[Hinweis: Mit dem Ende des Wahlkampfs wird das Dashboard seit 16.11. vorerst nicht mehr aktualisiert.]
Die Pandemie verleiht den Debatten im Netz mehr Wirkmacht als in deutschen Wahlkämpfen zuvor. Die Veränderungen sind messbar: Kandidierende posten mehr, diskutieren mit Influencern, die Profile sind professioneller gestaltet. Das macht die Debatte offener. Mehr Menschen können teilnehmen als an Parteitagen und Wahlkampfveranstaltungen in Gemeindesälen. Aber es verändert auch den Debatten-Ton. Er ist nicht immer offener, sondern oft aggressiver, polarisierender, populistischer. Doch die Plattformen halten die Regeln, nach denen die sie bestimmen, welche Posts welchen Usern ausgespielt werden, zu großen Teilen weiterhin geheim. Das macht es schwerer, Debatten und ihre Treiber transparent zu verfolgen.
Gemeinsam mit Democracy Reporting International betreibt der Tagesspiegel deshalb eine Echtzeit-Analyse des Social-Media-Wahlkampfs zur Bundestagswahl 2021. Mithilfe automatischer Datenabfragen und Analysen wird beobachtet, wie genau die Parteien dort Wahlkampf führen. Welche Plattformen werden von welchen Parteien bedient? Wie viel Resonanz und welche Reaktionen rufen sie damit hervor, welche Themen werden am häufigsten diskutiert, welche werden gefahren? Wer erobert in welchen digitalen Räumen die Debattenhoheit?
Mit dem dritten großen Update wurde die Datenanalyse nun auch auf alle 6211 Kandidierenden aller Wahlkreise und Landeslisten ausgeweitet, die bestätigte Profile haben, sowie alle Bundestagsabgeordneten und Parteiaccounts auf Bundes- und Landesebene hinzugefügt. Dadurch lässt sich in sehr detailliertem Maße erkunden, wie die Parteien ihren Wahlkampf führen. Denn während einige Themen vor allem von den Parteizentralen kommen, werden Reichweite und Aufmerksamkeitschancen wesentlich besser sichtbar, wenn man sich die Masse der Kandidierenden anschaut und auch die Profile der etablierten Abgeordneten einbezieht. Dazu wurden alle Namen der Kandidierenden auf Facebook, Twitter und Instagram händisch überprüft.
Außerdem lassen sich weiterhin die Aktivitäten der Kanzlerkandidierenden auf Facebook, Instagram, Twitter und YouTube erkunden. Für die Parteien ohne Kanzlerkandidatur werden stattdessen die Spitzenkandidierenden einbezogen. Darüber hinaus werden durch automatische Suchen nach öffentlichen Posts „über“ die Spitzenkandidierenden die häufigsten Wörter und Hashtags sowie die beliebtesten Emojis und Posts analysiert und die wichtigsten gezeigt – stets individuell sortierbar. So wollen wir einen Beitrag zu einem offeneren und transparenteren Wahlkampf im Netz leisten.
Bereits jetzt zeigen sich teils extreme Unterschiede je nach Partei und Plattform, Kandidat und Kandidatin. Die gesetzten Themen unterscheiden sich. Und die Hashtags und Emojis zeigen, wie polarisierend der Wahlkampf geführt wird.
Das Social Media Dashboard zielt in erster Linie darauf ab, den Usern zu ermöglichen, selbst einen fundierteren Einblick in den vernetzten Wahlkampf zu gewinnen und eigene Einschätzungen zu ermöglichen.
Die Daten bieten aber auch die Grundlage für tiefergehende Recherchen und journalistische Einordnungen. Dazu analysieren die Redaktion des Tagesspiegels und Analysten bei Democracy Reporting International in engem Austausch mit anderen Instituten und Forschenden die erhobenen Datenmengen, um Debatten und Dynamiken auf Social Media genauer zu beschreiben. Dabei geht es zum Beispiel darum, welche Gruppen in den sozialen Netzwerken auf Debatten Einfluss nehmen, welche Themen Teil des Wahlkampfs werden und wie sie von den Parteien präsentiert werden.
