Allerdings lässt sich aus diesen Zahlen nicht ablesen, dass ALLE überdurchschnittlichen Todeszahlen ihren Grund in Corona haben. Im August etwa starben ebenfalls deutlich mehr Menschen als in den Vorjahren. Grund dafür war aber nicht das Coronavirus, sondern eine Hitzewelle.
Die Übersterblichkeit war besonders in den Bundesländern hoch, die auch hohe Infektions- und Todeszahlen in Verbindung mit dem Coronavirus gemeldet haben.
Während die Übersterblichkeit etwa in Brandenburg, Sachsen und Thüringen in den Dezemberwochen besonders hoch war, fiel sie in Schleswig-Holstein eher gering aus. Im Dezember lag die Übersterblichkeit in Sachsen bei 103 Prozent, die Sterbefallzahlen hatten sich im Vergleich zu den Vorjahren also mehr als verdoppelt. In Brandenburg lag die Anzahl der Todesfälle 48 Prozent über dem Durchschnitt der Vorjahre, in Thüringen bei 42 Prozent. Die folgenden Grafiken zeigen die Übersterblichkeit der einzelnen Bundesländer für das Jahr 2020 an.
Regionale Unterschiede zeichnen sich auch auf internationaler Ebene ab. Im Vergleich zu anderen Ländern hat Deutschland eine insgesamt eher geringe Übersterblichkeit zu verzeichnen: Auf das ganze Jahr 2020 bezogen lag die Zahl der Sterbefälle fünf Prozent über dem Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019. Von einer deutlich erhöhten Übersterblichkeit war etwa Großbritannien betroffen. Besonders die erste Pandemiewelle traf das Land schwer, wie auf der folgenden Ländergrafik zu erkennen ist. Insgesamt verzeichnet das Land 2020 eine Übersterblichkeit von etwa 13 Prozent. Auch die USA haben deutliche erhöhte Sterbefallzahlen zu verzeichnen. Anders ist es in Dänemark: Das Land hat es bislang geschafft, ohne deutlich erhöhte Sterbefallzahlen durch die Pandemie zu kommen.
Woran Menschen sterben, wird in Deutschland detailliert protokolliert: Für jeden Toten wird ein Totenschein ausgefüllt, auf dem die Sterbeursache notiert wird. Für 2020 liegen die Daten zu restlichen Sterbeursachen noch nicht vor, für 2019 aber kann man Anzahl und Ursachen der Todesfälle genau benennen. Da die meisten dieser Krankheiten sich im Verlauf der letzten Jahre relativ stabil entwickelt haben, eignen sich diese Zahlen dennoch für einen vorläufigen Vergleich.
Die Grafik zeigt die häufigsten Todesursachen in Deutschland 2019 im Vergleich zu allen Corona-Todesfällen von 2020 an:
Insgesamt starben 2019 939.520 Menschen in Deutschland - die meisten davon an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zweithäufigste Todesursache waren Tumore und Krebserkrankungen. Reiht man das Coronavirus in diese Liste ein, liegt es bereits auf Platz acht. Und das, obwohl erste Corona-Todesfälle erst ab März 2020 gezählt wurden – und obwohl Deutschland zweimal in den Lockdown ging und strenge Maßnahmen verhängte, um die Virusausbreitung einzudämmen.
Im Vergleich mit „äußeren“ Todesursachen fällt auf: Durch das Coronavirus sind 2020 mehr Menschen gestorben als durch häusliche Unfälle, Suizide, Verkehrsunfälle und Morde sowie andere Gewalttaten zusammen – über 9.000 Menschen mehr. Die Wahrscheinlichkeit, im Zusammenhang mit COVID-19 zu sterben, ist also deutlich höher als bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen oder Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden.
Die Grafik zeigt die Todesfälle, die 2019 durch Gewalt und Unfälle verursacht wurden, im Vergleich zu allen Corona-Todesfällen von 2020 an.
Auch der Vergleich mit sogenannten Zivilisationskrankheiten ist aufschlussreich. Das sind Krankheiten, die aufgrund von eigenem Verhalten entstehen, etwa durch ungesunde Ernährung, Rauchen oder schmutzige Luft. Die Zahlen zeigen: In Deutschland sind 2020 mehr Menschen an Covid-19 gestorben als an der oft durch Rauchen ausgelösten Atemwegsverengung (COPD), einer alkoholischen Leberkrankheit oder Diabetes Typ 2.
Auf der ganzen Welt sterben jedes Jahr Millionen Menschen an ansteckenden Krankheiten, die eigentlich mit Medikamenten behandelt werden können. 2019 waren Tuberkulose und HIV die tödlichsten Infektionskrankheiten. Vergleicht man die Angaben zu den tödlichsten Infektionskrankheiten von 2019 mit den Coronaviruszahlen von 2020 wird deutlich: Covid-19 wird aller Wahrscheinlichkeit nach Tuberkulose als tödlichste Infektionskrankheit der Welt ablösen. Rund 638.000 Menschen mehr starben 2020 an Covid-19 als 2019 an Tuberkulose:
Diese Zahlen zeigen, wie global der Kampf gegen Corona geführt werden muss, wenn wir den unsichtbaren Gast besiegen wollen. Auch wenn die Übersterblichkeit von Land zu Land und Region zu Region stark variiert, ist das Coronavirus schon jetzt eine der tödlichsten Infektionskrankheiten, die es auf der Welt gibt. Die Statistiken erzählen zwar nicht von den tragischen Geschichten hinter den einzelnen Zahlen – doch sie zeichnen ein Bild davon, welche gigantische Aufgabe uns noch bevorsteht.