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Ausgebaut

Berlins explodierende Bodenpreise machen Wohnungsbau unbezahlbar

Berlins Boden wird rasant teurer. Das macht bezahlbaren Wohnraum im Zentrum zunehmend unmöglich. Durch Verkäufe hat die Politik mitgespielt – trotz großer Versprechen. Über den Schlüssel zur aktuellen Mietmisere und warum er kaum Beachtung findet.
Berlins Boden wird rasant teurer. Das macht bezahlbaren Wohnraum im Zentrum zunehmend unmöglich. Durch Verkäufe hat die Politik mitgespielt – trotz großer Versprechen. Über den Schlüssel zur aktuellen Mietmisere und warum er kaum Beachtung findet.

Es ist ein großes Versprechen, das die Berliner Politik ihren Bürgern gemacht hat: endlich etwas gegen die Verdrängung von Normalverdienern und Menschen mit niedrigem Einkommen aus den Innenstadtbereichen zu tun. Es gelte, „den sozialen Ausgleich in unserer Stadt zu bewahren und zu fördern, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, heißt es im aktuellen Koalitionsvertrag.

Massive Investitionen in den Wohnungsbau sollen verhindern, dass es so kommt wie in anderen europäischen Metropolen, wo Hochhäuser das Bild der Innenstädte prägen, diese nachts verwaisen und zweistündige Arbeitswege auf jene zukommen, die nicht zu den Topverdienern gehören.

„Niemand kann es sich derzeit leisten, günstige Wohnungen zu bauen. Die Bodenpreise sind zu hoch dafür“, sagt Markus Viering. Der Professor für Immobilienmanagement an der Technischen Universität Berlin zerstört naive Hoffnungen, dass man gegen den Wohnungsmangel anbauen könnte. Dafür müsste mehr passieren. Was?

Wie viel für Boden bezahlt wird, ist ein frühes Anzeichen für die Stadtentwicklung. Ob Mietshaus, Eigentumswohnung oder Schule: Wer bauen will, braucht Boden. Der ist in Städten knapp und entsprechend begehrt. Wer heute Grundstücke kauft, um zu bauen, muss die Kosten dafür mit künftigen Mieten oder Renditen verrechnen. Je teurer der Boden, desto höher die Preise.

Doch ist diese Dynamik nicht sofort sichtbar, sie kommt in der Stadt mit trügerischer Verzögerung an. Eine Tagesspiegel-Analyse der Berliner Bodenpreise zeigt: Der Prozess ist viel weiter vorangeschritten, als den Menschen bewusst ist. Und zurückdrehen lässt er sich nicht mehr ohne Weiteres.

So sind Preise für Bauland in Berlin enorm angestiegen und liegen heute fünfmal höher als im Bundesdurchschnitt. Trotzdem werden sie – im Gegensatz zu Mieten, Baukosten und Zinsen – in der Debatte um die Wohnungsnot bisher kaum berücksichtigt. Dabei entscheiden sie maßgeblich mit, welche Gebäude gebaut werden.

Im Rahmen der europäischen Gemeinschaftsrecherche „Ground Control“ schauen wir uns deshalb den Bodenmarkt in verschiedenen Städten Europas an. Und geben Einblicke in die Funktionsweise dieses Marktes. Die Bodenpreise offenbaren dabei, wie weit sich die Wohnkrise bereits ausgebreitet hat – und warum sie bald noch tiefere Gräben ziehen wird. Sie droht das soziale Gefüge vieler Städte zu zerreißen.

1733 Euro kostete ein Quadratmeter Berliner Bauland 2022 im Schnitt. 2008 waren es 200 Euro. Von dem Corona-Einbruch haben sich die Preise schnell erholt.

Warum Bodenpreise der Schlüssel zur Wohnkrise sind

Obwohl die langfristigen Folgen dieser Bodenpreisexplosion noch wenig sichtbar sind, geben sie der Stadt schon jetzt ein anderes Gesicht. Denn teurer Boden bedeutet, dass sich bald nur noch der Bau von Büros, möblierten Apartments und Luxuswohnungen lohnt. Während das Material für ein Gebäude – Ziegel, Beton, Kabel – überall in Deutschland ähnlich viel kostet, ist Boden unterschiedlich viel wert, abhängig von der Lage.