Wenn Sie Hinweise oder Ideen dazu haben: Sie erreichen die meisten aus dem Team über ein Soziales Netzwerk Ihrer Wahl. Oder ganz klassisch über folgende Mailadresse: digital@tagesspiegel.de.
Das Social Media Dashboard zur Bundestagswahl 2021 ist ein gemeinsames Forschungsprojekt des Tagesspiegels und Democracy Reporting International. Es wird gefördert von der Stiftung Mercator. In den kommenden Monaten bis Oktober werden an dieser Stelle nach und nach weitere Visualisierungen, Analysen und Einordnungen erscheinen.
Die Daten zu Posts auf Instagram und Facebook werden über eine Schnittstelle von Crowdtangle abgerufen. Der Analysedienst ist ein Teil von Facebook und stellt diese Daten über Online-Angebote und maschinenlesbare Schnittstellen (APIs) zur Verfügung. Diese werden von uns regelmäßig abgerufen. Die Twitter-Posts werden direkt über die Schnittstelle von Twitter abgerufen, Daten zu YouTube-Videos direkt über eine Schnittstelle von YouTube (Nutzungsbedingungen).
Die gesammelten Daten werden automatisiert ausgewertet, zumeist mithilfe der Programmiersprache Python. Die Analysedaten werden über einen Tagesspiegel-Server regelmäßig aktualisiert und für die interaktiven Grafiken ausgespielt.
Es werden ausschließlich Daten verarbeitet, die aus öffentlichen Profilen oder Posts kommen. Daten von Nutzer:innen, die ihre Posts nur für Freunde sichtbar teilen, fragen wir weder ab noch können wir sie auswerten. Dadurch ist die Zahl der analysierbaren Posts auf Twitter sehr viel größer als die auf Facebook oder Instagram, wo Nutzer:innen seltener öffentlich posten.
Der Tagesspiegel entwickelt in seinem Tagesspiegel Innovation Lab Darstellungen, Analysen und Datenabfragen. Dabei arbeiten Redakteur:innen, Designer, Datenanalyse-Spezialisten und Softwareentwickler zusammen. Außerdem widmet sich das Team – gemeinsam mit den Politikredakteur:innen und anderen Fachleuten in der Redaktion der Analyse der gewonnenen Daten. Nach und nach werden wir online, in Newslettern und der gedruckten Zeitung tiefergehende Analysen, Expert:innenbeiträge, Interview und Einordnungen zu den Dynamiken des Wahlkampfs auf Social Media veröffentlichen.
Democracy Reporting International (DRI) ist eine Nichtregierungsorganisation (NGO) mit Sitz in Berlin, die weltweit demokratische Institutionen und Prozesse analysiert und stärkt. DRI unterhält sieben Länderbüros, die vor Ort mit demokratischen Akteuren zusammenarbeiten. DRI´s Programm “Digitale Demokratie” beobachtet und analyiert in zahlreichen Ländern, ob Wahlkämpfe online fair geführt werden und nimmt zu Fragen der Regulierung Stellung. Mehr unter democracy-reporting.org
Das Projekt wird gefördert durch die Stiftung Mercator, die ihre Rolle folgendermaßen fasst: „Die Stiftung Mercator ist eine private, unabhängige Stiftung mit umfassender wissenschaftlicher Expertise und praktischer Projekterfahrung. Sie strebt mit ihrer Arbeit eine Gesellschaft an, die sich durch Weltoffenheit, Solidarität und Chancengleichheit auszeichnet. Um diese Ziele zu erreichen, fördert und entwickelt sie Projekte, die Chancen auf Teilhabe und den Zusammenhalt in einer diverser werdenden Gesellschaft verbessern. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa will die Stiftung Mercator durch ihre Arbeit stärken, die Auswirkungen der Digitalisierung auf Demokratie und Gesellschaft thematisieren und den Klimaschutz vorantreiben. Die Stiftung Mercator engagiert sich in Deutschland, Europa und weltweit. Dem Ruhrgebiet, Heimat der Stifterfamilie und Stiftungssitz, fühlt sie sich besonders verbunden.“
Die Förderer nehmen keinen Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung oder die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts.