Wie könnte Berlin in Zukunft noch besser sein? Das wollten wir in einem Experiment mit Hilfe von KI herausfinden. Denn so kontrovers wie die Debatte darüber, wer und was Berlin lebens- und liebenswert macht, ist auch jene über künstliche Intelligenz. Es wird viel darüber diskutiert, wie KI Desinformation erzeugen kann, wie also zum Beispiel künstlich generierte Bilder falsche Nachrichtenereignisse vorgaukeln können. Warnungen sind berechtigt. Aber das ist nicht alles, was KI (sein) kann.
In diesem Tagesspiegel-Experiment verkehren wir beides – negative Einstellungen zu Berlin und zum Thema KI – versuchsweise ins Gegenteil. Wir wollten wissen, wie ein gutes Berlin der Zukunft aussehen kann. Und es mithilfe von KI zeigen.
Einige haben ihre Zukunftsvisionen der Stadt bereits eingeschickt. Klar ist: Der Verkehr wird in Zukunft eine Rolle spielen – ob durch Individualverkehr oder Fahrradtaxis. Nicht alle sehen Berlins Zukunft positiv.
Steffen Steffen (Bild links):
„Die Zukunft von Berlin ist eine verdichtete Stadt, die trotzdem Platz für die Menschen und den Individualverkehr bietet. Die Stromerzeugung kann dezentral in der Stadt erfolgen. Das Wasser der Spree ist sauber. Die Menschen sind glücklich. Es gibt keine Penner, Trinker, Bettler usw.“
Lutz Artmann (Bild rechts):
„Kleine Straßen in der Innenstadt sind für Fußgänger und Radfahrer geöffnet, öffentliche Fahrrad-Taxis bringen die Menschen zum nächsten Nahverkehr-Haltepunkt. Autos dürfen als Krankenwagen, Behindertentransporte, Liefer- und Handwerkerfahrzeuge, Polizei etc. auch dort fahren. Sind aber alles Einbahnstraßen für Autos. Die ganze Stadt ist stark begrünt, Tiere finden ihre Habitate. Durch die Verschattung mit Bäumen wird es nicht so heiß im Sommer auf der Straße.“
Heinrich Strößenreuther (Bild links):
„Wenn die Schneller-Bauen-Politik weiter geht, wird der Senst uns weiter heiße baumlose Wüsten in die Stadt setzen. Heizt sich im Sommer über 50 Grad auf. Kein Grün, nur Kiesel, Beton, Asphalt. Nichts für Menschen.“
Rainer Quambusch (Bild rechts):
„Putin hält die Wuhlefront.“
Helmut Schüttemeier (Bild links):
„In den meisten Darstellungen und Visionen gibt es wenig, bis gar keine älteren Menschen, von denen wir Zukunft besonders viele haben werden.“
Simon Bail (Bild rechts):
„Als gebürtiger Berliner zeichnet sich Berlin für mich vor allem durch seine unterschiedlichen Kiez-Kulturen und deren bunt-gemischten Bewohner:innen aus. Daher habe ich mich in meinem DALL-E prompt darauf fokussiert die Diversität und Nachbarschaft in den Mittelpunkt der Stadt zustellen. Eine Solarpunk-artige Architektur des “Innenlebens” der Stadt lag mir dabei ebenfalls am Herzen, denn ich sehe, dass dies ein Zukunftsnarrativ ist, welches im Berliner der 2020er Jahre an Einfluss gewinnt.“
KI-generierte Bilder haben ein Potenzial, das bislang wenig genutzt wird: die Demokratisierung von visuellen Vorschlägen. Denn was man sehen kann, kann man sich besser vorstellen – und vielleicht ja sogar umsetzen. Mithilfe von Tools wie ChatGPT und Midjourney kann jede und jeder per Texteingabe Bilder generieren, nicht nur begabte Zeichner oder ausgebildete Architektinnen.
So lassen sich Vorstellungen von einer positiven Zukunft der Stadt einfacher diskutieren. In welchem Berlin der Zukunft wollen wir leben? In was für einem Stadtbild würden wir uns wohlfühlen? Finden wir eine gemeinsame Vision?