Man muss sich dafür das Prinzip einer Waage vorstellen: Drückt die Last hoher Anfangsinvestitionen auf die Bilanz, und Grund ist immer das, was als erstes erworben wird, kann sie nur durch hohe Erträge bei Abschluss des Projekts aufgewogen werden. Luxuswohnungen, Coworking Spaces und Gewerbe ermöglichen diese Erträge eher. In ein paar Jahren, wenn die Gebäude fertig sind, werden sie mitbestimmen, wer sich Wohnen in Berlin noch leisten kann. Dann wird es zu spät sein, um gegenzusteuern.

Selbst Teile der Baubranche sehen die hohen Preise mittlerweile als Problem. Markus Viering, der neben seiner TU-Professur auch Geschäftsführer der KVL Bauconsult GmbH ist, die große Bauprojekte in Berlin und anderswo betreut, sagt: Die Stadt stehe vor einem Problem, Projektentwickler könnten zu den aktuellen Kosten nicht mehr bauen. „Wenn niemand gegensteuert, gibt es bald keinen bezahlbaren Wohnraum mehr in Berlin.“

Wie ist es dazu gekommen?

Preistreiber ist genau das beliebte Berliner Kiez-Gefühl im Ring. In einigen Kiezen haben sich die Bodenrichtwerte in den vergangenen zehn Jahren verzehnfacht. In Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow sind die Durchschnittspreise am stärksten gestiegen, nämlich um 690 beziehungsweise 460 Prozent. Am teuersten ist Mitte.

Der höchste Richtwert wurde – wenig überraschend – am Brandenburger Tor ermittelt, nämlich 70.000 Euro pro Quadratmeter. Von diesem Hotspot aus wird es günstiger, je weiter man in die Außenbezirke blickt. Günstig ist der Boden, wo nichts gebaut werden kann – zum Beispiel im Wald. Oder weit außen in Reinickendorf, wo der Durchschnittspreis für Wohn- und Mischgebiete mit 627 Euro am niedrigsten und die Preissteigerung mit 218 Prozent am moderatesten ist.

Dazu muss man wissen, dass Bodenrichtwerte ein abstraktes Instrumentarium sind. Sie setzen sich zusammen aus dem Durchschnittswert aller Transaktionen, also Verkäufen im Vorjahr. Aus den Kaufverträgen erstellt der Gutachterausschuss die Bodenrichtwerte für bestimmte Zonen der Stadt. Er bewertet die Lagen, schaut auf die Nutzungen in dieser Gegend und die Volumen der Baukörper, mit denen Grundstücke genutzt werden können. Je größer und höher gebaut werden darf, desto wertvoller das Land.

Der Bodenrichtwert soll Transparenz schaffen und macht den Markt sichtbar, erklärt der Wirtschaftssoziologe Alexander Dobeson von der Business School in Kopenhagen den Mechanismus. Steuern tut er die Preisentwicklung nicht. Bodenpreise sind nicht reguliert, auch Steuern bestimmen sich nicht an den Richtwerten. Zuletzt gab es in den Siebzigern eine politische Debatte, ob man Bodenrichtwerte nicht auch zur Ermittlung einer Bodenwertsteuer einsetzen könne. Die SPD schlug damals eine Wertzuwachssteuer vor, die Gewinne aus Boden abschöpft (mehr dazu im Infokasten).

Bodenrichtwerte und Bodenreform-Bewegung: eine deutsche Besonderheit

Der Wert von Boden und der Umgang damit hat in Deutschland eine komplexe politische Geschichte. Dass es die obige Karte der Bodenrichtwerte für Berlin gibt, ist eine der Folgen davon, sagt der Wirtschaftssoziologe Alexander Dobeson von der Business School in Kopenhagen. Er erforscht die Geschichte des Landbesitzes in Europa.

