Noch flackert die Ampel höchstens schwach, die Parteien vorsondieren noch. Aber bald könnte es die erste Dreier-Koalition auf Bundesebene geben. Schon jetzt markiert die Bundestagswahl 2021 eine Zäsur. „Das Ende der Volksparteien ist besiegelt“, sagte der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung kürzlich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es ist das erste Mal, dass keine Partei mehr als 30 Prozent der Stimmen erhielt – weder die traditionellen Volksparteien Union und SPD, noch die Grünen, die vor der Wahl zwischenzeitlich schon als neue Öko-Volkspartei gehandelt wurden.
Die Union rutschte um fast neun Prozentpunkte ab, steht jetzt bei 24,1 Prozent. Die SPD war schon 2017 abgestürzt. Auch wenn die Sozialdemokraten ihr Ergebnis um 5,2 Prozentpunkte verbessert haben, stark ist die Partei deshalb mit 25,7 Prozent noch lange nicht. 1998 hatte sie noch 40,9 der Bürger:innen überzeugt.
Wie genau das Ende der großen Volksparteien die politische Landschaft Deutschlands verändert, zeigen Gemeindedaten zu den Bundestagswahlen 2021 deutlich wie nie. Ordnet man die abgegebenen Stimmen diesen kleinsten Verwaltungsebenen der Bundesrepublik zu, zeigt sich: Die politische Karte wird fleckiger.
Wo 2013 noch das Schwarz der Union dominierte, sind nun weite Teile des Landes rot. Aber auch andere Farben treten hervor: blau, grün, gelb. Das zeigt: In manchen Regionen gibt es nicht mehr die eine Partei. Die Erfolge der Grünen konzentrieren sich auf Städte. Wähler:innen auf dem Land abzuholen, haben sie – das lässt zumindest der Blick auf die Karte vermuten – nicht geschafft. Und in der östlichen Mitte des Landes scheint vor allem die AfD zu punkten und färbt die Karte blau.
Was zum Beispiel auf weniger detaillierten Karten nur schlecht zu erkennen war: Nicht nur in Thüringen und Sachsen ist die AfD vielerorts stärkste Kraft. Sondern auch am nordöstlichen Rand Deutschlands in Mecklenburg-Vorpommern und Teilen Brandenburgs.
Schaut man genauer hin, zeigt sich aber: Was auf den Wahlkarten wie eine große Mehrheit aussieht, ist vielleicht eher ein Irrlicht. Denn in Wählerstimmen ausgedrückt hat die AfD verloren, um 2,3 Prozentpunkte in ganz Deutschland (Zweitstimmen).
Dass trotzdem mehr Gemeinden blau eingefärbt sind, liegt auch daran, dass die CDU stark verloren hat. Die AfD konnte 2021 in einigen Gemeinden mit wenig Stimmengewinn stärkste Kraft werden, zum Beispiel in der Gemeinde Ingersleben in Sachsen-Anhalt.
Hier erzielte die AfD 2021 ein um 4,7 Prozentpunkte besseres Ergebnis als 2017, erhielt 25,1 statt 20,4 Prozent der Zweitstimmen. Trotzdem ist sie jetzt die stärkste Kraft. Die CDU lag 2017 deutlich vor der AfD, hatte 2017 40,5 Prozent erzielt. Diesmal waren es nur noch 23,4. Die SPD kommt auf 24,7 Prozent. Der Verlust der CDU ist hier der Gewinn der AfD: Die Gemeinde mit 1114 Wahlberechtigten ist nun nicht mehr schwarz, sondern blau eingefärbt.
Das beste Wahlergebnis erzielte die AfD übrigens in der Gemeinde Groß Luckow in Mecklenburg-Vorpommern, mit 55,7 Prozent hat die Partei hier eine absolute Mehrheit. Dort haben aber nur 88 Menschen abgestimmt. Das zeigt die Grenzen der Kartendarstellung. Denn Gemeinden können aus winzigen Dörfern und dünn besiedelten Landstrichen bestehen.
Auch eine Großstadt ist eine Gemeinde. Berlin ist die deutschlandweit bevölkerungsreichste, 1,8 Millionen Menschen haben hier gewählt. Nicht weit entfernt, in Brandenburg, versammeln viele Gemeinden nur rund hundert Wählende. Faktoren wie Bevölkerungsdichte und Flächengröße haben zur Folge, dass Gemeindedaten über Mehrheitsverhältnisse nur begrenzt etwas aussagen.
Trotzdem vermitteln sie einen Eindruck davon, welche Parteien wo stark sind. Die Union zum Beispiel in ländlichen Regionen im Süden und Nordwesten des Landes. Die SPD ist besonders im Norden und industriell geprägten Westen stark. Sowohl Linke als auch AfD sind im Osten deutlich beliebter.
Anders als in den Jahren zuvor ist die FDP in acht Gemeinden stärkste Kraft geworden. Sieben davon sind in Schleswig-Holstein. Dort war Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki Spitzenkandidat. Ein Blick auf die Struktur der Gemeinden zeigt aber: Die sieben Gemeinden im äußerst dünn besiedelten Bundesland sind sehr klein, in mehreren von ihnen wählten weniger als 100 Menschen. Wenn die Menge der Wählenden klein ist, sind statistische Schwankungen wahrscheinlicher. Dazu passt, dass ganz in der Nähe der gelben Gemeinden auch schwarze, rote und grüne liegen.
Die prozentual meisten Stimmen erhielt die FDP übrigens in Glüsing (31,2 Prozent), ebenfalls in Schleswig-Holstein. Trotzdem sind die Liberalen hier nur zweite Kraft, denn noch lieber haben die 64 Wählenden ihre Stimme der CDU gegeben (34,4).