Klimaschutz kostet, etwa bei Heizung und Benzin. Aber gilt das auch für den Supermarkt-Einkauf? 15 Prozent der monatlichen Ausgaben eines durchschnittsdeutschen Haushalts fließen in Lebensmittel. Eine CO₂-Steuer für besonders klimaschädliche Nahrungsmittel gibt es nicht. Dabei unterscheiden sich die Emissionen der Produkte teilweise deutlich. Was kosten klimaschädliche Lebensmittel überhaupt? Ist es möglich, klimafreundlich einzukaufen, ohne mehr Geld auszugeben?
Um das herauszufinden, haben wir die durchschnittlichen Kosten gängiger Lebensmittel ins Verhältnis zu ihren Emissionen gesetzt. Die Idee: mehr Klima-Orientierung im Supermarkt. Wo Verbraucher:innen CO₂ einsparen können, ohne dafür mehr zu bezahlen.
Dazu schauen wir auf den Preis. Die folgende Übersicht zeigt den Preis für ein Kilogramm CO₂ – je nach Lebensmittel. Das beschreibt, wie viel man ausgeben muss, um die Menge eines Lebensmittels zu kaufen, die genau ein Kilogramm CO₂-Äquivalent verursacht. Was die Tabelle zeigt: Der Preis pro Kilogramm CO₂ variiert je nach Lebensmittel extrem. Die Klimafolgen sind die gleichen.
Beim Blick auf die Analyse wird schnell klar: Die Klimafolgen spielen beim Preis von Lebensmitteln keine Rolle. Und für Verbraucher:innen ist es schwer, klimafreundlich und günstig einzukaufen.
Denn nicht nur der Preis für ein Kilogramm CO₂ ist je nach Lebensmittel sehr unterschiedlich. Auch die Mengen an Lebensmittel, die man für ein Kilogramm CO₂ bekommt, variieren stark. Bei Joghurt sind das nur 267 Gramm für ein Kilogramm CO₂. Bei Äpfeln sind das 4,5 Kilogramm für ein Kilogramm CO₂. Joghurt ist also klimaschädlicher als Apfel. Aber ist er auch billiger?
Um herauszufinden, welche Produkte trotz Klimafolgen besonders teuer sind, braucht es einen anderen Vergleich. Denn weder Joghurt noch Äpfel noch Kopfsalat und Eier kann man in seiner Ernährung einfach austauschen. Joghurt und Eier liefern Proteine, Äpfel liefern wichtige Vitamine. Kopfsalat Ballaststoffe.
Um Lebensmittel besser vergleichbar zu machen, kann man den Anteil der Emissionen auf eine Portionsgröße umrechnen. Eine Portion deckt ein Drittel des täglichen Nährwertbedarfs – zum Beispiel an Fetten oder Proteinen (mehr zur Methode hier). Erst so lässt sich grob einschätzen, ob es wirklich teurer ist, klimafreundlicher zu essen. Die folgende Grafik ordnet gängige Lebensmittel danach, wie viel sie kosten und wie viel CO₂ sie pro Portion verursachen.
Die Darstellung eignet sich als Spickzettel für den Supermarkt, mit dem sich CO₂-Spar-Potenziale im eigenen Einkaufsverhalten finden lassen: Wer Hähnchenbrust durch ein pro Portion ebenso günstiges, aber klimafreundlicheres Putenschnitzel ersetzt, hilft der Umwelt ein bisschen. Oder statt Champignons auch mal Paprika in den Salat werfen – ist besser fürs Klima.
Die Daten zu den CO₂-Emissionen der Lebensmittel stammen vom Schweizer Unternehmen Eaternity, das Gastronomen und Firmen dabei berät, ihren ökologischen Fußabdruck zu berechnen. Mehr zu ihrer Methodik findest du in diesem Artikel.
Die Preise der Lebensmittel haben wir von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI) erhalten. Im Rahmen des Verbraucherpreisspiegels beobachtet das Marktforschungsunternehmen die Verbraucherpreise von rund 160 Produkten aus konventioneller und ökologischer Erzeugung.