Die Gutachterausschüsse errechnen seit 1960 jährlich die Bodenrichtwerte in Deutschland, um Markttransparenz und Fairness auf dem Markt zu schaffen. Das sei eine Folge der politischen Debatten in Nachkriegsdeutschland: Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte man den Handel mit Boden nur unter bestimmten Rahmenbedingungen liberalisieren, um Spekulation und Preisblasen vorzubeugen. Während des Nationalsozialismus waren die Preise nämlich eingefroren.

Schon vor dem Dritten Reich hatte es in Deutschland, aber auch in Ländern wie dem Vereinigten Königreich und den USA, lange Zeit Verfechter einer „Bodenreform“ gegeben. Dabei sollte beispielsweise durch Spekulation mit Grund und Boden erzieltes „unverdientes Vermögen“ durch Besteuerung umverteilt werden. Andere wollten einen möglichst verteilten Bodenbesitz über einzelne Besitzer. Solche Strömungen gab es sowohl im sozialdemokratischen, linken, liberalen als auch im rechten politischen Spektrum. Nicht zuletzt, argumentierten einige Vordenker, würde eine bessere Verteilung von Boden verhindern, dass sich die Gesellschaft in zu kommunistische oder zu kapitalistische Richtungen polarisierte.

Die Nationalsozialisten zentralisierten die Kontrolle über den Boden, der Grundstücksmarkt wurde eingefroren und sie verbanden Boden mit völkischen Argumenten. Vor allem Boden und Immobilien jüdischer Deutscher wurden im Rahmen der „Arisierung“ enteignet.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde in den Alliierten Besatzungszonen darüber diskutiert, Großgrundbesitzer zu enteignen, um einen demokratischen und dezentralisierten Wiederaufbau zu ermöglichen. In der Nachkriegs-Bundesrepublik endeten diese Bestrebungen. Die in den sechziger Jahren gegründeten Gutachterausschüsse sollten stattdessen gewährleisten, dass es keinen intransparenten und unkontrollierten Handel mit Boden gibt, erläutert Dobeson. So schufen sie ein bodenpolitisches Element, das aber nicht direkt in den Markt oder die Besitzverhältnisse interveniert.

Die regelmäßige Sammlung und Veröffentlichung der Bodenwerte aus Verkäufen sollte Markttransparenz schaffen: Menschen und Politik können sehen, was auf dem Bodenmarkt passiert. Steuern tut das Instrument ihn nicht – auch wenn es zwischenzeitlich politische Bestrebungen in die Richtung gab. Sie kamen aber nie wirklich weit, so der Forscher. In den 1970ern scheiterte der letzte ernstzunehmende Vorstoß der SPD, allein durch den Preissteigerungen des Bodens erzielte Gewinne durch eine Wertzuwachssteuer abzuschöpfen. Heute dienen die Bodenrichtwerte vor allem als Orientierungshilfe für Käufer und Verkäufer. Außerdem spielen sie eine wichtige Rolle für die Beleihung von Grundstücken.

Boden ist immer da, er wird wertvoll durch das, was auf ihm entsteht. Gebäude sind dagegen bloß Gebrauchsgegenstände. Sie haben einen Preis und mit zunehmendem Alter auch eine Bedeutung, aber während sie ausgetauscht werden können, ist Boden, im Gegensatz zu anderen Gütern, begrenzt. Flächen können nicht einfach vermehrt werden. Und weil Bodenpreise im Gegensatz zu Mieten nicht reguliert sind, klettern sie nach oben, je urbaner eine Gegend wird. Bauten dort versprechen bessere Renditen, für eine begehrte Lage zahlen Menschen mehr.

Die Bodenpreisspirale und was sie mit der Stadt macht

Das setzt eine Spirale in Gang. Denn auch in umliegenden Gegenden steigen die Bodenpreise an. Das setzt sich in konzentrischen Kreisen fort. Immer teurere Gebäude entstehen, der Druck auf die günstigeren wächst.

