Einige hatten die Hoffnung schon aufgegeben. Doch am 31. Oktober 2020 eröffnet der Flughafen Berlin Brandenburg nun doch – 14 Jahre nach dem ersten Spatenstich 2006, neun Jahre nach der geplanten Eröffnung 2011. Auf 1470 Hektar Fläche sollen hier jährlich bis zu 46 Millionen Passagiere abgefertigt werden, langfristig vielleicht sogar 58 Millionen.
Warum hat das noch mal so lange gedauert? Im Rundgang durch ein 3D-Modell des BER erklären wir die wichtigsten baulichen Fiaskos und wie sie gelöst wurden. Und wir geben einen Ausblick, wie es nach der Eröffnung weitergeht.
Zuerst kam der Brandschutz. Den spektakulärsten Auftritt dabei hatte „das Monster“, wie die Entrauchungsanlage intern genannt wurde. Um die ungewöhnliche Architektur des Flughafendachs zu ermöglichen, sollte Rauch im Brandfall nicht nur durch die Decke abgeleitet werden, sondern auch durch unterirdische Luftschächte. 2013 ergeben Tests: Die Kapazität der Anlage reicht nicht, um das ganze Gebäude zu entrauchen und zu belüften. Auch die Steuerung funktionierte schlecht. Also wurde das Monster in beherrschbare Segmente unterteilt und zusätzliche Entrauchungskanäle und -klappen eingebaut. Insgesamt gab es 2013 laut Prüfung 14.750 bauliche Brandschutzmängel.
Ohne die Umbauten hätte der Rauch bei einem Feuer nicht richtig abziehen können. Im schlimmsten Fall wären die Flughafengäste zudem eingesperrt worden. Die Türen sollten im Brandfall vollautomatisch gesteuert werden. Aber bei 1400 von ihnen waren die Kabel falsch verlegt, bei einigen fehlten sie sogar. Der Rauch hätte nicht abgeleitet werden können, Menschen das brennende Terminal nicht verlassen. Um die Eröffnung am 3. Juni 2012 trotzdem irgendwie zu retten, hatte die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) eine Idee: 700 Menschen sollten angestellt werden, sich neben die Türen setzen und im Brandfall Alarm schlagen – die berüchtigte „Mensch-Maschinen-Schnittstelle“. Die Baubehörde Dahme-Spreewald setzte dem Spuk schließlich ein Ende und verweigerte die Eröffnung. Die FBB musste um die Türen Wände und Böden wieder aufreißen lassen. Kabel wurden neu verlegt, jede Tür einzeln programmiert. Die FBB musste Wände und Böden aufreißen lassen, Kabel neu verlegen und jede Tür einzeln programmieren.
Während seit 2012 immer mehr Mängel auftauchten, schafften die Verzögerungen ganz neue Probleme. Denn immer mehr Passagiere kamen nach Berlin. Die vorhandenen Check-in-Schalter würden aber nicht reichen, um noch mehr abzufertigen. Schon bei Tests mit Komparsen 2012 fiel auf, dass es zu wenige waren. Der damalige Technikchef Manfred Körtgen brachte ein provisorisches Zelt-Terminal ins Gespräch, um doch noch zu eröffnen. Mittlerweile wurden zwei Pavillons links und rechts angebaut und 24 Schalter nachgerüstet. 118 Check-in-Schalter gibt es jetzt insgesamt.
Wohin man am BER guckt: Die Chance, dass ein Brandschutzproblem vorlag, ist hoch. Auch im Sicherheitsbereich. Nicht alle Security Checks konnten mit Körperscannern – sogenannten „Nacktscannern“ – ausgestattet werden. Sie sollten 2016 überall nachgerüstet werden. Zu viele hätten aber den fragilen Brandschutz weiter gefährdet: Die Scanner bildeten eine neue – hohe – Brandlast, heißt es in einem Nachtrag zur Baugenehmigung. Bei 29 Körperscannern war Schluss. Ein Teil der Passagiere sollte deshalb durch klassische Sicherheitssonden. Mittlerweile hat die FBB das Problem anscheinend behoben, 48 Körperscanner gibt es jetzt in Terminal 1.
In den letzten anderthalb Jahrzehnten stiegen in Deutschland die Passagierzahlen nirgendwo so schnell wie in Berlin. Das brachte eine ganze Lawine ins Rollen – nicht nur bei den Check-in-Schaltern. Ein zusätzliches Zwischengeschoss wurde noch vor 2012 eingezogen, um mehr Fläche zu schaffen; für mehr Passagiere, mehr Shops und eine ganze Airport Mall. 2014 kam heraus: Ein Drittel der mittlerweile 4000 Räume waren falsch nummeriert, einige von ihnen fehlten in den Plänen ganz. Klingt witzig, war aber ein ernsthaftes Sicherheitsproblem: Ohne Raumnummern wissen Rettungskräfte nicht, wo sie hinmüssen. Also mussten nicht nur Raumschilder, sondern auch Rettungspläne und das Brandschutzkonzept überarbeitet werden.
Immer mehr Fläche bedeutet mehr Lichter, Steckdosen und Anschlüsse. Also mussten immer mehr Sicherheitskabel in Decken, Böden und Wänden verlegt werden. Die Kabeltrassen waren zuletzt heillos überbelegt. Unter Volllast hätten sich Kabel erhitzen und Feuer fangen können. Neben dem mangelhaften Brandschutz gab es also ein zusätzliches Brandrisiko. An 70 Prozent aller Kabel gab es laut einem Prüfungsbericht des TÜV 2013 „Handlungsbedarf“. Schließlich wurden von 170.000 Kilometern Kabeln zehntausende Kilometer neu verlegt.
