Gelder aus der Industrie, von Stiftungen und Studiengebühren: 2,4 Milliarden Euro nahmen Berlins Hochschulen 2020 ein, Tendenz steigend. Sie stammen zum Beispiel aus Drittmitteln, aus den Uni-Krankenhäusern oder von Stiftungen. So erhalten die 40 Hochschulen der Hauptstadt insgesamt mehr als von ihren Trägern.
Von den Trägern erhielten die Fachbereiche 2020 insgesamt 1,7 Milliarden Euro. Das plus die 2,4 Milliarden an Einnahmen verteilen sich auf circa 200.000 Studierende in der Hauptstadt – und zwar äußerst ungleich. Daten zeigen: Einige Fachbereiche erhalten besonders viel pro Studi.
Letztere allerdings profitieren meist kaum von den Einnahmen ihrer Fachbereiche. Sie sitzen weiterhin in überfüllten Hörsälen, Promovierende stemmen neben ihrer Dissertation die Lehre mit. Das System der Drittmittel verschärft dieses Problem teilweise noch weiter.
Klar am meisten Geld im Verhältnis zur Studierendenzahl gibt es in der Humanmedizin. Auf eine:n Studierende:n kommen 275.000 Euro. Ein Vielfaches mehr als etwa in der Landespflege und Umweltgestaltung, dort sind es nur 100 Euro.
Die meisten Studierenden in Berlin, fast 15 Prozent, gibt es in den Wirtschaftswissenschaften, also in Fächern wie BWL oder VWL. Laut Hochschulfinanzstatistik stammen dort 75 Prozent der Einnahmen des Fachs aus Studiengebühren. Gut die Hälfte studiert Wirtschaftswissenschaften an einer Fachhochschule. An den privat Finanzierten zahlen Studierende höhere Gebühren, auch sie zählen zu den Einnahmen.
In den meisten Fächern weichen Berlins Studierendenzahlen kaum vom Bundesschnitt ab. Nur im künstlerischen Bereich schert die bunte Hauptstadt aus. Der Anteil Kunst- und Kunstwissenschaftenstudierender ist 85 Prozent höher als in Gesamtdeutschland. Das liegt an der renommierten Universität der Künste. Sie ist die größte Kunsthochschule Europas. Die Einnahmen der künstlerischen Fächer hingegen sind durchschnittlich.
Naturwissenschaftliche Fächer wie Chemie, Physik und Biologie, sowie Maschinenbau liegen oberhalb der Trennlinie: Sie nehmen besonders viel pro Studierenden ein. Am deutlichsten klaffen Studierendenzahl und Einnahmen in der Ärzt:innenausbildung auseinander. Der humanmedizinische Fachbereich nimmt 71 Prozent des Geldes ein, das alle Fachbereiche erhalten. Allerdings sind nur sechs Prozent aller Berliner Studierenden in Humanmedizin eingeschrieben.
Grund sind die Unikrankenhäuser. Auch ihre Einnahmen fließen in die Hochschulstatistik mit ein. In Berlin ist es die Charité. Sie betreibt rund 100 Kliniken und Institute. 84 Prozent ihrer Einnahmen erwirtschaftet die Berliner Humanmedizin selbst – so viel wie kein anderer Fachbereich. Doch trotz der hohen Einnahmen machte die Charité 2020, dem Jahr der Corona-Pandemie, 1,3 Millionen Euro Verlust. Ein Krankenhaus generiert viele Einnahmen. Doch es kostet auch viel.
Das günstige Gegenstück sind Fächer, die man als Buchwissenschaften bezeichnen könnte. Studiengänge wie Jura oder Erziehungswissenschaften finden überwiegend am Schreibtisch statt. Gesetzestexte sind bekanntlich günstiger als MRT-Geräte.
Um moderne Geräte und aufwändige Forschungsprojekte zu bezahlen, werben Fachbereiche Drittmittel ein. Insgesamt 630 Millionen Euro erhielten die Berliner Hochschulen 2020 von Wirtschaft, Stiftungen und Co. Auch sie verteilen sich ungleich – ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass die Geldbedarfe auseinanderklaffen. Der Maschinenbau-Fachbereich nahm knapp sechsmal so viel ein wie der soziologische.
