Glänzender Lack, röhrender Motor, neidische Nachbarn: Das Auto ist der Deutschen liebstes Statussymbol. So will es zumindest das Klischee. In Berlin ist das anders. Hier werden pro Kopf weit weniger Neuwagen zugelassen als in jedem anderen Bundesland.
60.000 Pkw werden jährlich in Berlin erstzugelassen. Aber wie die Karte zeigt: Der Autokauf verteilt sich ungleich über die Stadt. Die Daten stammen vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Dort wurde die Zahl der registrierten Autos und Anhänger nach Meldeadresse der Besitzer*innen ausgewertet. In anonymisierter Form wurden dem Tagesspiegel die Daten auf Ebene der sogenannten Prognoseräume zur Verfügung gestellt. Davon gibt es 542 und sie entsprechen in etwa dem, was man in Berlin „Kiez” nennt, zum Beispiel „Reuterkiez“ in Neukölln. Als „Neuwagen“ zeigen wir in der Karte Autos, die 2022 erstmals zugelassen wurden.
Dabei haben wir nur Autos berücksichtigt, die auf private Halter angemeldet sind, keine Firmenwagen oder andere gewerblich genutzte Autos. Betriebliche Autos sind oft in Firmenzentralen zugelassen, an deren Adresse die Halter jedoch nicht wohnen. Auch behördliche Fahrzeuge von Polizei, Feuerwehr oder Gasentstörung sind in der Stadt schwer dem Ort der Anmeldung zuzuordnen. 2022 waren in Berlin 46 Prozent der zugelassenen Neuwagen Privatautos, der Rest gewerblich oder behördlich.
Die kiezgenaue Betrachtung macht Berlins Neuwagen-Hochburgen erkennbar. Vor allem Mitte sticht hervor. Rund um den Tiergarten, Unter den Linden und den Breitscheidplatz befinden sich drei der Kieze mit den meisten 2022 erstmals zugelassenen Privat-Pkw pro 1000 Einwohner. Während innerhalb des Rings durchschnittlich sechs Neuwagen auf 1000 Einwohner kommen, sind es im Kiez „Großer Tiergarten“ 38, „Unter den Linden“ 28.
Auffallend wenige Neuwagen gibt es in weniger wohlhabenden Kiezen im Wedding und Neukölln. Rund um die Schulstraße im Wedding und die Neuköllner Braunschweiger Straße gab es 2022 es gerade einmal 1,3 Neuwagen pro 1000 Einwohner. Es folgen weitere Neuköllner Nachbarschaften: Weichselplatz (1,5), Körnerpark (1,6) und Treptower Straße Nord (ebenfalls 1,6).
Das Auto sei in Deutschland „ganz klar eine Einkommensfrage”, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Duisburger CAR-Instituts. „Je wohlhabender die Leute, desto neuer die Fahrzeuge.“
Erhebungen bestätigen das. Neuwagenkäufer haben laut DAT-Branchenreport durchschnittlich 4.462 Euro Einkommen, während es bei Gebrauchtwagenkäufern 3.363 waren. Nicht jeder kann sich schließlich einen Neuwagen leisten, für den im bundesweiten Schnitt durchschnittlich 42.790 Euro ausgegeben werden. Gerade in Innenstädten sei das Auto ein Komfort- oder sogar Luxusprodukt, sagt Dudenhöffer. Je näher im Stadtzentrum sich der Kiez befindet, desto eher sei das der Fall.
In Stadtzentren ist Parkraum knapp, Stellplätze häufig teuer. Im Alltag erforderlich ist das Auto hingegen oft nicht. „Wenn man die Innenstädte ansieht, ist es durchaus so, dass man aufs Fahrzeug verzichtet“, sagt Dudenhöffer. Hier kann der öffentliche Nahverkehr das Auto für viele ersetzen. Gerade in schicken Innenstadt-Gegenden sehe man deshalb „eher die SUVs. Die Kleinwagen der Krankenpfleger stehen eher in den Außenbezirken.“
Ältere Wagen verteilen sich gleichmäßiger über die Stadt als neue. Ihre Verteilung ähnelt dem der allgemeinen Pkw-Dichte. Als ältere Autos zeigen wir in der Karte solche, die vor zehn oder mehr Jahren erstmals zugelassen wurden und derzeit in Berlin gemeldet sind. Zehn Jahre ist laut Kraftfahrt-Bundesamt das Durchschnittsalter aller Autos in Deutschland.
Die Hälfte der 2022 in Berlin gemeldeten Autos wurden vor zehn oder mehr Jahren das erste Mal angemeldet. Zum Vergleich: 2,7 Prozent der Autos waren, Stand 31. Dezember 2022, erstmals 2022 zugelassen.
Dass es deutlich mehr werden, ist wohl nicht zu erwarten. „Grundsätzlich sehen wir aufgrund der hohen Listenneupreise für Neuwagen den Privatmarkt generell eher leicht im Rückgang“, sagt Martin Endlein von der Deutschen Automobil Treuhand GmbH, die den Markt seit Jahren analysiert. Und auch die Preise für Gebrauchtwagen sind in den vergangenen Monaten weiter angestiegen. Das eigene Auto wird immer mehr zum Luxusgut – ob innerhalb oder außerhalb des Rings.