Einen Tag nach dem Beginn einer massiven russischen Bodenoffensive in der ukrainischen Region Charkiw sind nach Behördenangaben mehr als tausend Menschen aus grenznahen Gebieten evakuiert worden. Insgesamt seien 1775 Menschen in Sicherheit gebracht worden, teilte Regionalgouverneur Oleh Synegubow am Samstag in den Onlinenetzwerken mit. Ihm zufolge waren in den vergangenen 24 Stunden 30 Ortschaften von russischen Artillerie- und Mörserangriffen betroffen. Nach Angaben eines hochrangigen ukrainischen Militärvertreters stießen die russischen Truppen am Freitag rund einen Kilometer in ukrainisches Gebiet vor.
Ukrainische und russische Militärbeobachter wie auch ausländische Experten gingen aber davon aus, dass der Vorstoß noch nicht auf die Stadt Charkiw ziele. Das Institut für Kriegsstudien ISW in den USA sprach von „begrenzten operativen Zielen“. Die Angriffe sollten die ukrainischen Kräfte von der Grenze abdrängen; durch das Vorrücken solle Charkiw wieder in die Reichweite russischer Rohrartillerie kommen. Strategisches Ziel sei, die Ukrainer zu zwingen, Soldaten und Material von anderen bedrängten Abschnitten der Front im Osten abzuziehen.
Den Berichten von der Front nach hat der Angriff zwei Stoßrichtungen. An einem Grenzabschnitt etwa 30 Kilometer nördlich von Charkiw besetzten russische Truppen mehrere ukrainische Dörfer. Sie lagen nach übereinstimmenden Angaben in einer Art grauer Zone noch vor der vordersten ukrainischen Verteidigung. Der ukrainische Generalstab nannte das Dorf Lipzy als Stoßrichtung dieses Angriffs. Der zweite Angriff zielte auf die Stadt Wowtschansk etwa 40 Kilometer nordöstlich von Charkiw. Auch dort wurden mehrere kleine Orte entlang der Grenze besetzt. Im Fall Wowtschansk sehen Experten eher die russische Absicht, Nachschublinien der Ukraine in Richtung Kupjansk zu stören. (AFP, dpa)