.

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Anastasia Biefang Stabsoffizierin der Luftwaffe im Dienstgrad eines Oberstleutnants. Erste offen transgeschlechtliche Bataillonskommandeurin.

Foto: picture alliance/dpa

Was müssen Männer ändern, damit im Job eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe möglich wird?

„Die steht ihren Mann“ gilt zum Teil auch heute noch in der Bundeswehr als Kompliment für Frauen und ihre Leistungsfähigkeit. Der Mann ist damit der Maßstab für alles, an dem es sich zu messen gilt. Wer auf Augenhöhe zusammenarbeiten möchte, darf sich aber nicht als Platzhirsch gebaren. Männer müssen lernen, feministisch zu sein und damit der Perspektive und den Erfahrungsraum von Frauen zulassen. Männer müssen sich ihrer Privilegien bewusst sein und sich zurücknehmen. Dies setzt voraus, dass Männer die Perspektive von Frauen als einen Wert für sich anerkennen. Die männliche Perspektive ist nicht der Maßstab und definiert damit auch nicht die Augenhöhe. Dies gelingt aber nur dann, wenn ein Raum geschaffen wird, in dem Frauen nicht nur faktisch gleichberechtigt sind, sondern sich sicher und gleichwertig fühlen, ihre Perspektiven einzubringen. Dazu müssen Männer ihre erlernten Verhaltensweisen zurückstellen und offen für andere Lösungswege sein.

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Mandy Mangler Chefärztin der Klinik für Gynäkologie des AVK Berlin, Expertin im Podcast „Gyncast“.

Foto: picture alliance/zb

Was müssen Männer ändern, damit die Gesundheitsversorgung nicht nur für Männer gemacht wird?

Die meisten Strukturen sind von Männern für Männer geschaffen – auch im Gesundheitssystem. Dabei sind Symptome von Krankheiten für Frauen oft anders. Ein Großteil der Medikamente ist fehldosiert, Frauen wurden bei Arzneimittelstudien oft nicht berücksichtigt. Und ihre Perspektive zieht weiterhin kaum ein, denn sie sind selten Forschungsgruppenvorsitzende. Dabei müssen Frauenkörper aus weiblicher Perspektive gedacht werden. Meist männliche Forschungsgruppen haben etwa die Auswirkung von gewissen gynäkologischen Operationen auf die weibliche Sexualität untersucht. Dabei lautete die Fragestellung nicht „Was macht der Frau Spaß?”, sondern: „Ist die Frau noch penetrierbar?” Der deutsche Ärztinnenbund hat im Jahr 2022 festgestellt, dass nur 13 Prozent der universitären Machtpositionen von Frauen besetzt sind – so lassen sich Spielregeln nicht ändern. Was Männer tun können? Zum Beispiel Führungspositionen im Gesundheitswegen explizit mit Frauen besetzen, sich um die eigene Frauenquote in der Abteilung kümmern oder für Kongresse gezielt Referentinnen akquirieren.

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Iris Plöger Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.

Foto: Ullstein

Was müssen Männer ändern, damit Frauen das Gleiche verdienen wie sie?

Natürlich können Männer viele Beiträge zu Gendergerechtigkeit leisten: Vorgesetzte pochen auf gleiche Bezahlung und ermutigen Frauen in ihrer Karriere. Kollegen nehmen flexible Arbeitszeitmodelle in Anspruch und Lebenspartner teilen private Pflichten gleichberechtigt auf. Doch am Ende liegt es bei den Frauen, in Gehaltsverhandlungen für Gleichheit zu sorgen. Nie war die Gelegenheit dafür günstiger: Der Jobmarkt wird mehr und mehr zum Arbeitnehmermarkt. Zudem verändert die Digitalisierung die beruflichen Anforderungen drastisch – in der Initiative #SheTransformsIT werbe ich dafür, dass Frauen dies als Chance begreifen und entsprechend gut bezahlte Jobs ausüben. Viele von uns tappen gelegentlich in die Falle des „unconscious bias”, etwa wenn Frauen meinen, das Einfordern eines höheren Gehalts sei für sie schlicht unanständig. Die Entwicklung am Arbeitsmarkt stärkt die Verhandlungsposition von Frauen immens, sie müssen sich dieser Stärke bewusst sein und sie geschickt ausspielen. Bitte keine falsche Bescheidenheit!

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Ekin Deligöz Grünen-Abgeordnete im Bundestag. Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Foto: action press/Christoph Soeder

Was müssen Männer ändern, damit ihre Söhne keine Machos werden?

