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Biden vs. Trump

Biden vs. Trump
So funktioniert die
US-Präsidentschaftswahl
Biden vs. Trump
So funktioniert die
US-Präsident­schaftswahl

Es waren fast drei Millionen Wählerstimmen mehr als Donald Trump, die Hillary Clinton bei der US-Wahl 2016 erhielt. Trotzdem verlor sie. Möglich ist das wegen des amerikanischen Wahlsystems, des sogenannten Electoral College, auf Deutsch „Wahlkollegium“. Bei dem indirekten Wahlsystem wird über Wahlleute bestimmt, wer Präsident der Vereinigten Staaten wird. Versteht man das jahrhundertealte Wahlsystem, versteht man auch, warum manche Staaten so umkämpft sind, was mit der Briefwahl los ist und wo Joe Biden dieses Jahr punkten muss, um Trump zu schlagen.

Wer wählt am Wahltag?

Die US-Wahl findet immer am Dienstag nach dem ersten Montag im November statt – dieses Jahr am 3. November. Wahlberechtigte US-Bürger*innen ab 18 Jahre stimmen nicht direkt für einen der Präsidentschaftskandidaten, sondern geben ihre Stimme für Wahlmänner der bevorzugten Partei in ihrem Bundesstaat ab. Diese Wahlmänner wählen letztlich den Präsidenten. Seit der endgültigen Einführung des Frauenwahlrechts in den USA 1920 können das übrigens auch Wahlfrauen sein.

Dass am Dienstag nach dem ersten Montag im November gewählt wird, hat historische Gründe. Die meisten Amerikaner waren Farmer, im November war die Herbsternte vorüber. Und weil die Wähler teilweise lange zu ihren Wahllokalen reisen mussten, sonntags aber in die Kirche gingen, wurde eben am Dienstag gewählt.

Wie werden die Wahlleute bestimmt?

Demokraten und Republikaner in jedem Bundesstaat entscheiden schon im Sommer vor der Wahl auf Landesparteitagen oder in eigenen Parteigremien, wen sie als Wahlleute ernennen. Jede Partei ernennt so viele Wahlleute, wie es maximal in dem Staat zu gewinnen gibt. Im Falle eines Sieges geben sie dann ihre Stimme für ihren Präsidentschaftskandidaten ab. In Kalifornien zum Beispiel bestimmen Demokraten und Republikaner je 55 Wahlleute.

Und wer bekommt die Stimmen?

Der Gewinner bekommt sie alle: Wer die Mehrheit der Stimmen in einem Bundesstaat gewinnt, darf alle Wahlleute für diesen Staat entsenden. Gehen in Kalifornien etwa 60 Prozent der Wählerstimmen an die Demokraten, so bekommen sie auch alle 55 Wahlleute des Staates – und somit 55 Stimmen für Joe Biden. Die anderen gewählten Wahlmänner bei den Republikanern geben ihre Stimme nicht ab. Dieses Mehrheitswahlrecht hat zur Folge, dass nicht immer der Kandidat mit den meisten Wählerstimmen gewinnt. Hillary Clinton gewann in bevölkerungsreichen Staaten, verlor aber in zahlreichen Staaten ganz knapp gegen Donald Trump. Aber auch in diesen Staaten bekam Trump dann alle Stimmen der Wahlleute.

[Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Experten Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty.]

Das System steht deshalb schon lange in der Kritik. Zwei Staaten machen es deshalb anders: In Maine und Nebraska werden die Stimmen der Wahlleute proportional nach den erlangten Wählerstimmen aufgeteilt.

Welcher Staat bekommt wie viele Wahlleute?

Wie viele Wahlleute jeder Bundesstaat stellt, richtet sich nach der Einwohnerzahl. Der bevölkerungsreichste Staat Kalifornien hat die meisten – 55 Wahlleute. Staaten mit wenigen Einwohnern wie Vermont haben nur drei.

Wann gewinnt ein Kandidat?

Insgesamt 538 Wahlleute gibt es in allen Bundesstaaten zusammen. Der Gewinner muss mehr als die Hälfte davon bekommen. Also brauchen Trump und Biden mindestens 270 Stimmen, um zu gewinnen. Das System der Wahlleute ist übrigens ein Kompromiss. Die Mitglieder des Verfassungskonvent im Jahr 1787 konnten sich nicht einigen, ob das Volk das Staatsoberhaupt direkt wählen sollte oder ob dem Parlament diese Aufgabe zusteht.

Warum reden alle von Swing States?

In einigen Bundesstaaten steht aufgrund von Umfragen und einer gewissen Wahltradition schon lange vor der Wahl fest, ob Demokraten oder Republikaner die Mehrheit der Stimmen bekommen. In den Swing States ist das unklar. Dort entscheidet sich oft erst am Wahlabend, wer gewinnt. Zwölf Staaten zeigten sich in den vergangenen Wahlen besonders wechselhaft, darunter auch Pennsylvania, Iowa oder Wisconsin. Hier entscheidet sich oft erst spät am Wahlabend, wer die Mehrheit für sich gewinnen konnte. Gerade durch die Briefwahl könnte sich das aber noch länger hinziehen.

Was ist das Problem mit der Briefwahl?

In vielen Staaten können noch bis zum 20. November Stimmen per Briefwahl eintreffen. Bis dahin kann sich also das Ergebnis im jeweiligen Staat noch ändern, wenn das Ergebnis knapp war. Gerade in Zeiten der Pandemie könnte die Briefwahl noch wichtiger werden, weil viele Menschen nicht persönlich zur Wahl gehen wollen. Betriebsänderungen und Sparmaßnahmen bei der amerikanischen Post wurden im September gestoppt, um einen reibungslosen Ablauf der Wahl zu garantieren.

Wie stimmen die Wahlleute ab?

Immer am ersten Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember, dieses Jahr am 14. Dezember, treffen sich die gewählten Wahlleute in den jeweiligen Bundesstaaten, um mit ihren Stimmen den Präsidenten der USA zu wählen.

Die Vertreter sind allerdings nicht verpflichtet, für den Kandidaten ihrer Partei zu stimmen. Immer wieder gab es „faithless electors”, untreue Wahlleute, die ihre Stimme kurzerhand einem anderen Kandidaten gaben. Aber keiner von ihnen hat jemals erfolgreich den Ausgang einer Wahl verändert.

Wann werden diese Stimmen ausgezählt?

Alle Stimmzettel aus den 50 Bundesstaaten und dem District of Columbia werden an den Präsidenten des US-Senats gesendet. Am 6. Januar treffen sich Repräsentantenhaus und der Senat zur gemeinsamen Auszählung im Kongress, der im berühmten Kapitol in Washington D.C. tagt.

Wann beginnt die Amtszeit des neu gewählten Präsidenten?

Am 20. Januar 2021 um 12 Uhr schwört der gewählte Präsident seinen Amtseid auf die Verfassung. Noch am selben Tag zieht der Gewinner ins Weiße Haus.

Die Autoren

Felix Möller
Illustration
Helena Wittlich
Text & Recherche
Veröffentlicht am 19. Oktober 2020.