„Große, ingenieurswissenschaftliche Sonderforschungsbereiche sind einfach auch teurer als geisteswissenschaftliche Forschungsgruppen“, sagt Marco Finetti, Pressesprecher der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
Die DFG wird von Bund und Ländern finanziert, also von Steuergeldern. Fast 40 Prozent der Drittmittel, die Unis erhalten, stammen von ihr. Zweitgrößter Förderer ist der Bund, gefolgt von der EU.
Man fördere keine Fachbereiche bevorzugt, sagt Finetti von der DFG. Als Kriterien nennt die DFG auf ihrer Website Qualität und Ziele des Vorhabens. Welcher Fachbereich bereits wie viel Geld hat, wie viele Studierende er ausbildet oder wie gesellschaftlich relevant die Forschung ist, ist keines.
Die DFG fördere auch Grundlagenforschung, der Bund hingegen vor allem mit Blick auf die gesellschaftliche Bedeutung der Forschung. Das sagt Mathias Winde vom Stifterverband, der unter anderem die Regierung in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Innovation berät.
Viertgrößte Förderer sind die Wirtschaft und andere Geldgeber mit Interesse an Forschungsergebnissen. Dazu zählen die Kirche, und Vereine, Institute und Gesellschaften, wie das Zentrum für Luft- und Raumfahrt, die Helmholtz- und Leibnitz-Institute, die großteils staatlich finanziert sind.
Der Anteil der Wirtschaft ist bei Fachhochschulen mit zwölf Prozent deutlich als bei Universitäten (zwölf Prozent). Der Schwerpunkt der Fachhochschulen ist anwendungsnah. Attraktiv für die Wirtschaft.
Ob aus der Wirtschaft oder vom Bund: Wichtig sei, dass Drittmittel aus verschiedenen Töpfen kämen, das schaffe eine diverse Forschungslandschaft, sagt Winde. Weniger divers als die Geldgeber sind die Verwendungsmöglichkeiten der Fächer für ihre Drittmittel. Nur äußerst selten kann mit ihnen die Lehre finanziert werden, kritisiert Winde.
Förderer vergeben Drittmittel für Forschungsgruppen, Sonderforschungsbereiche oder Graduiertenkollege.
An der Zahl der Studierenden am Fachbereich und ihren Ausbildungsbedarfen orientieren sich Drittmittelvergaben nicht. An den Promovierenden hingegen schon – zumindest indirekt. Häufig finanzieren Drittmittel Dissertationen. 2018 waren laut der DFG 58 Prozent der abgeschlossenen Promotionen mindestens einen Monat lang DFG-finanziert. Aktuellere Zahlen gibt es nicht.
Drittmittel ermöglichen also Promotionen. Ein hoher Anteil von Promovierenden kann ein Indikator für die Fähigkeit eines Fachbereichs sein, Drittmittel einzuwerben. Besonders hoch ist er in vielen Naturwissenschaften: Fächer, in denen eine wissenschaftliche Karriere üblicher ist als anderswo.
Nachfrage plus die Möglichkeit, Drittmittel einzuwerben, das ergibt einen hohen Promovierenden-Anteil. Doktorand:innen profitieren also vom Drittmittelsystem. Aber sie leiden auch darunter. Oft kommt die eigene Forschung zu kurz. Sie erledigen die Lehre, für die es kaum Förderungsmöglichkeiten gibt, nebenbei.
An sich sei das nicht unbedingt problematisch, sagt Winde vom Stifterverband. Wichtig sei ein angemessenes Verhältnis zwischen Aufgaben am Fachbereich und eigenen Projekten. Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Promovierenden und Betreuenden mache es ersteren jedoch schwer, ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Lehre und Forschung zu finden.
Das Drittmittelsystem bringt ein weiteres Problem für Promovierende mit sich: Die Laufzeit der Verträge ist auf die des Drittmittelprojekts beschränkt, nicht selten liegt sie auch darunter. Die durchschnittliche Vertragslaufzeit Promovierender liegt bei 1,8 Jahren, die durchschnittliche Promotionsdauer bei 4,7. Das geht aus dem Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2021 zeigte. Wer nicht fertig ist, wenn der Vertrag ausläuft, hangelt sich ab dann nicht selten von Befristung zu Befristung – und kommt erstrecht nicht mehr zum Forschen.