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Russland hat mehr Streitkräfte, mehr Waffen und einen weitaus größeren Staatshaushalt als die Ukraine. Dass sich die Ukraine nach einem halben Jahr Krieg trotzdem noch verteidigen und seine Bevölkerung noch an vielen Orten einigermaßen versorgen kann, liegt vor allem an der internationalen Unterstützung. Insgesamt 84,17 Milliarden Euro wurden von Regierungen bislang in Form von Geld, Waffen und Hilfsgütern zugesagt. Zum Vergleich: Der deutsche Verteidigungshaushalt 2022 beträgt 50,4 Milliarden Euro.
Die öffentliche Debatte fokussiert sich dabei häufig auf die Lieferung schwerer Waffen. Diese machen allerdings nur einen Teil der Hilfsleistungen aus. Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel sammelt die verschiedenen zugesagten und geleisteten Hilfen in einer Datenbank. Analysiert man diese Daten im Detail, zeigen sich starke Unterschiede, wer die Ukraine wie unterstützt.
Die meiste Unterstützung haben bisher die USA zugesagt: Insgesamt 45 Milliarden Euro sind in der Datenbank verzeichnet. Das ist mehr als die Hälfte aller Hilfen seit der Invasion der Ukraine durch Russland. Allerdings leben in den USA auch dreieinhalb Mal so viele Menschen als in Deutschland. Doch auch wenn man den Gesamtwert der Unterstützungen durch die Zahl der Einwohner teilt, zahlt die USA mit 136 Euro pro Kopf noch weitaus mehr als Deutschland mit 78 Euro pro Kopf. An der Spitze liegt mit Abstand Norwegen bei 242 Euro pro Kopf. Allerdings ist in Norwegen auch die Wirtschaftsleistung wesentlich höher. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt liegt Estland mit fast einem Prozent seines BIP an der Spitze, gefolgt von Lettland und Polen. Die USA landen mit 0,22 Prozent ihres BIP auf Platz 10, Deutschland mit 0,17 Prozent auf Platz 17.
Von den insgesamt 84 Milliarden an Hilfen sind bislang 38,6 Milliarden Euro für militärische Mittel zugesagt worden, egal ob Waffen, Beratung, Training oder Munition. Die humanitären Hilfen machen nur 13 Milliarden aus.
Aus den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich kommt der Großteil der Hilfen in Form von Waffen, Munition und anderen militärischen Hilfen. Zählt man die Unterstützungsleistungen der EU-Staaten zusammen, fällt auf, dass lediglich 29 Prozent der Hilfen militärischer Art sind.
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Viele EU-Staaten sind wesentlich vorsichtiger mit direkter militärischer Unterstützung, weil sie engere Beziehungen zu Russland haben. Andere fürchten, Russland könnte Waffenlieferungen als direkte Einmischung in den Krieg wahrnehmen.
Ein weiterer Grund ist jedoch die Struktur der Europäischen Union. Da es in vielen Bereichen keine klare gemeinsame Sicherheitspolitik in der EU gibt, leisten die EU-Institutionen vor allem finanzielle Unterstützung. Die militärische Unterstützung wird in zahlreichen Einzelverhandlungen bilateral zwischen EU-Staaten und der Ukraine verhandelt.
In einer Einzelauswertung haben IfW-Forschende die Unterstützungszahlungen noch mal genauer analysiert. Demnach kommen 55 Prozent der Waffen in Form von Geld für Waffen, nicht in Form tatsächlicher Panzer, Bomben oder Gewehre. Dann dauert es eine Weile, bis versprochene Waffen geliefert werden.
Die folgende Auflistung zeigt, welche Waffen bisher zugesagt und geliefert wurden. Im Vergleich dazu wird die Anzahl gezeigt, die von der Ukraine als ihrer Meinung nach notwendige Menge gefordert wurde. Zur Einordnung zeigt die Liste außerdem die bekannte Menge der jeweiligen Waffensysteme in Russland und der Ukraine vor Kriegsbeginn.
Je nach Militärausstattung, politischer Position und der nationalen Rüstungsindustrie kommen die direkten Waffenlieferungen aus unterschiedlichen Ländern.
Nicht nur bei militärischen Unterstützung an die Ukraine leisten die USA den größten Teil, auch bei den bilateralen humanitären Hilfen zahlen sie am meisten. Deutschland landet hier auf Platz zwei, am BIP gemessen auf Platz sechs.
