Es gibt Gründe, warum sich die Ölfirmen Uganda ausgesucht haben. Das Land mit seinen 41 Millionen Menschen ist eines der stabileren in der Region. Aus der benachbarten Demokratischen Republik Kongo trieben Warlords und Ebola-Ausbrüche bis heute schätzungsweise vier Millionen in die Flucht, Uganda nimmt weiterhin einen Großteil davon auf. In Ruanda herrscht nach dem Völkermord zwar endlich Frieden, jedoch nur, weil ein fragwürdiger Polizeistaat ihn erzwingt.
Uganda selbst litt seit 1970 unter Bürgerkriegen und Massakern, alleine in den 70er Jahren brachte Diktator Idi Amin 300.000 Oppositionelle um. Bis in die 2000er herrschte Bürgerkrieg im Norden. Präsident Yoweri Kaguta Museveni ist seit 1986 im Amt. Und will da mit aller Kraft bleiben.
Einen Tag vor seiner letzten Wiederwahl im Januar 2021 sperrte die Regierung alle wichtigen Social-Media-Plattformen. Oppositionskandidat Bobi Wine wurde mehrfach festgenommen, internationale Wahlbeobachter konstatierten gravierende Mängel. Im Vergleich zum Südsudan und Kongo nebenan gilt das Land für viele Investoren trotzdem als stabil. Seit einigen Jahren wächst die Wirtschaft – allerdings auf sehr niedrigem Niveau.
Uganda kommt laut UN-Entwicklungsindex auf Platz 159 von 189, das Bruttoinlandsprodukt liegt gerade einmal bei 822 Dollar pro Kopf, knapp 70 Prozent arbeiten in der Landwirtschaft. Der Klimawandel bedroht zunehmend die Ernten. 2019 hatten nur 48 Prozent der Kinder eine eigene Bettdecke zum Schlafen.
Der Präsident gibt den Menschen selbst die Schuld an ihrer Armut. Sie seien faul und unehrlich, sagte er in mehreren Reden.
Das Öl aber, verspricht er denselben Menschen, wird dem Land zum Aufschwung verhelfen. Über die neu geschaffene Uganda National Oil Company hält der Staat 15 Prozent an dem Projekt. Die Petrol Authority of Uganda (PAU) geht von jährlich 1,4 bis 2,9 Milliarden Euro Ölgewinnen aus, schreibt eine Sprecherin. Zum Vergleich: Der gesamte Staatshaushalt von Uganda 20/21 betrug 11,8 Milliarden Euro. Dazu kämen Steuereinnahmen und positive Auswirkungen für andere Branchen, schreibt die Sprecherin. 160.000 Jobs sollen entstehen. Und eine kleine Raffinerie soll 60.000 Barrel pro Tag für den nationalen Bedarf verarbeiten. Das ist zwar eine verschwindend geringe Menge im Vergleich zu den 2,1 Millionen Barrel, die in Deutschland pro Tag verbraucht werden. Aber: Die 60.000 Barrel werden künftig den gesamten Bedarf an Kerosin, Diesel und Benzin in Uganda decken, schreibt die Sprecherin. Der Präsident hat es da einfach, die Pipeline als Chance anzupreisen.
Aber es gibt ein Problem: Das Gebiet ist nicht leer. Da leben Menschen, zumeist von Landwirtschaft. Und einige sehr seltene Tiere.
Was bedeutet es, in so einem Gebiet von Grund auf eine Ölförderung aufzubauen? Anhand von Satellitenaufnahmen, 3D-Modellen des Gebiets und genauen Daten der geplanten Infrastruktur lässt sich ein Eindruck davon vermitteln.
Murchison Falls wurde nach dem Vorsitzenden der britischen Royal Geographical Society benannt, so wie viele Orte in Ostafrika nach einstigen Eroberern und Kolonialherren benannt sind. 1952 ernannten die Herrscher das Gebiet zum ersten Nationalpark Ugandas. Heute ist er über 3800 Quadratkilometer groß.
Dass er eine der wichtigsten Touristenattraktionen des Landes ist, liegt an nicht nur an seinen mächtigen Wasserfällen, sondern auch an der Artenvielfalt. Neben mehr als 2700 afrikanischen Elefanten leben hier Löwen, Leoparden, Affen, Giraffen, Nilpferde und Antilopenarten – 76 verschiedene Säugetierarten insgesamt. Die wechselhafte Landschaft aus Nil, Savannen, Bäumen und Feuchtgebieten bietet außerdem 451 Vogelarten ein Zuhause. Etliche davon gelten als bedroht.
Mittendrin, zwischen Büffelherden, Vogelschwärmen und turnenden Affen, werden nun Straßen verbreitert. Riesige Baumaschinen pflügen die Landschaft.
Was bei den europäischen Klimadebatten um Elektroautos und grüne Energie verdrängt wird: Der weltweite Ölverbrauch steigt. Die wachsende Mittelschicht in China kauft Autos, genauso in Indien und einzelnen afrikanischen Ländern.