Die Grafik bietet nicht nur Orientierung im Supermarkt. An ihr lässt sich auch grob ablesen, inwiefern Lebensmittelpreise aus Sicht des Klimaschutzes im Ungleichgewicht sind. Denn wo die Grafik rötlich eingefärbt ist, sind Produkte entweder teuer und klimafreundlich oder günstig und klimaschädlich. Gemüse ist tendenziell klimafreundlich, viele Sorten sind aber verhältnismäßig teuer. Fleisch ist tendenziell klimaschädlich, aber eher günstig.
Vor allem Fleisch und Milchprodukte sind überdurchschnittlich klimaschädlich und zumindest in Deutschland zugleich günstig. Die Preise der Discounter, die sich seit Jahren Preiskämpfe liefern, spiegeln die ökologischen Folgen nicht wider. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sprach sich Ende 2021 gegen „Ramschpreise“ von landwirtschaftlichen Produkten in Deutschland aus. Der Preis müsse „die ökologische Wahrheit“ stärker ausdrücken. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern geben deutsche Haushalte besonders wenig für Lebensmittel aus, wie Eurostat-Zahlen zeigen.
In einem Preissystem, das die Klimafolgen von Essen berücksichtigen würde, wären klimaschädliche Produkte teurer als klimafreundliche. In der Grafik lägen dann alle Produkte auf einer imaginären geraden Linie von links unten nach rechts oben. Generell ist die Grafik nur als Orientierung zu verstehen. Was sie aber zeigt: Wer auf günstige Lebensmittel angewiesen ist und das Klima im Supermarkt schützen will, muss sich vor allem bei der Obst- und Gemüseauswahl einschränken. Außerdem sollte man weitgehend auf tierische Produkte verzichten – die sind zwar günstig, dafür aber sehr klimaschädlich.
In diesem Video erfährt Daeng Khamlao, wie man international und dennoch klimafreundlich kochen kann.
Um die Umweltfolgen von Essen einzukalkulieren, fordern einige Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen eine CO₂-Steuer auf Lebensmittel oder für die Landwirtschaft. Wissenschaftler der Universität Augsburg haben 2020 berechnet, wie sich Preise verändern könnten, wenn man die von ihnen verursachten Umweltschäden berücksichtigen würde. Milch würde sich ihrem Modell zufolge um 122 Prozent verteuern. Der Preis für Fleisch aus konventioneller Landwirtschaft würde sogar um 173 Prozent steigen, der für Biofleisch um 126. Milchprodukte würden zu Luxusprodukten – weil sie eben schlecht für Umwelt und Klima sind.
Luxus ist es auch, Tomaten von weither zu importieren oder im Winter im Gewächshaus zu züchten. Die Klimabilanz einer importierten Tomate oder einer, die im Gewächshaus produziert wurde, ist wegen des Transports aber deutlich schlechter als die einer Freiland-Tomate aus Brandenburg.
Eine Stichprobe zusatzfreier Tomatenprodukte eines großen deutschen Supermarkts zeigt, wie groß die Unterschiede in nur einem Supermarktregal sein können – und wie wenig sich das im Preis widerspiegelt.
Zwar sind viele der Tomaten, die wenig kosten, auch emissionsarm. Trotzdem spiegeln sich hohe Emissionen nicht immer im Preis wider. Die Rispentomaten aus Belgien verursachen in der Stichprobe am meisten CO2, sind aber die drittgünstigsten.
Besser sind in diesem Beispiel den Eaternity-Daten zufolge hingegen Dosentomaten. Sie sind nicht günstig (und im Winter oft schmackhafter als frische Tomaten), sondern verursachen vergleichsweise wenige Emissionen – wobei die Verpackung da noch nicht berücksichtigt ist.