Mehr als 80 Prozent der Preisanstiege bei Hauspreisen sind auf den Anstieg der Bodenpreise zurückzuführen, fanden Forscher 2012 heraus. „Die Grundstückspreise (…) sind der Schlüssel zum Verständnis der Entwicklung der Hauspreise“, heißt es in der Studie „No Price Like Home“, die Hauspreise weltweit seit 1870 analysiert hat. Am Ende beeinflussen Bodenpreise indirekt auch die Mieten.

Derzeit ist viel vom Ende des Berliner Immobilienbooms die Rede. Aber das heißt nicht, dass nicht mehr gebaut würde. Sondern womöglich anders. In den Blick geraten ist eine Käuferschicht, die mit dem Anstieg der Bodenpreise mithalten kann. Möblierte Apartments lassen sich teurer vermieten, Eigentumswohnungen teuer verkaufen. Nur sie ermöglichen an Orten mit hohen Bodenpreisen noch, ohne Verlust zu bauen.

Vor diesem Hintergrund erscheint es nur logisch, dass in Berlin derzeit so viel Luxus und so wenig bezahlbarer Wohnraum entsteht. Der Marktmechanismus führt dazu, dass sich viele Menschen die Stadt nicht mehr leisten können.

Vorgaben der Politik dämpfen den Effekt zwar, indem sie regeln, was wo gebaut werden kann: Gewerbe hier, Wohnungen dort, vielerorts in Berlin beides gemischt. Dafür gibt es den Flächennutzungsplan und Bebauungspläne. Investoren können nicht willkürlich entscheiden, ob sie Wohnraum, Büros oder Gewerbeflächen bauen. Wollen sie vom Bebauungsplan abweichen, müssen Land und Bezirke zustimmen.

Aber auf die Preise kann die öffentliche Hand kaum Einfluss nehmen. Als Werkzeug stehen ihr allenfalls Vorgaben im Bebauungsplan zur Verfügung, wie viel geförderter und preisgebundener Mietwohnraum in einem Bauprojekt entstehen soll. Die Förderung dafür kommt allerdings vom Land. Voran geht es nur langsam. 350.000 städtische Wohnungen gab es Ende 2022 in Berlin – nur acht Prozent davon sind im vergangenen Jahrzehnt entstanden, wie aus einer Pressemitteilung des Senats hervorgeht.

Die Politik hat versäumt, Boden bezahlbar zu halten

Die Wirkung solcher Stellschrauben ist gering im Vergleich zu dem, was bis vor 15 Jahren möglich gewesen wäre. Das Land beteiligte sich indirekt an der Verteuerung des Bodens, indem es massenweise landeseigene Grundstücke verscherbelte. Seit 1989 verkaufte es achtmal so viel Fläche wie das Tempelhofer Feld, größer als ganz Friedrichshain-Kreuzberg: 23,6 Millionen Quadratmeter.

Erst Anfang 2013 beschloss die Politik, den Verkauf seiner Brachen an den Höchstbietenden einzustellen. Erst 2019 beschloss man endgültig, keine Grundstücke mehr zu verkaufen, sondern sie bevorzugt per Erbbaurecht zu vergeben. Dann bleiben die Grundstücke in Landesbesitz und werden verpachtet.

Auf Teilen des damals billig verkauften Baulands entstanden teure Eigentumswohnungen, auf anderen Einkaufszentren und Büroflächen. Das trieb den Wert der Gegenden stärker in die Höhe als zuvor. Wir haben berechnet, welche Berliner Wohn-Grundstücke die stärksten Wertsteigerungen seit 2013 verzeichnen. Überraschung: Viele davon waren einmal im Besitz der öffentlichen Hand.

Ein Beispiel: Nur einen Steinwurf vom Auswärtigen Amt entfernt, gegenüber des Hausvogteiplatzes befindet sich nach Tagesspiegel-Berechnungen eines der Flurstücke mit den höchsten Wertsteigerungen in der ganzen Stadt – von 4000 Euro pro Quadratmeter 2013 auf 14.000 Euro 2023.

2005 hatte der Bodenrichtwert in dieser Gegend bei nur 2200 Euro pro Quadratmeter gelegen. Das war das Jahr, in dem das Land Berlin die damals leere Brache verkaufte. Jetzt stehen dort Townhouses, die verschiedenen Eigentümern gehören.

