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Energiekrise in Europa

Diese Länder sparen bisher am meisten Gas

Europa muss Gas sparen – gelingt das? Aktuelle Daten zeigen: Deutschland hat sein Ziel noch nicht erreicht. Andere Länder machen das besser.
Europa muss Gas sparen – gelingt das? Aktuelle Daten zeigen: Deutschland hat sein Ziel noch nicht erreicht. Andere Länder machen das besser.
Foto: Imago, Tagesspiegel-Illustration

Zwanzig Prozent – so lautet die magische Zahl, die von der Bundesnetzagentur kommuniziert wurde. So viel Gas muss Deutschland mindestens einsparen, damit es im Winter zu keiner Gasmangellage kommt – also mehr Gas verbraucht wird als reinkommt und der Mangel nicht durch die Speicher gedeckt werden kann.

Daten des Thinktank Bruegel von Ende November 2022 zeigen: Deutschland erreicht dieses Ziel bislang nicht. Dabei war es bislang ein warmer Winter. In den vergangenen Wochen aber sind die Temperaturen stark eingebrochen. Der Dezember ist bisher trotz Klimawandel recht durchschnittlich kalt. Das Ziel noch zu erreichen, wird ab jetzt also wesentlich schwerer.

Dabei zeigen andere europäische Länder, dass weitaus größere Einsparungen durchaus möglich sind.

Diesen Daten aus dem „European natural gas demand tracker” von Bruegel zufolge sparte in Deutschland bislang vor allem die Industrie – 20 Prozent. Haushalte hingegen nur 13 Prozent. Am wenigsten Gas konnte jedoch bei der Stromerzeugung eingespart werden. Hier ist der Verbrauch nur neun Prozent geringer als im Vorjahresschnitt (2019 bis 2021).

Propan, Biomasse und Torf ersetzen Gas

Spitzenreiter beim Gassparen sind die Finnen. Über 50 Prozent sparte das Land im Norden. Die Bevölkerung zieht beim Sparen mit: Laut einer monatlichen Umfrage des staatlichen Statistikamtes in Finnland gaben 90 Prozent der Befragten an, dass sie Maßnahmen zum Energiesparen vornahmen, vor allem beim Heizen. Einer aktuellen Umfrage in Deutschland zufolge sparen in Deutschland 68 Prozent aller Befragten Energie beim Heizen.

Der Grund für den finnischen Erfolg beim Sparen dürfte aber gerade nicht bei den Haushalten liegen. Denn nur sehr wenige Häuser haben eine Gasheizung. Vor der Energiekrise wurde der finnischen Zeitung Helsingin Sanomat zufolge etwa ein Drittel des Erdgases für die Strom- und Wärmeerzeugung verwendet. Hier habe man Erdgas durch Kohle, Biomasse oder Torf ersetzt. Auch finnische Industriezweige, die Gas als Rohstoff statt zur Energiegewinnung benötigen, wusste sich zu helfen. So hat das Mineralölunternehmen Neste, das früher Wasserstoff aus Erdgas bezog, seine Wasserstoffherstellung auf Propangas umgestellt.

In Lettland, das über 30 Prozent Gas im Vergleich zum Durchschnitt von 2019 bis 2021 sparte, schaltete man einfach das mit Gas betriebene Wärmekraftwerk ab und ersetzte dies durch Stromkäufe aus den Nachbarländern. Hinzu kamen nach Angaben des öffentlichen Rundfunks in Lettland außerdem ein sehr warmer Winter zu Beginn des Jahres 2022.

Wer an Flüssiggas kommt, muss nicht so viel sparen

Blickt man auf die Länder, die kaum einsparen konnten, so zeigt sich am Beispiel Spaniens, dass Einsparungen in allen Bereichen wichtig sind. So haben Industrie und Verbraucher wegen der hohen Preise zwar Gas gespart. Allerdings wurde wesentlich mehr Gas zur Stromerzeugung verwendet als im Vorjahresschnitt, so dass Spanien insgesamt ein Prozent mehr Gas verbrauchte.

Warum der Gasverbrauch in der Slowakei sogar gestiegen ist, ist schwer zu sagen. Die Regierung hier hatte schon früh angekündigt, dass die Reserven für den Winter ausreichen würden. In der Slowakei liegt einer der wichtigsten Knotenpunkte der europäischen Gasversorgung. Von hier führen Pipelines nach Tschechien und Deutschland sowie nach Österreich und Italien.

In Italien sind es gerade einmal sechs Prozent Gaseinsparungen. Dort spart keiner so richtig, auch wenn die Regierung sich das anders wünscht. Italiens Glück: Dank der zahlreichen Häfen im Land ist es nicht von Pipelines abhängig. So besorgt das Land einfach neue Flüssiggasimporte. Das hat aber teils drastische Folgen. In Rom ist der Gaspreis für Endverbraucher schon 115 Prozent höher als im Vorjahr. Das Beispiel zeigt, wie unterschiedlich die Reaktionen von Politik, Bevölkerung und die geografische Lage in den europäischen Ländern zusammenspielen können.

Dieser Artikel wurde als Teil des European Cities Investigative Journalism Accelerator produziert. Es ist ein Netzwerk europäischer Medien, das sich der Recherche gemeinsamer Herausforderungen europäischer Großstädte und Länder widmet. Das Projekt ist eine Fortführung der europäischen Recherche Cities for Rent und wird vom Stars4Media-Programm gefördert.

Das Team

Eric Beltermann
Webentwicklung
Gaby Khazalová
Datenrecherche
Hendrik Lehmann
Datenrecherche
David Meidinger
Webentwicklung
Lennart Tröbs
Gestaltung
Helena Wittlich
Recherche und Text
Veröffentlicht am 12. Dezember 2022.