Der Großteil der Hilfszahlungen sind keine Geschenke, wie sich das vielleicht viele vorstellen, sondern Kredite. Davon nimmt die Ukraine derzeit überall welche auf und muss das Geld irgendwann wieder zurückzahlen. Und die Unterstützer wie Deutschland, die USA oder die EU leihen sich dieses Geld wiederum an den Kapitalmärkten. Sie bürgen also eher, als dass sie das Geld ausgeben, zum Teil auch direkt in Form von Garantien. Bereichern tun sich die Kreditgeber aber nicht unbedingt. So übernimmt etwa die EU Zinszahlungen auf die Kredite, und legt Anteile des verliehenen Geldes in ihrem Haushalt zurück - für den Fall, dass die Ukraine nicht zurückzahlen kann.
Darüber hinaus gibt es Unterstützung durch Swap-Vereinbarungen: Dies sind Verträge zwischen Zentralbanken, die der Ukraine den Zugriff auf Fremdwährungen sicherstellen sollen.
Neben staatlichen Krediten sammelt die ukrainische Regierung dadurch Geld, dass sie Staatsanleihen vergibt, sich also Geld von ihrer eigenen Bevölkerung oder Investoren leiht. Mit bis zu elf Prozent Zinsen sind diese riskanten Kredite lukrativ für Anleger. Das heißt auch, dass die Ukraine sich extrem hoch verschuldet.
Viele Hilfen wurden erst spät verabschiedet. Die folgende Grafik gibt einen Überblick, in welchem Monat die jeweiligen Hilfen verbindlich zugesagt wurden.
Bis die zugesagten Unterstützungen bei den Menschen in der Ukraine ankommen, vergeht anschließend unterschiedlich viel Zeit. In manchen Fällen ist das ein Problem, beispielsweise wenn benötigtes Verbandsmaterial erst lange nach der Zusage geliefert wird. Es gibt aber auch Fälle, in denen das gewollt ist, beispielsweise bei regelmäßigen Lieferungen oder mittelfristigen Krediten.
Wie lange es genau dauert, ist schwer nachzuvollziehen, da es sich um zahlreiche Einzelversprechen handelt.
Für die Unterstützung über bilaterale Haushaltshilfen, also finanzielle Unterstützungen für den ukrainischen Staatshaushalt, gibt es eine genauere Auswertung.
Insgesamt wurden bislang 43,5% der Haushaltshilfen tatsächlich ausgezahlt. Ähnlich sieht es bei den Waffenlieferungen aus.
Von den militärischen Sachhilfen im Wert von 16,2 Mrd. Euro, die bislang versprochen wurden, ist erst knapp die Hälfte in der Ukraine angekommen.
Zusammen zeigen die verschiedenen Grafiken sehr deutlich, wie unklar der weitere Verlauf der Ukraine-Invasion weiterhin ist. Ein großer Teil der versprochenen Hilfen kommt jetzt erst in der Ukraine an, was bedeuten könnte, dass die ukrainischen Streitkräfte bald wesentlich besser ausgestattet sind und dann eventuell bessere Chancen hätten. Aber auch Russland hat weiterhin Nachschub, bei dem sehr intransparent ist, wie lange er vorhält.
Seit Ende Juli, dem letzten Monat den das IfW Kiel komplett in seinen Daten erfasst, sind weitere Hilfszusagen hinzugekommen. Bei einer internationalen Geberkonferenz in Kopenhagen am 11. August wurden etwa 1,5 Mrd. Euro zugesagt; und zum sechsmonatigen Jahrestag der russischen Invasion gab es Vesprechen über Militärhilfen in beträchtlichem Umfang. Die USA sagten ein großes Packet im Wert von 3 Mrd. Euro zu, Olaf Scholz 500 Millionen Euro, das Vereinigte Königreich weitere 64 Millionen.
Ob sich die Unterstützerstaaten solche Hilfen weiter leisten können und wollen, und ob sie angesichts der militärischen Lage ausreichend sind, ist jedoch weiterhin ungewiss.
Die Daten stammen aus dem Ukraine Support Tracker des IfW Kiel.
Das Projekt sammelt die Unterstützungsleistungen von 40 Ländern, sowie den EU-Institutionen. Berücksichtigt werden nur Leistungen der jeweiligen Regierungen, die direkt an die ukrainische Regierung gehen. Damit sind private Spenden ebenso nicht enthalten, wie beispielsweise Ausgaben der Regierungen für die Unterbringung Geflüchteter im eigenen Land.
Die Daten umfassen den Zeitraum vom 24.1. bis zum 3.8., und wurden zuletzt am 18.8. veröffentlicht. Das Paper zu dieser 5. Version findet sich hier.