Für fünfstellige Beträge sollen die Luxuswohnungen nach ihrer Fertigstellung vermietet worden sein, direkt daneben steht heute ein „imposantes Townhouse am Hausvogteiplatz“ für knapp fünf Millionen zum Verkauf. In der Nachbarschaft findet man eine Anzeige für ein „Townhouse mit fünf Terrassen und Parkplatz nahe dem Gendarmenmarkt“ für knapp 12.000 Euro im Monat. Die genaue Adresse steht nicht dabei.

Berlin verdiente an dem Immobilienboom nicht mit. Im Nachhinein steht fest: Die Politik verspekulierte sich. Das Land verkaufte seine Berliner Grundstücke vor zehn Jahren im Schnitt für 140 Euro pro Quadratmeter. Es wurde verkauft, was jetzt für Wohnungsbau und zur Dämpfung der Bodenpreise gebraucht würde. Jetzt kauft das Land wieder Flächen an.

Am Ende profitieren Investoren – die Stadt verliert

„Die Bodenpreiszuwächse kommen ganz besonders einer relativ kleinen Gruppe zugute, die wenig für den Zuwachs getan hat“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Dirk Löhr von der Hochschule Trier. Er meint den Umstand, dass Wertsteigerungen des Bodens durch eine neue U-Bahn oder bessere Schulen erfolgen. Zwar beteiligen sich auch Investoren an der Prosperität, und Einwohner mit höherem Einkommen zahlen mehr Steuern, aber die Hauptlast wird von der Allgemeinheit getragen. Wie kann sie am Wertzuwachs teilhaben?

„Projektentwickler müssen Geld verdienen können“, sagt Viering. „Sie gehen ja ein Risiko ein.“ Er spricht sich für mehr sozialen Wohnungsbau und für Anreize für Investoren aus.

Die Privatwirtschaft bittet den Staat, eine Entwicklung auszugleichen, an der das Land sich zuvor reichlich beteiligt hat und an der Investoren verdient haben. Ein Teufelskreis.

Ist Berlin das neue London? Marktdaten lassen erahnen, dass Berlin dem schon näher ist, als bisher sichtbar und in Mietpreisen spürbar ist. Nach London und gleichauf mit Madrid liegen Berlin und das Umland an zweiter Stelle der großen Städte, in denen große Investoren Bauprojekte kauften.

Seit 2007 nennen die Marktanalysten von „MSCI“ für Berlin-Brandenburg Transaktionen im Wert von acht Milliarden Euro. Berlin ist ein beliebter, weil lukrativer Markt für Investoren.

Und dann ist da noch die Spekulation. Boden zu kaufen, um ihn dann ungenutzt liegen zu lassen, ist in Fachkreisen als „Land Banking“ bekannt. „Die Gewinnmargen waren bei dieser Strategie im letzten Jahrzehnt extrem hoch“, sagt Löhr. So würden Preise für Bauland „durch Spekulation von Finanzinvestoren in die Höhe getrieben“, beklagt Wibke Werner, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins.

Berlins ehemaliger Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) sagte der „Immobilienzeitung“ 2022, ein Drittel aller nicht gebauten Bauvorhaben in Berlin liege aus Spekulationsgründen brach – eine Schätzung, ergänzte er auf Nachfrage. Weiß der Senat mehr? „Wir können nicht sagen, was die Quelle für die Äußerung von Senator Geisel war“, antwortet die Pressestelle. Zwar gebe es „ganz sicher“ Spekulationen mit Grundbesitz. Sie rechtssicher nachzuweisen sei hingegen schwer.

Immerhin macht die Bodenpreisspirale zumindest theoretisch denkbar, dass auch die Spekulation ein Ende haben könnte. Leert sich die Innenstadt, weil dort nur noch hochpreisige Bauten entstehen, könnte die Stadt weniger attraktiv werden. Möglicherweise gehen Bodenspekulanten dann irgendwann die künftigen Abnehmer aus, weil weniger Menschen sich ein Leben in Berlin noch leisten wollen.

