Am 1. September wählt Sachsen einen neuen Landtag. Kann Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) seinen Posten verteidigen und seine Koalition aus CDU, SPD und Grüne fortführen?
Wenn am nächsten Sonntag Landtagswahl wäre, welche der folgenden Parteien würden Sie dann wählen? So oder so ähnlich lautet die „Sonntagsfrage”, die wohl bekannteste Umfrage in Deutschland mit der die politische Stimmung der Bevölkerung abgebildet wird. Sonntagsfrage heißt diese Umfrage, weil Wahlen in Deutschland traditionell an einem Sonntag abgehalten werden. Wahlrecht.de sammelt die Umfragen der verschiedenen Institute und stellt sie online zur Verfügung. Der Tagesspiegel nutzt diese Sammlung als Quelle.
Große Meinungsforschungsunternehmen kontaktieren die Teilnehmer:innen meist per Telefon oder online. Teilweise finden die Befragungen auch persönlich statt. Bei vergangenen Wahlen gab es jedes Mal Debatten darüber, wie aussagekräftig die Umfragen tatsächlich sind und Wahlergebnisse vorhersagen können. Ihre Genauigkeit ist umstritten. Denn natürlich können Befragte ihre Entscheidung bis zur Wahl noch ändern. Auch taktische Überlegungen können dabei eine Rolle spielen. Oder sie geben nicht ihre wahre Tendenz an – das lässt sich nicht überprüfen.
Hinzu kommt, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen, etwa ältere Menschen, in solchen Umfragen oft unterrepräsentiert sind. Meinungsforscher betonen stets, dass Umfragen keine Prognosen für die Wahl sind, sondern nur eine Stimmung in der Bevölkerung abbilden.
2024 ist ein wichtiges Wahljahr in Deutschland. Nach der Teilwiederholung der Bundestagswahl 2021 in Berlin im Februar und der Europawahl im Juni stehen drei Landtagswahlen an, alle drei in ostdeutschen Bundesländern: Thüringen und Sachsen (jeweils am 1. September) und Brandenburg (22. September). Zusätzlich finden in acht Bundesländern Kommunalwahlen statt.
Konkret heißt das für Sachsen: Am 9. Juni sind Europawahl und Kommunalwahlen, am 1. September dann die Landtagswahl. Spitzenkandidat:innen für das Landesparlament sind Michael Kretschmer für die CDU, Susanne Schaper und Stefan Hartmann für die Linke, Katja Meier, Franziska Schubert und Wolfram Günther für die Grünen, Petra Köpping für die SPD, Robert Malorny für die FDP und Jörg Urban für die AfD.
Alle fünf Jahre haben die Bürger:innen eines Bundeslandes die Wahl, welche Abgeordneten sie im Landesparlament vertreten sollen. Das werden mindestens 120 Politiker:innen sein, mit Überhang- und Ausgleichsmandaten eventuell auch mehr. In Sachsen darf ab 18 Jahren gewählt werden. Es gilt grundsätzlich die Fünf-Prozent-Hürde für Parteien.
Die Landtage beschließen Gesetze, die im jeweiligen Bundesland gelten, entscheiden über den Haushalt, wählen die oder den Ministerpräsident:in und kontrollieren die Landesregierung, die sich aus Ministerpräsident:in und Landesminister:innen zusammensetzt.
Als Chef:innen der Regierung vertreten Ministerpräsident:innen das Land nach außen und wirken im Bundesrat, der Vertretung der Länder auf Bundesebene, auf die Gesetze der Bundespolitik ein.
Zwar ist der Bund für die meisten Gesetzesvorhaben zuständig, allerdings obliegt den Ländern unter anderem, wie sie Polizei, Verwaltung, Bildung von Schule bis Universitäten, Bauvorschriften sowie weite Teile des Umweltschutzes gestalten möchten. Entsprechend viel Einfluss hat die Landespolitik auf das Alltagsleben der Menschen.
Dies ist Ausdruck des Föderalismus in Deutschland. So wird das System genannt, wie Bund und die 16 Bundesländer in der Bundesrepublik Aufgaben verteilen und miteinander kooperieren. Die Länder haben eigene Landesverfassungen, Parlamente, Verwaltungsstrukturen und Zuständigkeiten, sodass sie über eine gewisse Selbstständigkeit verfügen und staatliche Aufgaben überwiegend ausführen. Der Bund regelt Angelegenheiten, die alle betreffen – wie etwa Außenpolitik und Verteidigung oder auch Kindergeld und Rente.
Angesichts der hohen Umfragewerte der AfD in ganz Deutschland, aber gerade auch in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, stehen die Landtagswahlen unter einer besonderen öffentlichen Beobachtung. Der Verfassungsschutz stuft die Partei als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein, in Thüringen und Sachsen gilt die AfD als „gesichert rechtsextrem“. Die anderen Parteien schließen eine Koalition mit der AfD aus.
Sollte die AfD in den Landtagswahlen tatsächlich ähnlich zu den Umfrageergebnissen abschneiden und stärkste Kraft werden, dürfte die Bildung einer Mehrheit in den Parlamenten den demokratischen Parteien viel an Koalitionsverhandlungen abverlangen.
Denkbar ist zwar auch eine Minderheitsregierung, also eine Regierung ohne absolute Mehrheit im Parlament. In der Regel basieren Regierungen jedoch auf stabilen Mehrheiten. Abzuwarten bleibt auch, wie die neue Sahra-Wagenknecht-Partei BSW abschneidet und sich gegebenenfalls in das politische Gefüge einbringt.
Aktuell stellt eine Koalition aus CDU, den Grünen und SPD unter der Führung von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) die Regierung im Freistaat. Davor regierte er bereits mit der SPD.
Blickt man auf die historischen Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen, so hat die AfD seit 2014 stark hinzugewonnen. Die CDU, die 1994 noch die absolute Mehrheit an Stimmen bekam, hat seitdem stark verloren. Im Jahr 2019 lag sie nur noch 4,6 Prozentpunkte vor der AfD.
Die Umfragen bestätigen den Trend. Hier liegt die AfD, die in Sachsen laut dem Landesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem” gilt, teilweise sogar vor der CDU.
Ihre Zustimmung hält sich trotz der Veröffentlichungen des Recherchenetzwerks “Correctiv”, die ein geheimes Treffen von AfD-Politiker:innen, Rechtsextremen und finanzstarken Unternehmer:innen aufdeckten, und den deutschlandweiten Demonstrationen gegen Rechts und rasch angestiegener Beliebtheit für das Bündnis Sahra Wagenknecht stabil. Die Regierungsbildung dürfte nach der Landtagswahl 2024 schwierig werden.