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Länderanalyse: Corona in Urlaubsländern

Wo Tourismus zum Risiko wird – und wo nicht

Spanien und Griechenland geben Anlass zur Sorge.
Gute Nachrichten kommen aus zwei Ländern mit schwieriger Ausgangslage.
Spanien und Griechenland geben Anlass zur Sorge. Gute Nachrichten kommen aus zwei Ländern mit schwieriger Ausgangslage.
Partytourismus auf Mallorca Anfang Juli. Foto: Chris Emil Janßen/imago
Eine Frau genießt im März die Sonne, bevor in Portugal der Lockdown begann. Foto: Sabri Benalycherif/imago

Wer einen Grund gegen das Reisen sucht, findet ihn derzeit in Griechenland. Im August haben die Corona-Neuinfektionen in dem beliebten Urlaubsland massiv zugenommen. Sie sind derzeit sogar höher als während des ersten Gipfels Anfang April – zuletzt waren es täglich mehr als 200 neue Fälle. Neue Regeln für Touristen sollen den Ausbruch nun etwas eindämmen. Der Vergleich mit Deutschland zeigt allerdings: Die Infektionen pro Kopf sind in Griechenland noch weit niedriger als hierzulande. In den folgenden interaktiven Grafiken sehen Sie die genaue Entwicklung – auch für Spanien, Italien und Portugal.

Griechenland gehörte lange zu den Staaten, die besonders wenige Coronafälle meldeten. Das von vielen Krisen geplagte Land habe das „gegen jede Wahrscheinlichkeit geschafft“, sagte Kevin Featherstone von der London School of Economics damals. Das Am 27. Februar, nur einen Tag nach der ersten Corona-Diagnose des Landes wurden Karnevalsfeiern abgesagt. Zwei Tage später schlossen Gaststätten, Büchereien und Museen. Eine schnelle Reaktion. Wer aus dem Ausland einreiste, musste für zwei Wochen in Quarantäne.

Ab dem 15. Juni wurden die Maßnahmen nahezu umgedreht. Touristen aus 29 Ländern, darunter Deutschland, durften wieder ohne Quarantäne ins Land. Nach dem Wiederanstieg der Fälle gilt seit dem 17. August die Pflicht, einen negativen Coronatest vorzuweisen. Außerdem sind Versammlungen von mehr als 50 Menschen verboten und Sonnenschirme müssen an den Stränden vier Meter voneinander entfernt stehen. Auf den Fähren gilt Maskenpflicht – sogar im Freien.

Portugal gehört ebenfalls zu den Erfolgsgeschichten der Corona-Bekämpfung. Es gelang dort, die Kurve abzuflachen. Bis heute ist sie niedrig geblieben. Die täglichen Todesfälle lagen zuletzt meist unter zehn. Auf die Bevölkerung umgerechnet sterben damit zwar mehr Menschen als hierzulande. Doch es sind viel weniger als in den USA. Dort sind es seit Wochen stets mehr als 0,2 pro 100.000 Einwohner. Und das portugiesische Gesundheitssystem ist weitaus schwächer als das deutsche.

Ein gutes Zeichen ist auch das Verhältnis von positiven Ergebnissen zu allen durchgeführten Coronatests. Der Auswertung des Projekts „Our World in Data“ zufolge fallen in Portugal 1,3 Prozent aller Test positiv aus, mit sinkender Tendenz. In Spanien ist der Anteil an Positivtests mehr als fünfmal so hoch – Tendenz steigend.

Reaktionszeit: zehn Tage

Auch Portugal hatte früh Coronabeschränkungen eingeführt. Von den ersten bekannten Coronafällen am 2. März bis zur Verkündung des medizinischen Notstands vergingen nur zehn Tage. Es wurde also wesentlich schneller reagiert als in Deutschland. Mitte Mai wurden die geltenden Maßnahmen wieder gelockert: Gaststätten, Schulen und kleinere Läden öffneten damals wieder. Die Fallzahlen steigen bislang dennoch nur leicht an.

Wegen anhaltender Infektionsherde gab es ab Anfang Juli im gesamten Großraum Lissabon und insbesondere für 20 Vororte im Norden der Hauptstadt strengere Maßnahmen. Die rund 700.000 Einwohner der Vororte durften ihre Häuser nur noch verlassen, um zur Arbeit zu gehen und dringende Einkäufe zu erledigen. Mittlerweile sind die Beschränkungen auch in diesen Gebieten größtenteils wieder aufgehoben. Maskenpflicht besteht auf lokaler Ebene.