Über das Projekt

Der europäische Bodenmarkt ist intransparent. Das erschwert es, Unternehmen zu identifizieren, die Land kaufen, um damit zu spekulieren, oder die Politik für verantwortungslose Deals zur Rechenschaft zu ziehen. Und es verhindert eine transparente Debatte darüber, wie wir als Stadt die letzten Freiflächen nutzen können. Deswegen recherchieren Medien in verschiedenen europäischen Hauptstädten gemeinsam urbanen Landbesitz. Mithilfe von Datenanalysen, Satellitenbildern, Vor-Ort-Reportagen und Experteninterviews versucht die Recherche „Ground Control”, Licht ins Dunkel zu bringen. Eine Übersicht aller internationalen Veröffentlichungen finden Sie auf der Projektwebseite.

Partnermedien und Rechercheorganisationen

Belgien: Apache, Tschechien: Deník Referendum, Frankreich: Mediapart, Polen: Gazeta Wyborcza, Ungarn: Telex, Slowakei: ICJK, Norwegen: iTromsø, Italien: Irpi Media,

In den nächsten Wochen werden weitere Egebnisse veröffentlicht. Einige Rechercheergebnisse aus anderen Städten und Sprachen werden wir zusammenfassen und auf Deutsch übersetzen.

Die Recherche wird von Investigative Journalism for Europe (IJ4EU) Fonds sowie durch Journalismfund unterstützt. Die Entwicklung der Technologien für das Urban Journalism Network sowie diese Recherche werden durch das Programm Stars4Media unterstützt.

Über die Daten

Preise für Bauland in Berlin: Das Amt für Statistik Berlin/Brandenburg erfasst die Käufe beziehungsweise Verkäufe von unbebauten Grundstücken ab einer Größe von 100 Quadratmetern. Es werden Preise und Merkmale der verkauften Grundstücke (Fläche, Lage, Art des Grundstücks und des Baugebietes) sowie die Art des Käufers beziehungsweise Verkäufers (Rechtsform, verwandtschaftliches Verhältnis) erhoben. 2020 erfolgte eine Neukonzeption der Bodenmarktstatistik, eine Anpassung an die EU-Statistik. Die Anpassungen erfolgten vor allem bei der Erfassung der Kaufwerte landwirtschaftlicher Flächen. Trotzdem sind alle Werte der Statistik ab 2021 nur noch bedingt mit den Vorjahren vergleichbar.

Bodenrichtwerte: Die Bodenrichtwerte werden vom Gutachterausschuss für Grundstücksgeschäfte Berlin aus Kaufverträgen des Vorjahres bestimmt. Er ist ein durchschnittlicher Wert von Grundstücken in einer bestimmten Lage und berücksichtigt. Bei bebauten Grundstücken bestimmen die Gutachter den Wert, der sich ohne Haus ergäbe.

Transaktionsdaten: MSCI erfasst mit „Real Capital Analytics Transaktionsdaten von Immobiliengeschäften. Die Daten zu Bauprojekten enthalten Verkäufe über fünf Millionen Euro und beziehen sich auf gewerbliche Projekte (Wohnungen, Hotels, Büros etc.). Die Verkäufe werden halbautomatisch erfasst. Vollständigkeit kann nicht garantiert werden.

Fragen? Hinweise? Anregungen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Das Team

Corin Baurmann
Datenrecherche und -analyse
Nina Breher
Recherche und Text
Reinhart Bünger
Beratung
Tamara Flemisch
Webentwicklung
Kirk Jackson
Webentwicklung
Gaby Khazalová
Internationale Koordination (Recherche)
Hendrik Lehmann
Internationale Koordination (Tech & Viz)
Kai Müller
Redigatur
Teresa Roelcke
Redigatur
Lennart Tröbs
Artdirektion un Visualisierung
Helena Wittlich
Daten-Koordination und Recherche
Veröffentlicht am 2. November 2023.
Zuletzt aktualisiert am 7. November 2023.