Wenn Kinder von klein auf erleben, dass die Wäsche keine Frauenarbeit und Gewalt kein Zeichen männlicher Stärke ist, Mädchen ihr Fahrrad selbst reparieren und Jungen mit Puppen spielen können, ohne ausgelacht zu werden – dann können wir tradierte Denkmuster durchbrechen. Im Interesse aller Geschlechter. Dafür sind Vorbilder nötig, gerade auch männliche: Väter, die sich mit ihrer Partnerin Familie und Beruf fair teilen. Männer in sogenannten Frauenberufen, als Erzieher oder in der Pflege. Trainer, die Mädchen zurufen: „Du kannst das!“ Diesen Vorbildern will ich Rückenwind geben. Denn das patriarchale System wird von Generation zu Generation weitergetragen und nährt überholte Rollenzuschreibungen. Als Parlamentarische Staatssekretärin der Bundesfrauenministerin suche ich täglich nach Lösungen für Probleme, deren Ursachen oft in diesem System liegen – sei es der Schutz von Frauen vor Gewalt, die ökonomische Gleichstellung von Männern und Frauen oder die gerechte Verteilung unbezahlter Sorgearbeit.

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Fränzi Kühne Gründerin, Unternehmerin und Autorin des Buches: „Was Männer nie gefragt werden. Ich frage trotzdem mal”.

Foto: Meike Kenn

Was müssen Männer ändern, damit mehr Frauen Führungspositionen übernehmen?

Es ist so einfach, denke ich oft: Ihr müsst den Frauen nur zuhören. Fragt sie doch, warum sie sich eine bestimmte Position nicht zutraut, fragt, was ihr fehlt, findet individuelle Lösungen. Aber wenn ich Vorträge halte in Unternehmen mit überwiegend männlich besetzen Führungsebenen, merke ich immer, wie schwer das noch fällt. Dabei können Männer ihre Macht nutzen, um Gleichberechtigung voranzubringen: öffnet Eure Netzwerke, bringt Frauen in Kontakt, boykottiert Veranstaltungen, bei denen nur Männer auf der Bühne sitzen, besetzt divers. Redet auch mal über euer Privatleben, darüber, wie ihr Beruf und Familie vereinbart. Wenn ihr Führungskraft seid, besucht ein Anti-Bias-Training, das dabei hilft, unbewusste Vorurteile aufzudecken und abzubauen. Das gilt im Übrigen für Männer und für Frauen.

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Franziska Giffey Regierende Bürgermeisterin Berlins, Landesvorsitzende der SPD Berlin.

Foto: Nassim Rad / Tagesspiegel

Was müssen Männer ändern, damit Mütter nicht die ganze Care-Arbeit übernehmen?

Zunächst wäre es doch interessant, wenn man diese Frage auch Männern stellen würde und nicht nur Frauen. Das Problem ist oft aber nicht, dass Männer nicht fähig oder willens sind, diese Aufgaben zu übernehmen. Vielmehr müssen wir als Gesellschaft an den Punkt kommen, Care-Arbeit nicht mehr automatisch den Frauen, Müttern oder Schwestern zuzuschreiben. Die ersten Monate eines Kindes sind entscheidend. Wenn Väter in dieser Zeit mehr Verantwortung übernehmen, wirkt das auch zukünftig. Mit dem Elterngeld wurde erreicht, dass mittlerweile über 40 Prozent der Väter ein paar Monate Elternzeit nehmen. Das ist wesentlich mehr als noch vor 15 Jahren, aber immer noch ausbaufähig.

Andererseits ist es Aufgabe des Staates, attraktive Rahmenbedingungen für eine verlässliche Kinderbetreuung und finanzielle Anreize wie Steuererleichterungen zu schaffen. In Berlin sind wir Vorreiter: Die Kinderbetreuung von der Kita bis zum Hort ist beitragsfrei und deckt den Ganztag ab, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer deutlich einfacher macht. Männer sind gefragt, diese Angebote auch anzunehmen.

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Sabine Bendiek Chief People & Operating Officer, Arbeitsdirektorin und Mitglied des Vorstands der SAP SE.

Foto: Microsoft Deutschland GmbH

Was müssen Männer ändern, damit Frauen das Gleiche verdienen wie sie?

Frauen verdienen bei gleicher Arbeit auch heute noch überwiegend weniger als ihre männlichen Kollegen. Das ist keinesfalls akzeptabel. Auch viele Männer sehen das so und setzen sich für eine gerechte Bezahlung ein. Um eine faire Vergütung für alle zu gewährleisten, müssen aber auch Prozesse und Richtlinien angepasst werden. Bei SAP sind wir uns der Verantwortung als globales Softwareunternehmen bewusst. Gleichzeitig stehen wir insbesondere in unserer Branche vor der Herausforderung, erst einmal Frauen für uns zu gewinnen. Eine faire Vergütung ist ein wesentlicher Faktor dafür. Bei SAP haben wir Ende 2022 unser Ziel erreicht, dass wir nun 35 Prozent Frauen in unserer Belegschaft haben – und darauf sind wir stolz. Aber hier hören wir nicht auf. Wir haben uns dazu verpflichtet, die Bezahlung unserer Mitarbeitenden jährlich zu prüfen und haben Gehaltsanpassungen bei Mitarbeitenden vorgenommen, deren Bezahlung unter ihrem Gehaltsbereich lag.

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Das Team

Farangies Ghafoor
Recherche & Redigatur
Kiana Lensch
Recherche & Redigatur
Veröffentlicht am 8. März 2022.