Für Deutsche gibt es keine Einreisebeschränkungen. Besucher müssen aber Angaben unter anderem zum geplanten Zielort und zur Erreichbarkeit während des Aufenthalts im Land machen. Zudem wird die Körpertemperatur bei der Einreise gemessen.

Der große Unterschied zwischen Spanien und Italien

Italien und Spanien gehörten beide schnell zu den Ländern, die am schlimmsten von der Pandemie betroffen waren. Zuletzt haben sie eine sehr unterschiedliche Entwicklung genommen. Alle dürften sich an die dramatischen Bilder aus Bergamo erinnern. Im März waren die Infektionen in Italien sprunghaft angestiegen. Die ersten positiven Tests hatte es aber bereits Ende Januar gegeben. Daher erscheint Italiens Reaktion mit unserem heutigen Wissen zögerlich: Erst im März gab es einen Lockdown weiter Gebiete des Landes.

Später waren die Coronabeschränkungen Italiens im weltweiten Vergleich besonders streng. Selbst Spaziergänge waren zeitweise verboten. Dadurch gelang es den Menschen in Italien, die Neuinfektionen extrem zu senken. Heute liegen sie im europaweiten Vergleich auf recht niedrigem Niveau. Und auch nach den Lockerungen dieser harten Vorschriften blieben die Fälle bislang niedrig.

Die Polizei greift häufig ein

Die meisten Urlauber aus der EU oder aus dem Schengenraum dürfen seit Juni ohne Beschränkungen nach Italien einreisen. Nur für Ankünfte aus Bulgarien und Rumänien verhängte Rom wieder eine zweiwöchige Quarantänepflicht. Innerhalb Italiens darf man sich ungehindert fortbewegen. In Geschäften, Zügen oder anderen geschlossenen Räumen gilt zumindest bis in den September Maskenpflicht. Größere Ansammlungen von Menschen sind verboten, stehen die Leute zu eng zusammen und trinken auf der Piazza, greift die Polizei oft ein. An Stränden müssen Distanzregeln eingehalten werden. Das gelingt teils nicht richtig.

Spanien erfuhr in der Pandemie einen der dramatischsten Verläufe. Wie in Italien gab es die ersten bekannten Covid-19-Fälle Ende Januar. Auch dort gab es strenge Lockdownmaßnahmen erst im März. Ab Mitte März durften die Spanier nur noch für wichtige Besorgungen das Haus verlassen. Das Virus hatte sich damals also bereits seit mindestens sechs Wochen im Land verbreiten können.

Urlauber aus der EU dürfen inzwischen unbegrenzt wieder nach Spanien einreisen. Die wieder gestiegenen Corona-Zahlen bereiten allerdings seit vielen Tagen Sorgen. Auch im Ausland. Zuletzt wurde fast ganz Spanien zum Risikogebiet erklärt, das gilt also auch für die beliebten Balearen wie Mallorca. Einzig die Kanarischen Inseln sind ausgenommen. Länder wie Großbritannien oder Norwegen ordneten sogar Zwangsquarantäne für Rückkehrer aus dem wichtigsten europäischen Urlaubsland an.

Auffällig ist auch, dass Spanien und Italien in der schlimmsten Phase täglich jeweils mehr als einen Toten pro 100.000 Einwohner vermeldeten. In Portugal oder Deutschland lagen die Zahlen immer deutlich niedriger, bei kaum mehr als 0,3. In Griechenland wurden noch weniger Coronatote pro 100.000 Einwohner erfasst.

Warum sterben so unterschiedlich viele Menschen?

Ein wahrscheinlicher Grund: die Überlastung der Krankenhäuser. Aus Spanien gab es spätestens Ende März entsprechende Berichte. Und vom medizinischem Personal in Italien war schon am 16. März zu hören: „Wir halten nicht mehr lange durch“.

Anders in Portugal: Hier hielt der medizinische Sektor der Pandemie stand. Und das, obwohl Portugal von Sparmaßnahmen gebeutelt ist. Noch viel mehr gilt das für Griechenland. Der Lungenarzt Kostas Eleftheriou sagte nach der ersten Viruwelle dem „Neuen Deutschland“, das öffentliche Gesundheitswesen habe Griechenland durch die Krise geholfen. Aber der Erfolg Griechenlands habe genauso mit der frühen Ausgangssperre zu tun – und damit, „dass die Regeln befolgt wurden, auch aufgrund der bedrohlichen Situation in Italien.“ Man kann nur hoffen, dass die Touristen in Griechenland sie auch befolgen.

Die Autoren

Jonas Bickelmann
Text & Recherche
David Meidinger
Datenvisualisierung
Veröffentlicht am 17. August 2020.