An der Decke sind noch heute viele Bestandteile des Brandschutzes zu sehen, die die Eröffnung bis zuletzt gefährdeten: Die rund 30.000 im Flughafen verbauten Brandmelder sind Teil der riesigen Brandmeldeanlage. Ihre Sensoren sollen bei Feuer Alarm schlagen und unter anderem das „Monster“ wecken. Doch zahlreiche Sensoren funktionierten nicht. Die komplexe Software der Brandmeldezentralen war lange sehr störanfällig. Das Signal kam nicht bei allen 3400 Klappen der Entrauchungskanäle an. Als eine illegal gerauchte Zigarette bei einem Probetermin im Sommer 2020 einen Feueralarm auslöste, freute sich Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup. „Es passierte, was passieren muss.“
Sprinkler gibt es mittlerweile ebenfalls zu wenige, 50.000 statt 75.000. Als bei Begehung der Brandmeldeanlage darauf hingewiesen wird, rüstet die FBB seit 2012 Sprinkler nach. Prompt taucht 2017 der nächste Mangel auf: Die Rohre der Sprinkleranlage sind nun zu dünn, um so viele Sprinkler mit Wasser zu versorgen. Sie würden im Brandfall eher tropfen als sprinkeln. Also werden insgesamt zwei Kilometer Rohre ausgetauscht, kleinere durch größere ersetzt.
Während so viel Pfusch am Bau bekannt wurde, entstand am BER auch Kunst am Bau. Die Künstler waren pünktlich zur 2012 geplanten Eröffnung fertig. So etwa das Werk von Olaf Nicolai, das sich um Gate 17/18 schlingt. Die Glieder der Pommel-Kette sollen je nach Auslastung der Brücke leuchten. Wenn bald die ersten Fluggäste die zeitgenössische Kunst sehen, ist sie acht Jahre alt. Nicolai traf es aber nicht ganz so hart wie seinen Kollegen Björn Melhus. Der entwickelte pünktlich zum Eröffnungstermin eine App, die das Leben einer Familie erfahrbar macht, die im Terminal gestrandet ist. Die ist technisch längst veraltet.
Der BER sollte ein internationales Drehkreuz werden, Schönefeld ein Tor zur Welt. Da durfte ein spezielles Gate für das Prestigeflugzeug A380 nicht fehlen. Im Mai 2008, kurz vor dem Spatenstich für das Terminal, verlangte der Aufsichtsrat unter Klaus Wowereit (SPD), eines nachzurüsten. Da gab es bereits Zweifel, ob das Gate wirklich gebraucht würde. Nach Gesprächen mit der FBB versprach Air Berlin, irgendwann mit einem A380 den BER anzufliegen. Die Gesellschaft bestellte nie ein Flugzeug dieses Typs, 2017 ging Air Berlin pleite. Ob der riesige A380 an seiner Brücke jemals landen wird, bleibt fraglich: Airbus stellt die A380-Produktion 2021 ein, die Airlines setzen wieder auf kleinere Flugzeuge. Die Lufthansa mustert noch 2020 ihre vierzehn Exemplare aus.
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Ausgerechnet jetzt, wo geschafft wird, woran viele nicht mehr glaubten, folgt das nächste Drama: Wegen der Coronakrise ist der Flugverkehr weltweit eingebrochen, die Luftfahrt blickt ungewissen Jahren entgegen. Das hat für den BER fundamentale Folgen. Lange galt er als zu klein, jetzt ist er groß genug. Das zusätzliche Terminal 2, direkt an Terminal 1 angebaut, ist schlüsselfertig, bleibt aber vorerst zu. Die Passagiere fehlen.
Bis Ende der 2020er Jahre sollte eigentlich Terminal 3 gebaut werden. Hier sieht man eine der erwogenen Optionen. Wenn es gebaut wird, muss dafür das Parkhaus 7 wieder abgerissen werden, wie die FBB bestätigt. Jetzt liegt das alles erst mal auf Eis. Niemand weiß, wann das Vorhaben weiterverfolgt wird.
Die Unsicherheiten beim BER-Ausbau bedeuten auch Unklarheit für den alten Flughafen Schönefeld SXF, der ab 1960 schon als DDR-Zentralflughafen diente. Der Plan sieht vor, dass der alte Flughafen schließt, sobald Terminal 3 steht. Bis dahin soll Schönefeld als Terminal 5 des BER weiter genutzt werden.
Neben dem alten Flughafen ist übrigens das Interims-Regierungsterminal zu sehen. Ein ursprünglich geplantes neues Regierungsterminal wurde 2019 gestoppt, um zu sparen. Vielleicht nutzt die Regierung die Übergangslösung also dauerhaft.
Zumindest Pläne und Genehmigungen sehen außerdem die Option auf ein Terminal 4 vor, das südlich von Terminal 3 entstehen könnte.
Außerdem gäbe es die Möglichkeit, zwei weitere Vorbauten auf das Rollfeld vor Terminal 1 zu bauen. Allerdings müsste man dafür einen Tunnel unter dem Rollfeld dorthin bauen – nicht ganz einfach bei laufendem Flugbetrieb. Und einen funktionierenden Brandschutz bräuchte er obendrauf.