Um teilzunehmen, kannst du einfach ein KI-Bildgenerierungs-Tool aufrufen und einen sogenannten Prompt eingeben – eine Textbeschreibung, aus der das Programm ein Bild erstellt. Zum Beispiel kannst du ChatGPT bitten.
Ein weiteres Tool ist Midjourney. Um das Programm zu nutzen, musst du dich bei dem Messaging-Dienst „Discord“ registrieren, außerdem bei Midjourney selbst. Dann kannst du über den Midjourney-Discord-Bot Bilder generieren. Jeder Befehl beginnt mit „/imagine“. Befehlen Sie dem Programm etwa „/imagine ein Berlin der Zukunft“, erhältst du ein Bild, das diese Vision zeigt.
Tools wie Midjourney nutzen sogenanntes maschinelles Lernen, um einen Text in ein Bild umzuwandeln. Das Programm wurde mit riesigen Datensätzen aus Text-Bild-Paaren trainiert: Die KI hat gelernt, welche Bildelemente zu welchen Beschreibungen passen. Die Ergebnisse sind nicht immer exakt, aber oft erstaunlich passend, manchmal kreativ und bisweilen etwas absurd.
Hinter der Technologie stehen sogenannte neuronale Netze: eine Art Computerprogramm, das gelernt hat, welche Bildteile zu welchem Wort passen. Aus vielen Bildern lernt es, dass das Wort „Eisbär“ häufig mit Bildern von Eisbären zusammen vorkommt. So lernt es, aus einer Beschreibung, in der das Wort „Eisbär“ vorkommt, ein passendes Bild zu kreieren.
Vorab haben wir einige Vordenker und Vordenkerinnen gefragt, wie sie sich das Berlin der Zukunft vorstellen. In spekulativen Bildern erklären sie uns ihre Gedanken zu Berlins Zukunft:
Moritz Maria Karl, Stadtplaner in Berlin, Gründer von „OFFICE MMK“ und Studioleiter an der Design Academy Eindhoven:
„Berlin bioklimatisch für die Zukunft kühlen: Dann freuen sich sogar die Eisbären über das unbebaute Tempelhofer Feld.“
Kilian Schneider und Georg Hubmann, Forscher bei „Bauhaus Erde“, einer Initiative, die neue Ideen für ökologisch und sozial gerechte Bau- und Lebensweisen entwickelt:
„In Berlin wird es in absehbarer Zukunft so warm und trocken wie in Bordeaux. Es ist also höchste Zeit, dass die Bauwende schneller voranschreitet, denn momentan spaltet diese das Stadtbild: Während auf Kiezebene die Vision einer regenerativ gebauten Umwelt bereits von den BürgerInnen gelebt wird, prägen gläserne Giganten als Relikte einer veralteten Baupraxis die Skyline.
Regenerativ zu bauen bedeutet, vermehrt natur-basierte Baustoffe zu verwenden, um CO2 bei der Produktion erst gar nicht entstehen zu lassen, sondern langfristig in der gebauten Masse zu speichern. Darüber hinaus werden durch Umnutzungskonzepte statt Abriss Ressourcen eingespart sowie der Umgang mit bestehenden Raum- und Flächenressourcen neu gedacht.
Damit nicht genug: im Bereich der Wasser- und Energieversorgung wird die Verflechtung mit den Landschaftsressourcen in Brandenburg nachhaltiger gestaltet, sodass eine regenerative Ressourcenregion entsteht.“
Auch in der Tagesspiegel-Redaktion haben wir herumprobiert und ChatGPT gebeten, die Stadt mit einer kaputten Schwebebahn zu visualisieren. Selbst im Berlin der der Zukunft dürfte schließlich nicht alles perfekt sein.
Eine solche Magnetschwebebahn hatte nämlich CDU-Fraktionsvorsitzender Dirk Stettner Ende 2023 ins Gespräch gebracht, auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner und die neue Verkehrssenatorin Ute Bonde unterstützen das teure Projekt.
Aber was, wenn das futuristische Verkehrsmittel am Ende gar nicht funktioniert, während die bereits existierenden Trams, U- und S-Bahnen viele weitere Jahre Menschen zur Arbeit, in die Schule und zu Freizeitaktivitäten bringen?