In Deutschland mögen immer mehr auf Öffentliche oder Elektroautos umsteigen, die alten Verbrenner aber werden verkauft, vor allem nach Afrika. Hier fahren sie jahrelang weiter, mit dem alten hohen Benzinverbrauch. Auch die Absatzzahlen neuer deutscher Autos sind in den letzten Jahrzehnten gestiegen statt gefallen. Sie werden eben nicht mehr in Deutschland gefahren.
Da überrascht es nicht, dass die Vorhersagen der meisten Ölkonzerne stark übereinstimmen: In den nächsten zehn Jahren wird der Ölverbrauch steigen oder auf gleichem Niveau bleiben. Und aufgrund der Invasion der Ukraine stellt Russland, bisher einer der größten Öllieferanten Europas, Lieferketten um. Das erhöht den Druck, neue Fördergebiete zu erschließen.
Das Ölvorkommen am Albertsee ist eigentlich klein, wenn man es mit den Ölfeldern in Saudi-Arabien, Norwegen oder den USA vergleicht. Hinzu kommt: Man kann nie genau sagen, ob wirklich so viel von den Vorkommen gefördert werden kann wie vorhergesagt. Warum das Mega-Projekt EACOP dennoch so folgenträchtig für Uganda, den afrikanischen Kontinent und sogar für die ganze Welt sein könnte, zeigt sich erst, sobald man den Blick auf die Landkarte ausweitet...
Dieser Artikel ist Teil einer einjährigen Recherche zu den Folgen des Klimawandels in besonders betroffenen Regionen in Afrika. Dabei liegt der Hauptfokus auf Klimaaktivistinnen, die vor Ort versuchen, Probleme aufzuzeigen und Lösungen zu finden. Alle bisherigen Artikel aus der Serie finden Sie auf der Projektseite A Female Fight for the Future. Das Rechercheprojekt wird vom European Journalism Centre im Rahmen des European Development Journalism Grants Programms finanziert. Unterstützt wird dieses Programm von der Bill&Melinda Gates Stiftung.
Besonderer Dank geht für diesen Artikel außerdem an Stefan Back von der RWTH Aachen, der sein geologisches Wissen mit uns geteilt und uns Zusammenhänge erläutert hat. Außerdem danken wir Bart Wickel von Earth Insight sowie der Wiener Firma EOX, deren aufbereitete Sentinel-Satellitenaufnahmen wir nutzen durften.
Satellitenbilder: Sentinel-2 cloudless - https://s2maps.eu by EOX IT Services GmbH (Contains modified Copernicus Sentinel data 2020)
Satellitenbilder des Flughafens: Image Landsat / Copernicus und Sentinel-2 via Google Earth Pro und Google Earth Engine
Tektonische Platten: Peter Bird „Geochemistry Geophysics Geosystems, 4(3), 1027“ via Hugo Ahlenius/Nordpil
Pipeline und Infrastruktur: Petroleum Authority of Uganda
Tektonische Bruchlinien: British Geological Survey via data.gov.uk
Öl-Explorations- und -Produktionsgebiete: oilmap.xyz via Map for Environment
Öl- und Gasfelder weltweit: Energy Data Exchange’s Global Oil and Gas Features Database via ArcGIS
Project Affected People: Resettlement Action Plan EACOP Uganda, Resettlement Action Plan EACOP Tansania, Resettlement Action Plan Tilenga, Resettlement Action Plan Kingfisher, Resettlement Action Plan Kabaale
Ökologische Schutzgebiete: UNEP World Conservation Monitoring Centre’s World Databank on Protected Areas
Erdbeben: Earthquake Calalog/USGS
Dieser Artikel ist Teil einer einjährigen Recherche zu den Folgen des Klimawandels in besonders betroffenen Regionen in Afrika. Dabei liegt der Hauptfokus auf Klimaaktivistinnen, die vor Ort versuchen, Probleme aufzuzeigen und Lösungen zu finden.
Die globale Klimabewegung wird von jungen Frauen geprägt. Hierzulande stehen Aktivistinnen wie die Schwedin Greta Thunberg im Vordergrund - oder Luisa Neubauer, das deutsche Gesicht von “Fridays for Future”. Ihre Mistreiterinnen aus Afrika werden oft übersehen, dabei sind ihre Länder schon heute viel stärker von der Klimakrise betroffen.
Im Rahmen des Projekts A Female Fight for the Future begleitet der Tagesspiegel ein Jahr lang Klimaaktivistinnen in afrikanischen Ländern und visualisiert klimarelevante Entwicklungen. Wir schauen uns Projekte vor Ort an, mit denen der Klimawandel bekämpft werden soll, zeigen, wie sich neue politische Netzwerke bilden und zeigen, wo Menschen schon heute besonders unter der ökologischen Krise leiden.
Alle bisherigen Artikel aus der Serie finden Sie auf der Projektseite.
Das Rechercheprojekt wird vom European Journalism Centre im Rahmen des European Development Journalism Grants Programms finanziert. Unterstützt wird dieses Programm von der Bill&Melinda Gates Stiftung.