Voll, voller, Berlin: 1,23 Millionen Pkw sind in Berlin zugelassen – acht Prozent mehr als vor zehn Jahren. Gleichzeitig ist aber auch die Zahl der Menschen gestiegen. Die Bevölkerung wächst schneller als die Zahl der Autos. Pro Kopf gibt es etwas weniger Pkw als 2012. Stark ist der Trend allerdings nicht. Vor zehn Jahren kamen 328,1 Pkw auf 1000 Berliner*innen. 2022 sind es noch 319,4.
Die Autos fahren nur einen geringen Anteil der Zeit, meistens stehen sie: am Fahrbahnrand, auf Gehwegen, Parkplätzen. Besonders präsent sind Autos in Kiezen, wo besonders viele Menschen leben und besonders wenig Fläche vorhanden ist. Das Spannungsverhältnis lässt sich auf der Karte erforschen. Dort kann man schauen, wie viele Autos es im Verhältnis zur Bevölkerung es gibt – oder wie viele pro Fläche.
Die Daten stammen vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Dort wurde die Zahl der registrierten Autos und Anhänger nach Meldeadresse der Besitzer*innen ausgewertet. In anonymisierter Form wurden dem Tagesspiegel die Daten auf Ebene der sogenannten Prognoseräume zur Verfügung gestellt. Davon gibt es 542 und sie entsprechen in etwa dem, was der Berliner „Kiez” nennt, zum Beispiel „Reuterkiez“ in Neukölln. Auch zwischen Privatpersonen und gewerblichen Haltern unterscheidet die Statistik. Die Auswertung zeigt: Die meisten Privatautos sind im Bezirk Steglitz-Zehlendorf registriert, die wenigsten in Friedrichshain-Kreuzberg.
Weil die Zahlen auf Bezirksebene seit 2015 vorliegen, lässt sich auch bezirksweit ein Trend berechnen. Manche Ergebnisse überraschen. In Neukölln ist die Zahl der Autos im Verhältnis zur Einwohnerzahl nicht gesunken, sondern seit 2015 um neun Prozent gestiegen. Insgesamt fahren im Bezirk 3382 mehr Autos herum als vor 10 Jahren.
Am stärksten abgenommen hat die Zahl der Autos in Lichtenberg, hier gibt es nun 27,39 Autos weniger pro 1000 Einwohner als 2015, ein Minus von 27 Prozent – und das, obwohl die absolute Zahl der Autos gestiegen ist: von 79497 auf 80632 Autos. Hier wohnen 2022 deutlich mehr Menschen als zuvor, mehr davon ohne Auto.
Pro Kopf gibt es nur in zwei Bezirken mehr Autos als 2015: in Neukölln und Spandau. Am auffälligsten sind die Kieze Nonnendammallee (Spandau), das Gewerbegebiet Bitterfelder Straße (Marzahn-Hellersdorf) und Gartenfeld (Spandau). In ihnen gibt es jetzt deutlich mehr Autos pro 1000 Einwohner.
Dass der Anstieg so drastisch ist, liegt auch daran, dass es sich dabei um Gebiete mit absolut betrachtet wenigen Autos handelt. Nur 199 (Nonnendammallee), 140 (Bitterfelder Straße) beziehungsweise 49 (Gartenfeld) Privat-Pkw sind dort insgesamt registriert. Zum Vergleich: Im Kiez mit den insgesamt meisten Autos, dem Schweizer Viertel in Steglitz-Zehlendorf, sind 5993 private Pkw angemeldet.
Besonders 2020 und 2021, während der globalen Coronapandemie, stieg die Zahl der Autos stärker an als in den Jahren zuvor. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Menschen aus Angst vor Ansteckung auf private Fahrzeuge umgestiegen sind. Oder sie schafften sich ein eigenes Auto an, um mehr Ausflüge ins Umland zu machen – raus aus dem Lockdown. Aber hier muss man vorsichtig sein mit Schlussfolgerungen, denn die Daten lassen keine eindeutigen Kausalitäten zu.
Ein besonders auffälliger Kiez in Charlottenburg hingegen lässt eine eindeutige Schlussfolgerung zu. Um den George-Grosz-Platz nahe des Ku’damm etwa hat sich die Zahl der Autos innerhalb von zehn Jahren verdreifacht.
An Auto-Ultras liegt das aber nicht: Hier befindet sich der Hauptsitz der Carsharing-Firma „Miles”, deren Autos auf diese Adresse registriert sind. Gewerblich-zugelassene Fahrzeuge machen 12,7 Prozent der Pkw in Berlin aus. Da sie meist auf die Firmenzentrale angemeldet sind, lassen sie sich aber schwerer einem wirklichen Gebiet in der Stadt zuordnen, in dem sie dann auch tatsächlich fahren oder parken. In der Karte haben wir aus diesen Gründen die Zahl der gewerblich-zugelassenen Fahrzeuge ausgeschlosse und zeigen deshalb nur Privat-Pkw an.
Nichtsdestotrotz: Schon bald könnte die Zahl der Autosam George-Grosz-Platz wieder den der umliegenden Nachbarschaften gleichen. Letzte Woche kündigte Miles an, seine Autos künftig in Wiesbaden anzumelden: wegen der langen Wartezeiten bei der Kfz-Zulassung, sagte das Unternehmen.
Dann jedenfalls werden die Miles-Autos zwar weiterhin in Berlin fahren und stehen, aber nicht mehr in der Statistik auftauchen. Auch eine Möglichkeit, die Zahl der Autos in der Hauptstadt zu senken – zumindest auf dem Papier.