Wer Emissionen sparen will, könnte also im Winter Dosentomaten kaufen. Im Sommer ist das nicht unbedingt nötig. Denn bekannterweise hat gerade die Jahreszeit viel mit Emissionen zu tun. Im Winter emittieren klassische Sommergemüse ein Vielfaches dessen, was sie im Sommer an CO₂ ausstoßen. Die folgende Grafik zeigt, wie die Emissionen je nach Jahreszeit steigen. Und wie die Preise steigen – meist nicht im gleichen Verhältnis zum Anstieg der Emissionen.
Zwar werden die gezeigten Gemüsesorten im Winter teurer. Verrechnet man Preis und Emissionen miteinander – zu „Preis pro Kilo CO₂“ –, zeigt sich: der Preis pro Kilo CO₂ ist nicht unbedingt dann am niedrigsten, wenn das Gemüse Saison hat und wenig CO₂ emittiert. Im Verhältnis zu ihren Emissionen sind die Gemüse im Winter sogar günstiger als im Sommer. Andere Mechanismen des Marktes gleichen die Herstellung oder Beschaffung offenbar aus. Die Ernährungsökonomin Ann-Cathrin Beermann führt das auch auf niedrigere Löhne in den Ländern zurück, aus denen wir Tomaten importieren.
„Der Preisunterschied liegt in erster Linie bei den Lohnkosten“, sagt sie in der Tagesspiegel-Videoserie „Papaya und Pommes“ (ganze Folge hier). In Spanien, wo ein Drittel der nach Deutschland importieren Lebensmittel herkommen, liegt der Mindestlohn bei 5,76 Euro, in Deutschland seit 1. Januar 2022 bei 9,82 Euro. Da überrascht es nicht, dass manche spanische Tomaten günstiger sind als deutsche. Das zeigt, dass klimagerechtes Essen nicht allein eine ökologische, sondern auch eine soziale Frage ist.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version waren in der Supermarkt-Stichprobe auch Bio-Tomaten enthalten. Jedoch erlauben die Daten von Eaternity keine so genaue Aufschlüsselung nach biologischer und konventioneller Produktion. Deshalb haben wir die Bio-Beispiele aus Grafik und Text entfernt.
Die Serie Papaya & Pommes beschäftigt sich mit den Klimafolgen unserer Ernährung und internationaler Gastronomie in Berrlin.
In einer Videoserie begleiten wir dabei die Gastronomin Daeng Khamlao auf einer Suche. Sie befindet sich in einem inneren Konflikt. Für die gebürtige Thailänderin ist asiatisches Essen ein Stück ihrer Identität. Dabei sind die Zutaten oft von weither importiert und nicht immer klimafreundlich oder nachhaltig. Wie kann Daeng klimafreundlich kochen, ohne dabei auf die Gerichte aus ihrer Heimat zu verzichten?
In der Videoserie, die der Tagesspiegel mit der Berliner Produktionsfirma Schuldenberg Films entwickelt hat, begibt sie sich auf die Suche nach einer Lösung für ihr Dilemma. Daeng, die das Restaurant The Panda Noodle in Kreuzberg betreibt, besucht in fünf Folgen verschiedene internationale Restaurants und Essensprofis in Berlin und lässt sich ihre Küchen zeigen. Dabei versucht sie, herauszufinden: Wie klimaschädlich ist welche Art zu Kochen wirklich? Kann man weit gereiste Zutaten für thailändische, afrikanische oder indische Gerichte durch regionale Zutaten ersetzen? Oder ist das vielleicht gar nicht nötig? Sie findet dabei ungewöhnliche Gerichte – und vielleicht auch ein bisschen etwas von Berlins Küchen der Zukunft.
In der ersten Folge trifft Daeng die Ernährungsökonomin Ann-Cathrin Beermann und zeigt ihre eigene Küche. Ihr könnt die Serie direkt hier oder auf Youtube ansehen. In Folge zwei besucht sie besondere indische Restaurants. Und in der dritten Folge geht es um vegane Küche mit der Autorin Sophia Hoffmann. Alle Folgen Papaya und Pommes gibt es hier.